Einführung ins Thema "Leseland DDR" - Literatur

15. Oktober 2021, 11:29 Uhr

Die Beschäftigung mit Literatur wurde in der DDR gezielt gefördert, um auf die Erziehung des "sozialistischen Menschen" Einfluss zu nehmen. Diese Förderung betraf natürlich nicht alle Autoren und Themen.

Nach 1945 versuchte man in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) schnell, einen sozialistischen Literaturbetrieb zu installieren. Dieser Kulturbereich wurde nach der Staatsgründung 1949 unter dem selbst kulturell tätigen Minister Johannes R. Becher intensiv ausgebaut, Staat und Partei nahmen Literatur ungeheuer ernst.

Dieses Ernstnehmen bedeutete auch den Ausschluss bzw. die Behinderung unerwünschter Werke, man förderte auf der anderen Seite intensiv die sozialistische Vorkriegsliteratur, viele der Exil-Literaten aus der Zeit des Nationalsozialismus, die sowjetischen Autoren und jene deutschen Klassiker, welche man als "aufgeklärt-fortschrittlich" deklarierte. Über 70 (meist staatliche und in jedem Fall staatlich kontrollierte) Verlage betreuten die Autoren und entschieden, auch mit Hilfe der entsprechend politisch geschulten Lektoren, über die Herausgabe und die Auflage ihrer Werke. Bücher waren nie Mangelware – aber nicht alles wurde gedruckt ….

Die Lektüre unerwünschter Werke war streng reglementiert, zum Verkauf kamen indizierte Bücher nicht. Für wissenschaftliche Zwecke durften sie – gegen Vorlage des sogenannten "Giftscheins" – gelesen werden, bei sehr unerwünschter Literatur durfte man nur unter Aufsicht in speziellen Lesesälen Einsicht nehmen.

Auch in dem, was diese Literatur durch Schweigen verrät, findet sich die Geschichte … beschrieben.

(aus: Helmut Nürnberger, Geschichte der deutschen Literatur, München 24. Auflage/1998, S.385)

Leipziger Buchmesse bietet Sichtfenster

Das politische Tauwetter ab ca. 1953/56 erreichte die DDR nur bedingt, da der Aufstand vom 17. Juni 1953 für erweiterte Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen sorgte. Prozesse gegen die Schriftsteller Wolfgang Harich, Erich Loest und Walter Janka belegten die Angst vor unerwünschten Aussagen. Diese Angst beeinflusste natürlich auch den Umgang mit westlicher Literatur, welche nur selten auf offiziellem Weg in die DDR kamen. Die Buchmesse Leipzig bot hier eine Art Sichtfenster, ansonsten war die Lektüre verbotener Werke nur privat möglich – und mit Gefahren verbunden.

"Greif zur Feder, Kumpel"

1959 bis 1961 bedeutete einen doppelten Einschnitt in der Literaturpolitik. Zunächst wurde durch den sogenannten "Bitterfelder Weg" das Entstehen einer von Arbeitern bzw. dem einfachen Volk produzierten Literatur propagiert ("Kumpel, greif zur Feder!"), mit natürlich sehr unterschiedlichen qualitativen Folgen.

Nach dem Mauerbau verstärkte sich der Versuch, die Abgrenzung zum Westen auch über die Literatur zu demonstrieren – "die offizielle Argumentation … (zielte) auf zwei deutsche Literaturen" (Nürnberger, a.a.O., S. 384). Lockerungsübungen unter Honecker änderten dies nur bedingt, wie die Ausweisungen bzw. Ausreisen von Wolf Biermann und Reiner Kunze 1976/77 zeigten. Der durch Fernsehen, Radio und gesellschaftliche Entwicklungen angestoßene Systemvergleich ließ sich in den 1980er-Jahren jedoch nicht mehr so rigoros wie bisher verhindern, zuletzt durfte z.B. sogar der bisher verfemte Karl May in der DDR gelesen werden. Vorher wurde er nur an den Westen verkauft, als Devisenbringer!

Bücher im "Giftschrank" Verboten waren Werke, die die SED als eindeutig antikommunistisch einstufte. Auf dem Index standen ferner Bücher, deren Inhalte als pornografisch oder faschistisch galten oder deren Autoren in den Westen übergesiedelt waren. Diese Werke wurden in sogenannten "Giftschränken" verwahrt. Zugang hatte nur, wer einen "Giftschein" besaß – die Genehmigung eines wissenschaftlichen Institutes oder einer Universität.