Mauerbau 1961 in Berlin, Bautrupps bei der Arbeit.
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Ein Blick in die Zeit Historischer Kontext

24. Juni 2021, 13:09 Uhr

Wohl kaum ein historisches Datum ist in den Köpfen der Deutschen so präsent wie der 13. August 1961, wahrscheinlich erreichte kein anderes Bauwerk der Nachkriegszeit eine solche Bekanntheit wie die Berliner Mauer. Aber warum ist das so? Und ist das - historisch betrachtet - in Ordnung?

Am 13. August 1961 wurde in Berlin die Sektorengrenze zwischen den drei Westsektoren Berlins und dem östlichen Sektor, der inzwischen als Hauptstadt der DDR fungierte, durch militärische Einheiten der DDR mit einem Stacheldrahtzaun befestigt und seitdem rund um die Uhr lückenlos überwacht. Im Laufe der folgenden Monate wurde dann ein gigantisches Bauwerk aus Beton errichtet - die Berliner Mauer."

Die Errichtung des "antifaschistischen Schutzwalls"

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges war es der politische Wille der DDR- Regierung, den "ersten Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden" vor dem ökonomischen Kollaps zu bewahren, indem sie ihn "einmauerte" und endgültig verhinderte, dass Fachkräfte das Land verlassen, politisch Verfolgte oder Unzufriedene die zweite deutsche Alternative, die BRD, als Wohnsitz wählen konnten, wie das seit 1950 etwa zwei Millionen Menschen getan hatten. Sie unterband ebenfalls, dass Menschen aus der DDR den "westdeutschen Imperialismus" bei Reisen in die BRD oder bei Einkäufen und Kinobesuchen in Westberlin hautnah erleben konnten und ihre eigenen Erlebnisse mit dem Bild, das die DDR-Propaganda verbreitete, verglichen. Natürlich wurden durch den Mauerbau auch für den Kalten Krieg typische westliche Störversuche, die besonders auf ökonomischen Gebiet abliefen, z.B.  massive Fachkräfteabwerbung, erschwert. Dass deshalb die Errichter ihre Mauer als "antifaschistischen Schutzwall" priesen, dass sie gar zur "Friedenssicherung" unabdingbar gewesen sein soll, glaubten ihnen nur die wenigsten.

Mauer selbst durch Friedhöfe gebaut

Nach dem Willen und unter den Bedingungen der "Diktatur des Proletariats", die sich selbst gern als "Diktatur der werktätigen Massen über bürgerliche Minderheiten" betrachtete,  waren die Wirkungen der undurchlässigen Grenze für die 17 Millionen Bewohner der DDR besonders drastisch und Widerstand wenig aussichtsreich. Viele - oft tragisch gescheiterte, manchmal aber auch geglückte - Fluchtversuche und die sogenannten "Mauertoten" zeigten sowohl die Brisanz als auch die Brutalität der Mauer. Bis heute wird über die genaue Anzahl der Opfer an der Berliner Mauer und der innderdeutschen Grenze (ab 1961 mindestens 169) gestritten.

In jedem Einzelfall verlor jedoch ein Mensch zu viel sein Leben. Eingedenk der Tatsache, dass die Mauer äußerst brutal in das Leben vieler Menschen eingriff, die heute nicht direkt im Fokus der öffentlichen Erinnerung stehen, ist dies jedoch nur die Spitze eines Eisbergs: Junge Wehrpflichtige, die unfreiwillig an der Grenze Dienst leisten mussten und am Schießbefehl psychisch zerbrochen sind oder wegen Verweigerungshaltung im Militärgefängnis landeten, mussten oft noch jahrelang Nachteile ertragen. Das "Monstrum" Mauer nahm Menschen den gewohnten Lebensraum, schnitt ihnen die Verbindung zu Verwandten und Bekannten ab, zerriss Liebesbeziehungen. Unzählige Lebenswege wurden brutal unterbrochen und mussten unfreiwillig völlig neu ausgerichtet werden. Nicht einmal vor den Friedhöfen machten die Verantwortlichen der Mauer halt. Um die Mauer zu einem immer perfekteren Todesstreifen aufzurüsten, schreckten sie auch davor nicht zurück, die Totenruhe zu stören oder Menschen die Möglichkeit zu nehmen, um ihre Toten zu trauern.

Auch die Bewohner Westberlins und der Bundesrepublik mussten bis 1989 mit diesen Umständen leben, ohne sie wirklich verändern zu können.

Fluchthelferbewegung und Mauertourismus

Die Tatsache der Berliner Mauer wurde unterschiedlich verarbeitet: Eine Vielzahl der bundesdeutschen Politiker akzeptierte ohne nennenswerte Widerstände die deutsche Teilung als Preis für die Westintegration und  bewertete sie als "alternativlos", was heute, auch mit Blick auf ähnliche aktuelle Herausforderungen in anderen Regionen der Welt, durchaus kontrovers diskutiert und bewertet wird. Besonders in den Anfangsjahren entwickelten Studenten eine z.T. abenteuerliche Fluchthelferbewegung, die Presse hatte ein Dauerthema zur immer neuen Bearbeitung. Kommerziell betrieben wurde ein regelrechter Mauertourismus in Westberlin, bei dem der Rundblick von Aussichtsplattformen auf die Mauer als schaurige "Sehenswürdigkeit" integriert wurde. Andere wiederum vermarkteten die traurigen Tatsachen an der Grenze effektvoll, aber mit sehr unterschiedlichem journalistischem oder künstlerischem Anspruch als Stories und in Bildern.

Jahrzehntelange Diskussionen über die Mauer

Was in der Erinnerung oft übersehen wird:  Der Bau der Berliner Mauer 1961 war nicht der Anfang, sondern eher Endpunkt der Errichtung einer unüberwindlichen Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten und ein trauriger Höhepunkt der weltweiten Auseinandersetzung zwischen den Parteien des Kalten Krieges. Dass die Berliner Mauer während der Friedlichen Revolution 1989 nicht einfach fiel, sondern eingerissen worden ist von den Menschen, die immer unerschrockener ihre Grundrechte eingefordert haben, ist ein Wendepunkt in der deutsch-deutschen Geschichte.

Seit den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart regte die Mauer sowohl als Gegenstand historischer Untersuchung als auch als Symbol, das unterschiedlich gedeutet und interpretiert wird, zu immer neuen Diskussionen an. Alles Erinnern und Nachdenken ist aber nur dann wirklich verantwortungsvoll und produktiv, wenn daraus Anspruch und Verpflichtung erwächst, das Höchstmögliche zur vollen Entfaltung von Grundrechten für alle beizutragen, als Bürger im Alltag oder als Politiker eines Landes in einer immer komplexer Welt.

Buchtipp: M. Detjen: Die Mauer in: M. Sabrow: Erinnerungsorte der DDR, München 2009

DDR in 10 Minuten: Die Berliner Mauer (1961 bis 1989)

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