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Ein Blick in die ZeitHistorischer Kontext

06. Dezember 2019, 16:14 Uhr

Für die DDR als Vertreterin des "real existierenden Sozialismus" war es der Anfang vom schnellen Ende - für diejenigen, denen die demokratische Entwicklung wichtig war, ein unvergleichlicher Höhepunkt.

Wann haben sich davor oder danach je Millionen Deutsche für Politik interessiert, wann sind je wieder Hunderttausende auf die Straße gegangen, um demokratische Grundrechte einzufordern? Wann waren Menschen bereit, für die Umsetzung ihrer Forderungen Verantwortung zu übernehmen und selbst daran mitzuwirken?

Die Bundesrepublik und die DDR, haben sich - zwischen Abgrenzung und Nähe, mit Gemeinsamkeiten und gravierenden Unterschieden, aber immer bezogen aufeinander - seit 1949 politisch und kulturell-gesellschaftlich entwickelt. Nach fast exakt 41 Jahren Trennung wurde Deutschland am 3. Oktober 1990 wiedervereint. Die DDR ist dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beigetreten, ihre 16 Millionen Bürger, deren Biografien und individuelle Gedächtnisse, leben in der Bundesrepublik weiter.

Die Entwicklung der DDR begann am 7. Oktober 1949, mit (ehrlichem, aber auch politisch instrumentalisiertem) Antifaschismus legitimiert, mit der sowjetischen Armee im Land, den stalinistischen Anweisungen im Nacken, mit dem allgegenwärtigen Mangel, mit den frischen Kriegswunden in den Seelen und in der Landschaft und mit dem Glauben an die Möglichkeit einer besseren Zukunft.

Eine soziale Alternative zum Wirtschaftswunder der frühen Bundesrepublik zu schaffen, erwies sich in der gegebenen Situation mit den vorhandenen Mitteln als unmöglich. Schnell setzten sich unbelehrbare Stalinisten an die Spitze der Macht, die niemals ernsthaft die Idee eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz verwirklichen wollten. Doch weder mit propagandistischen Täuschungsmanövern noch mit diktatorischen Mitteln gelang es ihnen, die Mehrzahl der Bürger dauerhaft zu gewinnen. Diese entwickelten sehr verschiedene Verhaltensmuster: Manche profitierten, viele funktionierten, manche protestierten - oft unter Inkaufnahme persönlicher Opfer - gegen das System , nicht wenige resignierten oder gingen weg. Und doch: Mit Sachverstand, Beharrlichkeit und manchmal auch Gewitztheit in der alltäglichen Beschäftigung, ob beruflich, in der Gemeinde oder im Ehrenamt, konnten Bürger sich über alle Phasen der DDR hinweg einen Grundbestand demokratischer Ideale bewahren, deren Verwirklichung sie in der historischen Situation 1989 endlich konsequent einforderten.

Beharrungswille contra Mut zur Veränderung

Unter dem Eindruck der sich immer mehr zuspitzenden innenpolitischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten und unter den veränderten außenpolitischen Bedingungen wagten Ende der achtziger Jahre immer mehr Menschen ihren Veränderungswillen in unterschiedlichsten Situationen öffentlich zu machen. Dazu kontrastierend lief das Programm der Staatsmacht ab, die nicht "die Wohnstube vorrichten wollte, nur weil der Nachbar seine neu tapeziert". Dickköpfiger, unbelehrbarer Beharrungswillen gegen Veränderungswillen, Macht der Staatsgewalt gegen Macht der Menge und der Vernunft - dies war die Situation von 1989. Die Dynamik des Jahres 1989 – hin zum Mauerfall vom 9. November 1989 - überraschte dann nicht nur die Führung von SED und DDR, sie überraschte auch die stürmisch anwachsende oppositionelle Bürgerbewegung sowie die internationale Politik.

Niemand hätte im Januar 1989 die Dramaturgie der sogenannten "Wendezeit", die besser als Aufbruchzeit bezeichnet werden sollte, vorhersagen können. Die Verdichtung der Ereignisse wurde bereits von den Zeitgenossen als epochal empfunden. Die Folgen von Friedlicher Revolution, Mauerfall und deutscher Wiedervereinigung betreffen uns bis heute elementar. Insofern ist 1989 ein wirklicher Knotenpunkt, ein Schlüsselereignis deutscher Geschichte.