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zu 1: Wahlorganisation

Bereits im Sommer 1945 etablierten sich in Deutschland, auch in der sowjetischen Besatzungszone, politische Parteien in Anlehnung an die Tradition der Weimarer Parteienlandschaft: die KPD und die SPD als Arbeiterparteien, die christlich-konservative CDU in Nachfolge der Zentrumspartei, schließlich die liberale LDPD [vgl. Mählert 2007, S. 20f.]. Diese Ansätze einer Mehrparteienlandschaft wurden freilich von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) streng kontrolliert. Erster Schritt einer Einbindung aller Parteien war die Gründung des "antifaschistisch-demokratischen Blocks", eines umfassenden Parteienbündnisses, das angesichts der Herausforderungen im Nachkriegsdeutschland zunächst auch allgemeine Zustimmung fand. Während aber die SPD im Zuge der (Zwangs-)Vereinigung mit der KPD zur SED de facto von der politischen Bühne abtrat, durchliefen die bürgerlichen Parteien CDU und LDPD innerhalb des jetzt klar von der SED dominierten "Blocks" die Entwicklung hin zu systemtreuen, "gleichgeschaltete[n]" [Weber 2006, S. 186] Parteien. Dieser Transformationsprozess war bis spätestens 1952 abgeschlossen.

Ein so kontrolliertes Pseudo-Mehrparteiensystem schien der SED-Führung attraktiv: "Vielleicht wäre es nicht schlecht, noch ein paar neue [Parteien] zu gründen", wird Walter Ulbricht für das Frühjahr 1948 zitiert [Leonhard 1955, 482]. Und tatsächlich wurden kurz darauf zwei weitere Parteien "in den Block hinein" gegründet: die Bauernpartei DBD und die nationaldemokratische NDPD. Beide Parteien waren von vornherein vollständig von der SED abhängige Scheinparteien: Von den 19 Gründungsmitgliedern des DBD-Vorstands waren z.B. 15 SED-Kader [vgl. Weber 2006, S. 184]. Aufgabe dieser Blockparteien war es in erster Linie, auch systemferne Gesellschaftsschichten zu erreichen: Indem Christen, national gesinnten Kreisen oder mit Bodenreform und Kollektivierung hadernden Landwirten eigene politische Foren angeboten wurden – die ihrerseits dem Staatsziel verpflichtet waren – hoffte man, die notwendige Unterstützung für das System zu erreichen.

Zum Verständnis der konkreten Wahlorganisation ist auf folgende Besonderheit hinzuweisen: Zur Wahl standen nicht einzelne Parteien oder Kandidaten, sondern eine vollständige Liste aller Mitglieder des zu wählenden Gremiums. Diese Liste war im Vorhinein bereits vom jeweils zuständigen Wahlausschuss erarbeitet worden. Der Wahlakt bestand dann lediglich in der Zustimmung bzw. Ablehnung des Listenvorschlags. Dieses Wahlverfahren per Liste galt für alle Wahlen in der DDR: von den Kommunalwahlen bis zur Volkskammerwahl. Die Volkskammerwahlliste – die sogenannte "Einheitsliste der Nationalen Front" (vgl. Unterthema "Massenorganisationen") – sah dabei für die SED lediglich einen Anteil von Parlamentssitzen von 25,4 Prozent vor, für die Blockparteien immerhin jeweils 10,4 Proeznt. Der Blick auf das vermeintliche "Mehrparteiensystem" in der der DDR entlarvt dabei die Parlamentsminorität der SED schnell als bloßen Schein: Die Blockparteien wurden zu bloßen "Instrumenten der Hegemonialpartei SED" [Weber 2006, 186], eine wirkliche parlamentarische Opposition in der DDR war den Zahlen zum Trotz undenkbar.