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Bildrechte: Volker Queck/MDR

Heuersdorf: Das ausgelöschte Dorf

17. März 2009, 09:40 Uhr

Die Heuersdorfer Geschichte begann vor 700 Jahren und endete 2010. Trotz heftiger Proteste der Einwohner musste das Dorf der Braunkohle weichen.

Unmittelbar hinter seinem Gartenzaun lauert der Bagger, um das Haus herum ist eine Mondlandschaft. "Fast alle Häuser sind verlassen und zum großen Teil bereits abgerissen", berichtet Horst Bruchmann, langjähriger Bürgermeister von Heuersdorf. Von 300 Einwohnern harren noch zehn im Dorf aus. Bruchmann gehört dazu. Der kleine Ort muss der Braunkohle weichen, die im Kraftwerk Lippendorf gebraucht wird. Die Situation ist zwiespältig, die Kohle Segen und Fluch zugleich. Einerseits sichert sie Arbeitsplätze, andererseits verschwinden ganze Dörfer.

Leben mit dem Tagebau

Schon in der DDR lebten die Heuersdorfer am Rand des Tagebaus - mit Dreck, Staub und Lärm. Auch mit dem Damoklesschwert der stets drohenden Abbaggerung. Zweimal schöpften sie Hoffnung, ihr Dorf könnte verschont bleiben. Das erste Mal, als die Sowjetunion begann, Erdöl in die DDR zu liefern. Den zweiten Hoffnungsschimmer brachte der Niedergang der ostdeutschen Braunkohle zur Wende.

Gehofft und gekämpft

Als die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag an der Kohleförderung unter Heuersdorf festhielt, akzeptierten die Heuersdorfer das nicht und zogen sogar vor Gericht. Ihren Kompromissvorschlag, den Tagebau am Ort vorbei zu führen, lehnte die Mibrag aus Kosten- und technischen Gründen ab. Zudem drohte sie mit dem Verlust Tausender Arbeitsplätze, sollten die geschätzten 50 Millionen Tonnen Braunkohle unter dem Ort nicht gefördert und verstromt werden.

"Inzwischen gibt's hier bis auf die paar Bäume in meinem Garten keine Vegetation mehr", erzählt Bruchmann. "Deswegen hat sich auch die verbliebene Tierwelt hier versammelt: Vögel, Fasane, Marder und Ratten. Wo sollen sie auch sonst noch hin?"

Impressionen aus Heuersdorf von 2009

Sommer 2009. Heuersdorf. Ort ohne Namen. Das Dorf ist zum Abriss freigegeben. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Der Tagebau ist bereits in Sichtweite. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Wenn die Baufahrzeuge nicht unterwegs sind, herrscht gespenstige Ruhe. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Busse halten hier schon lange nicht mehr. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Jahrelang kämpfen Einwohner gegen den Abriss ihres Dorfes. Das ehemalige Gemeindehaus ist das Zentrum des Protestes. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Ende des Widerstandes: Weder die Unterstützung eines namhaften Autors hält die Bagger der MIBRAG auf ... Bildrechte: Volker Queck/MDR
... noch eindrucksvolle Plastiken. In Heuersdorf verliert David gegen Goliath. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Während die Emmauskirche im Herbst 2007 verpackt und nach Borna gebracht wird ... Bildrechte: Conrad Weigert
... ist die Taborkirche zum Abriss freigegeben. Im Juni 2010 wird sie schließlich dem Erdboden gleich gemacht. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Der Schein trügt: An manchen Stellen sieht Heuersdorf im Sommer 2009 noch ziemlich intakt aus. Bildrechte: MDR/Volker Queck
Ein Stück weiter, wie hier am Ortsrand, haben die Bagger schon ordentlich abgeräumt. Bildrechte: Volker Queck/MDR
Am Ende bleibt nichts ... Bildrechte: Volker Queck/MDR
Eine Geste für die Bauarbeiter?

(Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "Lexi-TV", am: 26.10.2015 | 15:00 Uhr)
Bildrechte: Volker Queck/MDR

Selbst die Kirche ist schon umgezogen

Der Umzug machte die romanische Emmauskirche Heuersdorfs berühmt. Neun spannende Herbsttage dauerte die Verfrachtung des denkmalgeschützten Bauwerkes. Die auf Tieflader gesetzte fast 1.000 Tonnen schwere Kirche legte rund zwölf Kilometer bis nach Borna zurück. Für die Heuersdorfer war es ein Trauerzug, der auch dem Letzten vor Augen führte, dass der Kampf gegen die Kohle verloren war.

(zuerst veröffentlicht am 13.03.2009)


Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:LexiTV | 26.10.2015 | 15:00 Uhr