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Zu den Frühlings- und Herbstmessen nächtigte die SED-Spitze im Astoria in Leipzig Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Luxus in LeipzigHotel Astoria, das Nobelhotel der DDR-Regierung

12. März 2021, 21:48 Uhr

Das Hotel Astoria am Leipziger Hauptbahnhof war eine Nobelherberge. Politiker, Künstler und Sportler stiegen in dem 1915 eröffneten Haus ab. 1996 wurde das Astoria geschlossen und verfiel. Jetzt wird es saniert. In zwei Jahren soll das traditionsreiche Astoria als Vier-Sterne-Hotel wiederauferstehen.

"Es gibt viele Gespräche, die wir hier geführt, viel Blödsinn, den wir hier gemacht haben. Wir haben hier dem Wein gefrönt und gefeiert und gesungen", erinnert sich der Musiker und Entertainer Wolfgang Lippert an seine Aufenthalte im legendären Hotel Astoria in Leipzig.

Ich habe beinahe alles erlebt in diesem Haus. Deswegen hat es eine so besondere Mystik für mich.

Wolfgang Lippert | Musiker

Bauruine

Vom Glanz der einstigen Nobelherberge ist heute freilich nicht mehr viel zu sehen. Das Haus ist nach über zwanzig Jahren Leerstand verfallen. Sprayer haben sich auf den Mauern verewigt, Obdachlose in den leeren Zimmern gehaust. Doch jetzt wird das traditionsreiche Haus einer gründlichen Sanierung unterzogen.

Das Astoria wäre beinahe eingestürzt

Nach der Schließung 1996 stand das Astoria leer und verfiel. Der Leipziger Denkmalpfleger Dr. Norbert Baron: "Das Problem ist natürlich der Leerstand. Es kam zu Vandalismus, es gab einige Brände im Hotel und die Bauschäden nahmen insgesamt zu, weil die beiden Untergeschosse unter Wasser standen." Das Astoria steht auf sumpfigem Gelände. Wasser dringt ständig in die Keller ein. Das Hotel auf diesem Baugrund zu errichten, war Anfang des 20. Jahrhunderts eine bauliche Meisterleistung gewesen. "Allerdings nur um den Preis, dass die Pumpen von Anfang an immer laufen mussten", berichtet Norbert Baron. "Und die Pumpen sind in den letzten Jahren immer wieder gestohlen worden. Es bestand tatsächlich die Gefahr, dass das Hotel zusammenbricht."

Traditionsreiche Nobelherberge

Es war am 5. Dezember 1915, als sich erstmals die Türen des Astoria für die Gäste öffneten. Das von den damaligen Star-Architekten Lossow und Kühne geplante Gebäude galt als das schönste und teuerste Hotel der Stadt. Wer Rang und Namen hatte, wohnte im Astoria und genoss den exklusiven Luxus. Aber auch die Leipziger selbst nahmen das Astoria sofort in Besitz - am Abend speiste man in den Restaurants des Hauses und immer am Sonntagnachmittag lud das Hotel zum Tanztee.

Dunkles Kapitel

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 begann auch für das Astoria ein dunkles Kapitel. Die Nazis zwangsenteigneten den jüdischen Besitzer Carl Ottokar Cohn. 1943 zerstörte ein Bombenangriff den benachbarten Hauptbahnhof. Auch das Astoria wurde dabei schwer beschädigt. "Das Hotel ist ausgebrannt, wurde nach dem Krieg bis 1952 wiederaufgebaut und in den 1950er-Jahren um einen Flügel erweitert", erklärt der Denkmalschützer Norbert Baron. "Und die Baugeschichte ging dann weiter mit Restaurierungen in den 1960er- und 1970er-Jahren."

Politiker und Prominente

Regelmäßig Gast im Astoria: Wolfgang Lippert Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In diesen beiden Jahrzehnten begann auch die zweite Glanzzeit für das Astoria. Die SED-Politiker Walter Ulbricht und Alexander Schalk-Golodkowski wohnten während der Leipziger Messen hier. Das "Interhotel Astoria" wurde in diesen Tagen zum "Regierungshotel". Aber nicht nur SED-Granden stiegen regelmäßig im Astoria ab, das Hotel zog auch bekannte Künstler und Sportler geradezu magisch an - Louis Armstrong, Johannes Heesters, Enrico Caruso oder Herbert von Karajan waren zu Gast im Astoria. Einer der Prominenten, die damals regelmäßig im Astoria abstiegen, war Wolfgang Lippert. Er moderierte von 1988 an die Unterhaltungsshow "Glück muss man haben", die in Leipzig aufgezeichnet wurde. "Wir waren alle stolz, dass wir in diesem Fünf-Sterne-Haus wohnen konnten und so gut behandelt wurden", sagt Lippert. "Wenn man als Künstler über die Lande fährt, dann erlebt man ja mal so ein Hotel und mal so ein Hotel, aber das Astoria war eine ganz andere Dimension."

Komplizierte Sanierung

Das Bewahren der alten Bausubstanz und die Auflagen des Denkmalschutzes sind die größten Herausforderungen bei der Sanierung des Hotels. Und das kostet viel Geld. Die Wandmalereien der früheren Hotelbar zum Beispiel: Sie müssen ausgebaut werden, weil die Bar jetzt abgerissen wird. Viele andere Kunstwerke des Astoria sind bereits geborgen worden, wie etwa ein Relief aus Meißener Porzellan. Wenn dies geschehen ist, kann es mit dem Abriss der Trakte weitergehen, die aus Sicht der Denkmalschützer nicht erhaltenswert sind. Die Arbeiten sind jedoch ausgesprochen kompliziert, weil die Decken eine nur geringe Traglast haben, muss etwa der Abbruch per Hand und Schubkarre erfolgen. Maschinen wären zu schwer.

Künftig ein Vier-Sterne-Hotel

All die Schwierigkeiten wird man in zwei Jahren, wenn die Sanierung beendet sein wird, vergessen haben. Dann soll das neue Astoria die Leipziger und vor allem Gäste aus aller Welt begeistern. Mit einer hochmodernen Inneneinrichtung und großzügigen Zimmern wird das Astoria als Vier-Sterne-Hotel wiederauferstehen.

Modell des zukünftigen Hotel Astoria Bildrechte: wolff:architekten

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