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Axel Dziersk: "Karate-Kid" der DDR

07. April 2020, 16:07 Uhr

Karate war beim Deutschen Turn- und Sportbund der DDR verpönt. Sportler sollten die olympischen Kampfsportarten trainierten. Und so wurde Judo staatlich gefördert, Karate allenfalls geduldet. Aber wo ein Wille ist, ist ein Weg. Und so schaffte es der Ostberliner Karate-Pionier Axel Dziersk in den 1970er-Jahren, Karate sogar zu seinem Beruf zu machen.

"Auf mich waren insgesamt 44 Spitzel angesetzt" , erzählt Axel Dziersk, der erste Karate-Kämpfer der DDR, der einen Schwarzen Gürtel trug. Offenbar interessierte sich die Staatssicherheit für ihn, weil er eine in der DDR unerwünschte Sportart ausübte - und vielleicht auch, weil er durch diese Leidenschaft Kontakte zu anderen Sportlern im Ausland hatte.

Karate war unerwünscht

Karate ist die Kampfkunst der "leeren Hände". Im Fernen Osten ist sie ein fester Bestandteil der Kultur. In der DDR war Karate dagegen verpönt. Aber in Judo-Sportvereinen wurde dennoch Karate geübt. Und zwar heimlich. Etwa 2.000 Karate-Kämpfer gab es in der DDR, mutmaßt Axel Dziersk. Als Trainer fungierten zum Beispiel Seefahrer, die Karate im Ausland gelernt hatten, oder Fallschirmjäger der NVA, die natürlich Karate konnten. Lehrübungen und Bewegungsabläufe wurden aus Fachbüchern kopiert, die von Hand zu Hand gingen.                 

Dziersks Mutter, die als Retnerin in den Westen reisen durfte, schmuggelte die begehrte Literatur für ihren karatebegeisterten Sohn nach Ostberlin. "Es wurde ja ringsherum Karate betrieben. Alle Nachbarländer – Polen, Tschechien, Westdeutschland – die haben ja alle, sagen wir mal, Karate betrieben. Nur wir nicht." Den Umgang seines Heimatlandes mit dem geliebten Sport bedauert Dziersk bis heute.

Prüfung in der Gartenlaube

Axel Dziersk wurde 1950 in Berlin geboren. Mit Anfang Zwanzig entdeckte er Karate für sich. In einem ausgedienten Pferdestall bei Berlin richtete er sich Mitte der 70er-Jahre seine private Trainingsarena ein, seinen Dojo, wie es in der Karate-Kunst heißt. Hier übte der Autodidakt in jeder freien Minute. Für die Prüfung zum ersten Dan, dem ersten Schwarzgürtel-Grad, lädt er 1981 drei Karatemeister aus West-Berlin zu sich auf das Privatgrundstück ein und legt so erfolgreich die Prüfung ab.

Karate zum Beruf gemacht

Axel Dziersk wollte seinen geliebten Sport keineswegs nur im Verborgenen betreiben. Das Problem löste er elegant: Er machte 1972 Karate einfach zu seinem Beruf: "Ich habe in jungen Jahren begonnen, als Kaskadeur bei Film und Fernsehen zu arbeiten. Und habe vom 'Komitee für Unterhaltungskunst' eine Einstufung als Artist bekommen. Ich war dann halt Artist. Und ich habe immer gesagt, ich brauche das Karate-Training für die Arbeit. Und die Waffen, die Samuraischwerter zum Beispiel, galten als Requisiten."

Mit einer Samurai-Show kreuz und quer durch die Republik

Mit seiner Samurai-Show reiste Axel Dziersk ab 1974 als freiberuflicher Artist kreuz und quer durch die sozialistische Republik. "Mit meiner Samurai-Show bin ich überall aufgetreten, sogar im berühmten japanischen Restaurant 'Waffenschmied', dass der Koch Rolf Anschütz in Suhl betrieb", erinnert sich Dziersk. "Als ich einmal dort auftrat, waren Japaner im Restaurant und die wollten mich gleich buchen für eine Tournee bei sich zu Hause. Aber das ist leider gescheitert, weil ich keinen Reisepass gekriegt habe."

Im DDR-Fernsehen

In den 1980er-Jahren avancierte Karate-Kämpfer Dziersk gar zu einer kleinen Berühmtheit - er trat in Fernsehfilmen auf und sogar in den großen Samstagabend-Shows des DDR-Fernsehens, etwa in "Ein Kessel Buntes". Seine Karate-Darstellungen wurden vom Publikum begeistert aufgenommen.

Erste DDR-Meisterschaft

1989 wurde Karate in der DDR schließlich als offizielle Sportart anerkannt. In Leipzig wurden die ersten und zugleich auch letzten Karate-Meisterschaften der DDR ausgetragen. Sogar das DDR-Fernsehen berichtete über das Ereignis: "3.000 Besucher in der Leipziger Ernst-Grube-Halle bei der ersten Karate-Meisterschaft unseres Landes", jubelte der Sportreporter.

Axel Dziersk ist heute immer noch Karate-Kämpfer. "Ich bin fit wie ein 35-Jähriger", betont er stolz. Ansonsten gibt er als Trainer seine Erfahrungen weiter. Für die jungen Karate-Kämpfer ist er der unangefochtene Meister, der Karate-Pionier.


Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "MDR Zeitreise":TV | 17.07.2018 | 21:15 Uhr