Der Charme des Aufmüpfigen Manfred Krug – der Gaukler

04. Januar 2016, 18:06 Uhr

Manfred Krug bezeichnete sich selbst stets als Gaukler – als einen Menschen also, der ein paar Kunststücke beherrscht, mit denen er sein Publikum unterhält. "Ich bin in allererster Linie ein Unterhaltungsschauspieler." Und als dieser hätte er auch "überhaupt keine Botschaft. Und wenn ich doch eine hätte, würde ich sie lediglich privat äußern."

Das Zeug zum proletarischen Vorzeigekünstler

Dabei schien der 1,90-Meter-Hüne Krug das Zeug zu einem proletarischen Vorzeigekünstler zu haben, wie ihn sich die SED-Propagandisten nicht besser hätten wünschen können. Sein Vater gehörte 1949 zu den "Aktivisten der ersten Stunde" und Krug selbst begann mit 14 Jahren eine Stahlarbeiter-Lehre in Brandenburg. Doch die mörderische Arbeit im Stahl- und Walzwerk machte ihn immun gegen sämtliche ideologische Verheißungen. Krug empfand die Arbeit am Hochofen nur als zermürbend. Er aber wollte arbeiten, um zu leben, und nicht umgekehrt. Und mit der Partei wollte der aufmüpfige junge Mann auch nichts weiter zu tun haben.  

"Disziplinarische Schwierigkeiten"

1954 begann Krug ein Schauspielstudium in Berlin, denn ein Leben als Gaukler erschien ihm durchaus als angenehm. Dass das Studium nach eineinhalb Jahren wegen "disziplinarischer Schwierigkeiten" schon wieder beendet war und Bert Brecht mit dem sich überwiegend nur selbst spielenden jungen Mimen am Berliner Ensemble nichts anzufangen vermochte, konnte den selbstgewissen Krug nicht weiter anfechten. Er wurde freiberuflich und bekam erste kleine Rollen bei Film und Fernsehen. 1960 spielte er dann in Frank Beyers Film "Fünf Patronenhülsen" schon eine Hauptrolle, zwei Jahre später wurde er in dem autobiografischen Lustspiel "Auf der Sonnenseite" berühmt. Krug spielte einen jungen Arbeiter, der versucht, Schauspieler zu werden. Der Film trifft genau das Lebensgefühl einer jungen Generation in der DDR, zeigte sich die Kritik einhellig begeistert.

Der Charme des Aufmüpfigen

Manfred Krug war damals gerade 25 Jahre alt und bereits ein Star. Marlon Brando der DDR, hieß es zuweilen. Das Publikum mochte ihn, weil er den erotischen Charme des Aufmüpfigen verbreitete; die Kulturfunktionäre schätzten hingegen eher den "Proletarier mit Herz". 

1966 musste aber auch Krug erfahren, dass es mit der Gunst der Mächtigen schnell vorbei sein kann: Frank Beyers Film "Spur der Steine", in dem Krug den anarchischen Zimmermanns-Brigadier Hannes Balla spielte, wurde verboten. Krugs Verhältnis zum DDR-Staat bekam dadurch zwar einen Riss, ging aber noch nicht in die Brüche. Zumal das Verbot für den beliebten Schauspieler Krug kaum Auswirkungen hatte. Er drehte einen Film nach dem andern und trat als Märchenkönig, Ganove, Parteifunktionär, Kampfgruppenmitglied oder als erzgebirgischer Anarchist Karl Stülpner auf. Für seine Darstellungen wurde ihm zweimal der Nationalpreis der DDR verliehen und einmal die Verdienstmedaille der DDR. 1972 soll Erich Honecker sogar ausgerufen haben: Wir brauchen viele Krüge!

"Ist sein Typ hier überhaupt gefragt?"

Als Manfred Krug 1977 in den Westen übersiedelte, gab er an, dass ihn keinerlei Existenzängste quälen würden. "Ich halte mich für einen netten und friedfertigen Menschen und denke mir, das wird ja den Menschen hier auch auffallen. Ich habe keine Angst", betonte er damals im SFB in der ihm eigenen Hemdsärmeligkeit. Das Feuilleton hatte jedoch durchaus so seine Befürchtungen. "Ist sein Typ hier überhaupt gefragt?", äußerte sich die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung' besorgt. Und tatsächlich: Große Rollen warteten auf Krug keineswegs. Die Figur des sensiblen Proleten, in der Krug in der DDR oft brilliert hatte, war hier allenfalls ein Nebenfach. Und so hatte der Star aus dem Osten zunächst nur auf dem Arbeitsamt hinreichend zu tun.

Die Niederungen der TV-Serien

Dieter Mann im Porträt 1 min
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Ein Jahr nach seiner Übersiedlung fand Krug jedoch eine Rolle, die genau zu ihm passte: Er schwang sich auf den Bock eines Lasters und gab in der ARD-Vorabendserie "Auf Achse" einen Trucker, der sich mit teutonischer Raubeinigkeit auf den Straßen der Welt Respekt zu verschaffen vermochte. Krug kam beim Publikum an und wurde allmählich auch in seriöseren Produktionen beschäftigt, obwohl er sich auch weiterhin überwiegend in den Niederungen der TV-Serien tummeln musste – in "Ein Heim für Tiere" oder auf dem "Traumschiff" ...

1984 dann der Durchbruch: Krug wurde "Tatort"- Kommissar und erwies sich in dieser Rolle bereits "als idealer Gesamtdeutscher", wie der "SPIEGEL" befand. Ein Jahr später übernahm er die Rolle des ebenso listenreichen wie kauzigen Anwalts Robert Liebling in der ARD-Serie "Liebling Kreuzberg". Sein Freund, der Dichter Jurek Becker, der ebenfalls aus der DDR weggegangen war, hatte sie ihm auf den Leib geschrieben. Krug war endgültig im Westen angekommen. Die große Kinorolle blieb aber auch weiterhin aus.

Abschied von der Schauspielerei

2001 zog sich Manfred Krug aus dem Filmgeschäft zurück. Er wolle nicht als ein tatteriger Greis vor der Kamera stehen, dem ständig der Text entfällt, kalauerte der damals erst 64-jährige Gaukler ohne jeden Anflug von Wehmut. Jetzt wolle er endlich Zeit haben für seine Hobbys – das Singen und das Schreiben.

Über dieses Thema berichtete der MDR in "Brisant" 01.02.2017 | 17.15 Uhr