Kurt Masur - Dirigent und Orchesterchef

20. Dezember 2019, 09:31 Uhr

Kurt Masur, langjähriger Gewandhauskapellmeister, Chefdirigent des Philharmonic Orchestra New York, Musikdirektor des London Philharmonic Orchestra und des französischen Nationalorchesters, lebte ein schier atemberaubendes Leben. Am 19. Dezember 2015 starb Kurt Masur in den USA. Erinnerungen an das Genie am Dirigentenpult.

Kurt Masur kam am 18. Juli 1927 im schlesischen Brieg (Brzeg) zur Welt. Nachdem er zunächst eine Lehre als Elektriker absolviert hatte, zog es ihn im Alter von 15 Jahren an die Landesmusikschule in Breslau. Nach dem Krieg begann Masur 19-jährig in Leipzig Klavier, Komposition und Dirigieren zu studieren. Bereits zwei Jahre später – 1948 - beendete er sein Studium.

Sein berufliches Schaffen begann er als Solorepetitor und Kapellmeister in Halle; bis 1951 war er in der Saalestadt tätig. Danach folgten Engagements als 1. Kapellmeister an den Städtischen Bühnen Erfurt und am Opernhaus Leipzig. Die erste hauptamtliche Stelle als Dirigent hatte Masur zwischen 1955 und 1958 bei der Dresdener Philharmonie inne. In den folgenden zwei Jahren wirkte er als Generalmusikdirektor am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin.

Leipziger Gewandhauskapellmeister von 1967 bis 1972

Aufmerksamkeit erregte Masur, als er 1960 vom Intendanten der Komischen Oper Berlin, Walter Felsenstein, als Chefdirigent verpflichtet wurde. Masur hatte diese Position über vier Jahre inne; nach einer kurzen Phase freischaffender Tätigkeit leitete er von 1967 bis 1972 als Chefdirigent die Dresdener Philharmonie. Kurt Masurs bedeutendste Schaffensphase stellt sein 26-jähriges Wirken als Gewandhauskapellmeister in Leipzig von 1970 bis 1996 dar.

In dieser Position trat Masur die Nachfolge solch berühmter Persönlichkeiten wie Felix Mendelssohn-Bartholdy, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler und Hermann Abendroth an. Er selbst vermochte es, dem Gewandhausorchester einen eigenen Charakter zu geben und schuf einen Klang, der von Musikern und Orchestern in der ganzen Welt als "Gewandhausklang" bezeichnet und häufig zu kopieren versucht wurde. Mit dem Orchester gab er über 900 Tournee-Konzerte.

Streitbarer Geist

Neben seinen herausragenden musikalischen Qualitäten zeichnete sich Masur auch durch politisches Fingerspitzengefühl und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Widerständen aus; während die Staatsführung der DDR das Gewandhausorchester als Prestigeobjekt und Devisenbringer durch die Welt reisen ließ, stand für Masur im Ausland die Vermittlung künstlerischer Leistung im Mittelpunkt. In Leipzig scheute er die Auseinandersetzung mit dem Staatsapparat nicht: So setzte er z.B. 1980/81 gegen zahlreiche Widerstände der Staatsführung den Neubau des Gewandhauses an seinem jetzigen Platz durch, der von der Parteispitze für den Neubau des universitären Auditorium Maximum vorgesehen war.

Der Name Masurs ist schließlich untrennbar mit den Ereignissen der Friedlichen Revolution in Leipzig im Herbst 1989 verbunden: in Zeiten großer Unsicherheit, als fraglich war, mit welchen Mitteln die Staatsführung der DDR auf die zunehmenden Unruhen reagieren würde, gehörte Masur zu den Unterzeichnern eines Aufrufes, in dem zu beiderseitigem Gewaltverzicht zugunsten eines konstruktiven Dialoges aufgefordert wurde. Damit hatte sich der Gewandhausdirigent mit Bedacht kraft seines Amtes und seiner herausragenden Persönlichkeit eindeutig auf die Seite der Bevölkerung gestellt und gleichzeitig auf alle Seiten deeskalierend eingewirkt. Schnell von einer Art Mythos als "Retter von Leipzig" umgeben, war Masur kurz als potentielles Staatsoberhaupt der DDR im Gespräch, er lehnte jedoch die Übernahme eines solchen Amtes ab.

Von Leipzig nach New York

Dass er 1993 auch als möglicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt wurde, mag deutlich machen, welch hohes Ansehen Masur genoss und heute noch genießt. Für seine Verdienste um die Demokratie und das kulturelle Leben in Deutschland erhielt Masur zahlreiche Ehrungen, so zum Beispiel die Ehrenbürgerwürde der Stadt Leipzig, den Titel "Europäer des Jahres 1990" und 1995 das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

1990 nahm Kurt Masur die Position des Musikdirektors des New York Philharmonic Orchestra an. Zum Jahreswechsel 1996/97 wurde er als Gewandhauskapellmeister in Leipzig verabschiedet und zum ersten "Ehrendirigenten" in der über 250-jährigen Geschichte des Orchesters ernannt.

In New York, wo Kurt Masur von 1991 bis 2002 als Chefdirigent des Philharmonic Orchestra wirkte, erreichte er nach kurzer Zeit eine maßgebliche Steigerung der Individualität und Qualität des Orchesters und machte es wieder zu einem der "Big Five" in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2000 wurde er Musikdirektor des London Philharmonic Orchestra. 2002 übernahm Kurt Masur außerdem die musikalische Leitung des Orchestre National de France in Paris.

In vielen Städten geehrt und ausgezeichnet

1991 gründete er in Leipzig die Internationale Mendelssohn-Stiftung, welche die letzte Wohn- und Wirkungsstätte Felix Mendelssohn Bartholdys in Leipzig vor dem Verfall rettete. 1994 wurde er Vorstandsmitglied der Deutschen Nationalstiftung. Masur war Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste sowie der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg. Er erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen - in der DDR, der Bundesrepublik, in Frankreich, Israel, Polen und den USA. Ende 1989 wurde Masur als erster nach der Wende Ehrenbürger der Stadt Leipzig. Auch Masurs Geburtstadt Brzeg (Brieg) im polnischen Śląsk (Schlesien) verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde.

Geschichte

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2007 wurde er zum 80. Geburtstag mit dem erstmals verliehenen Leipziger Mendelssohn-Preis geehrt - für sein Lebenswerk und seinen Einsatz für den Bau des Gewandhauses zu Leipzig im Jahr 1981 sowie sein Engagement bei den Montagsdemonstrationen im Jahr des Mauerfalls 1989. Am 19. Dezember 2015 starb Masur in den USA.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Zum Tod von Kurt Masur - Ein Leben für die Musik | 19:12.2015 | 18:00 Uhr

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