Michael Jackson, Konzert auf dem Platz der Republik Berlin, 1988.
Michael Jackson 1988 beim Konzert am Reichstag in Westberlin. Bildrechte: IMAGO / BRIGANI-ART

Konzert in West-Berlin Michael Jackson und die Stasi

10. November 2020, 15:30 Uhr

Am 19. Juni 1988 gab Popstar Michael Jackson sein erstes Konzert in West-Berlin. Das wollten sich die Fans im Osten natürlich nicht entgehen lassen. Die Stasi war in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Denn beim Berliner Rock-Marathon ein Jahr zuvor war die Lage eskaliert.

Während in West-Berlin die ersten Konzertbesucher kollabierten, noch bevor Michael Jackson bei seinem ersten Konzert in Berlin am 19. Juni 1988 überhaupt die Bühne betrat, versammelten sich auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs mehrere Tausend Jugendliche, die hofften, den King of Pop über die Mauer hinweg zu hören. Unter sie hatten sich auch zahlreiche zivil gekleidete Mitarbeiter der Staatssicherheit gemischt, die verhindern sollten, dass die Lage ähnlich eskaliert wie beim Berliner Rock-Marathon im Jahr zuvor. Dabei war es zu einem Debakel für die DDR-Führung gekommen: Im Westfernsehen wurden Bilder von Jugendlichen gezeigt, die bedrängt von der eigenen Staatsgewalt "Die Mauer muss weg" und "Wir wollen Gorbatschow" riefen.

Gewaltbereite Jackson-Fans?

Die Stasi hatte sich dementsprechend intensiv auf den Abend vorbereitet, an dem einer der größten Popstars der Welt vor ihrer Haustür spielen sollte. In Jacksons Kartei hielt das MfS nur allgemeine Informationen über den Popsänger fest – Name, Geburtsdatum, Vertriebsfirma seines Albums "Thriller" in der DDR – befasste sich dafür aber umso eingehender mit seinem bevorstehenden Konzert am 19. Juni. So hieß es, dass "Jugendliche unter allen Umständen versuchen werden, dieses Konzert vom Bereich Brandenburger Tor aus zu erleben" und dass sie dabei auch eine Konfrontation mit der Volkspolizei einkalkulierten.

Brutale Übergriffe auf West-Journalisten

Ursprünglich hatte man geplant, Jacksons Konzert in einem Ostberliner Stadion zu übertragen – allerdings zeitversetzt, so dass man im Falle "politischer Provokationen" ein Videoband hätte spielen können. Dieser Plan wurde jedoch verworfen. Stattdessen bemühte sich die DDR-Staatsgewalt am Konzertabend nach Kräften, die Arbeit von West-Korrespondenten zu behindern, auch mit Gewalt. Der Fotograf und spätere Übersiedler Dietmar Riemann hielt die Ereignisse in seinem Tagebuch fest: "Es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen. Polizei und Stasi griffen ARD- und ZDF-Kamerateams an. Offenbar wollte man jegliche westliche Berichterstattung unterbinden. Die Staatssicherheitsleute zerschlugen eine Fernsehkamera und hieben auf die westlichen Journalisten mit Elektrostöcken ein. Nur noch fluchtartig konnten die westlichen Berichterstatter unter dem Schutz von DDR-Jugendlichen ihre in der Nähe gelegenen Büroräume erreichen." Die Bundesregierung beschwerte sich in den Folgetagen offiziell über die Vorfälle.

Ablenken mit Bryan Adams

Die Auseinandersetzungen beim Konzert von Michael Jackson erreichten dennoch nicht die Größenordnung von 1987. Das lag jedoch weniger an dem Vorgehen von Stasi und Volkspolizei, sondern daran, dass die FDJ im Rahmen der Friedenswoche ihr eigenes Großkonzert mit 120.000 Besuchern in Weißensee veranstaltete. Dort lockte am Tag des Jackson-Auftrittes unter anderem Bryan Adams viele Jugendliche an, die deshalb gar nicht erst versuchten, etwas vom "King of Pop" am Reichstag mitzubekommen. Anders als im Vorjahr wurden dann auch nicht Hunderte Jugendliche festgenommen, sondern rund 30. So zumindest lautete die Schätzung aus dem entsprechenden Bericht in Michael Jacksons Stasi-Kartei.

Der falsche Michael Jackson

Diese enthält auch ein Foto des Megastars, das in Wahrheit aber gar nicht ihn, sondern einen Doppelgänger zeigt. Am Tag vor dem Konzert war das Double im Auftrag des Fernsehsenders "Sat 1" durch die Stadt gezogen, nachdem es der echte Jackson vorzog, in seinem Hotel zu bleiben. Als der vermeintliche Popstar mit seiner Entourage am Checkpoint Charlie ankam und von der Aussichtsplattform einen Blick auf die andere Mauerseite warf, schoss die Stasi das Bild und machte sich genaue Notizen. Demnach seien um 14:52 Uhr mehrere Unbekannte aus drei Fahrzeugen entstiegen. "Unter den Personen befand sich der USA-Rocksänger Michael Jackson. In seiner Begleitung war ständig eine weibliche Person, ca. 25 Jahre, 165cm groß, schlanke Gestalt." Wer die Dame war, bleibt jedoch ungeklärt.

Ernüchterung nach dem Konzert

Das Konzert selbst wurde am Tag danach auf beiden Seiten eher verhalten aufgenommen. Im Westen störten sich viele an der Bühnenperformance, die sich allzu genau an die bereits aus Jacksons Musikvideos bekannten Choreographien hielt, im Osten konnte man laut Augenzeugen kaum etwas von der Musik hören.

Ein Bild geht um die Welt

Dennoch sollte der "King of Pop" noch zwei weitere Male, 1992 und 1997, auf Berliner Konzertbühnen stehen. In das kollektive Gedächtnis hat sich aber vor allem ein unrühmlicherer Auftritt eingegraben: 2002 hielt Jackson seinen erst neun Monate alten Sohn Prince Michael II. mit einem Arm über die Balkonbrüstung seines Hotelzimmers im Adlon, um ihn der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Kalter Krieg der Konzerte - Wie der Boss den Osten rockte | 09.11.2013 | 22:00 Uhr