#blickzurück: Kalenderblatt der Geschichte Das geschah am 22. August

22. August 2022, 05:00 Uhr

1864: Erste Genfer Konvention unterzeichnet

Am 22. August 1864 wird die erste Genfer Konvention "zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten der Armeen im Feld" verabschiedet. Delegierte aus 16 Ländern unterzeichnen dieses Abkommen. Darin wird festgelegt, dass Lazarette, Sanitätspersonal und Ambulanzen neutral sind und nicht angegriffen werden dürfen. Man einigt sich darauf, diese Einrichtungen mit einem roten Kreuz auf weißem Grund zu kennzeichnen. Initiator dieser ersten Genfer Konvention ist der Geschäftsmann Henry Dunant, unter dessen Führung sich ein Jahr zuvor das "Internationale Komitee zur Verwundetenhilfe" gegründet hatte – die Vorgänger-Organisation des "Roten Kreuzes". Nach dem Zweiten Weltkrieg werden vier weitere Abkommen unterzeichnet, in denen die Behandlung von Kriegsgefangenen und Zivilpersonen geregelt sind. Heute haben 190 Staaten die Genfer Konventionen unterzeichnet.

1902: Leni Riefenstahl geboren

Am 22. August 1902 wird Leni Riefenstahl – eigentlich Helene Bertha Amalie Riefenstahl – in Berlin geboren. Aufgrund ihrer Nähe zum NS-Regime gilt sie heute als eine der umstrittensten Personen der Filmgeschichte. 1931 gründet sie ihre eigene Produktionsfirma, ihr Debüt als Regisseurin gibt sie 1932 in dem Bergfilm "Das blaue Licht". Während einer Film-Tournee lernt sie Adolf Hitler kennen und avanciert bald zu seiner "Lieblingsregisseurin". Ihrer Nähe zu Hitler hat sie es zu verdanken, dass sie den Auftrag erhält, einen Film über den Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP zu drehen – "Triumph des Willens" bringt ihr mehrere internationale Preise ein und gilt heute als einer der wirkungsvollsten Propagandafilme überhaupt. 1936 folgt ein weiteres Großprojekt, im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees: ein zweiteiliger Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Riefenstahl bei der Entnazifizierung als Mitläuferin eingestuft und entgeht so dem Berufsverbot. Da sie als Regisseurin jedoch umstritten ist, wendet sie sich ab diesem Zeitpunkt der Fotografie zu. Bis zu ihrem Tod ringt sie in den Medien um Anerkennung und die eigene Rehabilitierung. Am 8. September 2003 stirbt Leni Riefenstahl zwei Wochen nach ihrem 101. Geburtstag in Pöcking bei München.  

1950: Technisches Hilfswerk gegründet

1950 beschließt Bundesinnenminister Gustav Heinemann zusammen mit dem Leipziger Pionieroffizier Otto Lummitzsch die Einrichtung einer neuen Organisation für den Zivil- und Katastrophenschutz. Der 22. August 1950 gilt seitdem als Gründungsdatum des Technischen Hilfswerks (THW). Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es in der neu gegründeten Bundesrepublik keinen derartigen zivilen Ordnungsdienst. Seit 1953 ist das THW eine Bundesanstalt. Bis heute beruht die Organisation auf der Arbeit von haupt- und ehrenamtlichen Helfenden, auch "Blaue Engel" genannt. Sie leisten im Notfall technische Hilfe und führen Evakuierungen und Aufräummaßnahmen durch. So beteiligten sich Einsatzkräfte des THW an den Aufbauarbeiten nach der Jahrhundertflut 2002 oder dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009. Das THW hilft auch im Katastrophenfall im Ausland. Laut Eigenangaben der Organisation zählt diese im Jahr 2022 mehr als 85.000 haupt- und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.

Junge Mitarbeiter das THW 1 min
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1976: Oskar Brüsewitz erliegt seinen Verbrennungen und stirbt

Am 22. August 1976 stirbt der evangelische Pfarrer Oskar Brüsewitz, nachdem er sich vier Tage zuvor mit Benzin übergossen und vor der Michaeliskirche in Zeitz angezündet hatte. Mit seiner Selbstverbrennung will Brüsewitz ein Zeichen gegen die atheistische Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie den staatlichen Einfluss auf die Kirchen in der DDR setzen. Auf zwei Banner schreibt er zuvor:

Funkspruch an alle: Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen.

Oskar Brüsewitz Aufschrift auf seinen Plakaten am Tag seiner Selbstverbrennung

Nach seiner Tat wird Brüsewitz schwer verletzt ins Krankenhaus Halle-Dölau eingeliefert. Dort wird er rund um die Uhr von der Staatssicherheit überwacht. Seine Familie darf ihn bis zu seinem Tod nicht besuchen. Am 26. August wird Brüsewitz in seiner Heimatgemeinde Rippicha in Sachsen beigesetzt - knapp 400 Menschen erschienen zu seiner unangekündigten Beerdigung. Obwohl die SED den Fall totschweigen und Brüsewitz als Psychopathen brandmarken wollte, hatte sein Tod einen nachhaltigen Einfluss auf die Kirchen und auf spätere oppositionelle Bewegungen in der DDR.

1989: Deutsche Botschaft in Prag schließt

Am 22. August 1989 muss die bundesdeutsche Botschaft in Prag wegen Überfüllung schließen. Zu diesem Zeitpunkt halten sich 140 DDR-Bürgerinnen und -Bürger in der Botschaft auf und hoffen auf eine Ausreisegenehmigung in den Westen. Bereits Mitte der 1980er-Jahre kommt es zu einer regelrechten Ausreisewelle – zahlreiche Menschen aus der DDR suchen Zuflucht in den Botschaften der Länder des Ostblocks, insbesondere Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei. Manche von ihnen werden von der Bundesrepublik freigekauft. Am 10. September öffnen die offiziellen Grenzübergänge zwischen Ungarn und Österreich. Da sich die Lage zuspitzt und immer mehr Menschen in den Botschaften ankommen, fordert die BRD-Regierung eine schnelle Lösung von der DDR-Führung. Diese besteht zunächst auf die Rückkehr der Geflüchteten, doch stimmt schließlich einem Kompromiss zu – Sonderzüge sollen die Ausreisenden über die DDR in die BRD bringen. Als Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989 auf dem Balkon der Prager Botschaft die Bewilligung der Ausreise verkündet, befinden sich rund 4.000 Menschen auf dem Gelände.

1992: Beginn rechtsextremer Angriffe auf Asylheim in Rostock-Lichtenhagen

Am Abend des 22. August wird die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZASt) im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen attackiert. Es ist der Beginn der gewaltvollsten rassistischen Übergriffe in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Vier Tage lang greifen über 1.000 Rechtsextreme die Unterkunft an, werfen Steine, zünden Brandsätze. Hunderte Anwohnende jubeln ihnen dabei zu. Die Polizei ist ohnmächtig und handlungsunfähig, erst am dritten Tag werden Menschen aus der Aufnahmestelle in Sicherheit gebracht. Als sich die Brutalität der Angriffe an diesem Abend steigert, zieht sich die Polizei zurück. Die Menschen, die sich noch im Gebäude befinden, sind auf sich allein gestellt. Als in der Nacht ein zehngeschossiges Haus angezündet wird, müssen sie aus eigener Kraft über das Dach fliehen. Erst am 26. August enden die Angriffe. Neun Monate nach den Ereignissen - im Juni 1993 - wird das Grundgesetz geändert und das Recht auf Asyl stark eingeschränkt. Von 400 festgenommenen Personen werden 40 verurteilt.

Die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen in der Mecklenburger Allee zwischen dem 22. und 26. August 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber ZAst und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen waren die massivsten rassistisch motivierten Angriffe in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges. 8 min
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