Deutsches Chemiemuseum Merseburg

20. September 2021, 17:19 Uhr

Was wirkt wie eine Liebhabersammlung eines Chemiebegeisterten ist Gedenkstätte von weitreichender geschichtlicher Relevanz. Seit etwa 150 Jahren prägt die chemische Industrie Deutschland - und ihre Produkte kommen im Alltag, aber auch im Krieg zum Einsatz.

Auf dem Gelände des Freilichtmuseums befindet sich seit 1993 eine Sammlung ausgefallener Anlagen und Apparate der chemischen Industrie des 20. Jahrhunderts. Turbinen, Ammoniak-Kompressor, Filterpressen, verschiedenste Pumpen, Kautschukmühlen, Abdampffackel, Kohlewagen, Stickstoffkühler ... Eine gewaltige Sammlung aus der Geschichte der Chemie und der Technik, darunter zum Teil einzigartige, historische Stücke.

Vom Acker zum Industriegiganten

Nur wenige Kilometer vom Museum entfernt ist das riesige Chemiewerk Leuna. Es wurde unter der Leitung von Carl Bosch 1916 in nur neun Monaten aus dem Boden gestampft. Ein industrieller Koloss, der die damaligen Lebensverhältnisse bedeutend veränderte. Der ursprünglich landwirtschaftliche Raum wurde zum Industriestandort, der tausende von Mitarbeitern beschäftigte. Viele der Geräte und Maschinen im Freilichtmuseum Merseburg stammen vom Chemiestandort Leuna und als Besucher bewegt man sich hier direkt auf den Spuren von Fritz Haber und Carl Bosch.

Ammoniak - im Einsatz an der Front und auf dem Acker

Während des ersten Weltkrieges wurde Ammoniak zu Sprengstoff verarbeitet, ein Stoff, der unter dem Namen "Franzosentod" an die Fronten geschickt wurde. Nach dem Krieg wurde Ammoniak in einem ganz anderen Bereich verwendet - im weitesten Sinne für die Lebensmittelproduktion: Es wurde zu künstlichem Düngemittel verarbeitet. Ein Meilenstein zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erträge und somit der Nahrungsmittelversorgung weltweit.

Maulwurfpumpe, Diaphragmazelle und Co.

Das Museum in Merseburg erzählt unter anderem die Geschichte der Ammoniaksynthese anhand vieler, kleiner und gewaltiggroßer, seltsam-anmutender Maschinen. Insgesamt beherbergt die Einrichtung nach eigenen Angaben etwa 5.000 Objekte: Schmierölmischer, Maulwurfpumpe oder PVC-Trockner - Unfang und Größe der ausgestellten Geräte sind zwar beeindruckend. Allerdings schreien die Erklärtafeln regelrecht nach einer Übersetzung für den Laien. Das wissen auch die Museumsmacher, die auf ihrer Homepage schreiben:

Der bestehende Technikpark ist einstweilen noch ein Eldorado für Spezialisten.

Daher ist eine Führung ratsam, oder ein Begleiter mit umfangreichen Chemie-oder Technikkenntnissen. Wer sich für eine Führung anmeldet, wird von einer ehemaligen Arbeiterin der Leuna-Werke herumgeführt. Dann werden die geschichtlichen Zusammenhänge deutlich und auch die Nutzen der technischen Kolosse verständlich. Langfristig will das Museum weg vom Technikpark für Maschinenfreunde. Dann sollen anhand von Chemieprodukten, die jeder kennt - zum Beispiel aus Bad und Küche, Auto oder Computer, in Bekleidung, Medizin, Nahrung - erzählt werden, wie in Chemie-Werken die Dinge für unseren Alltag entstanden und entstehen.

Was ist das Haber-Bosch-Verfahren? Das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von Ammoniak ist nach den beiden deutschen Nobelpreisträgern Carl Bosch und Fritz Haber benannt. Ammoniak wird für die Herstellung von Sprengstoff und Düngemittel gebraucht. Die Original-Pumpe von 1917 für die Synthese ist ebenfalls im Museum zu sehen.