Nachtaufnahmen Goldener Reiter - Reiterstandbild von August dem Starken mit Mond dahinter
Dieses Reiterstandbild des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken wird als "Goldener Reiter" bezeichnet. Es steht auf dem Neustädter Markt in Dresden zwischen der Augustusbrücke und der Hauptstraße. Der Goldene Reiter gilt als das bekannteste Denkmal Dresdens und gehört zu den bedeutendsten Skulpturen des Dresdner Barock. Bildrechte: imago images / ddbd

Sachsens berühmtester Herrscher: Wie stark war August der Starke?

Ausschweifende Feste, Mätressen, Berge von Geld für den Hof, Neigung zu Architektur und Kunst: So blieb Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen der Nachwelt in Erinnerung. Mit körperlicher Kraft protzte der Monarch gern, und - nicht zu Unrecht - mit seiner Fruchtbarkeit.

Friedrich August war stark, dabei allerdings auch ziemlich fett: Immerhin brachte der lebenslustige Mann bei einer Körpergröße von 1,76 Metern zeitweise rund 120 Kilo auf die Waage. Was ihn nicht hinderte, einen Thronfolger und mindestens fünf illegitime Nachkommen zu zeugen. Die häufig genannte Zahl 365 ist - obwohl bezeichnend - Legende.

Es war Barock!

Sachsens Herrscher, der Völlerei zugeneigt und sinnenfroh, stellte unter den Mächtigen des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts keinen Sonderfall dar. Denn: Es war Barock! Wie ein Reflex auf Kargheit und Elend des noch frisch im Gedächtnis lebendigen Dreißigjährigen Krieges wirkt dieser üppige Stil, erfasst Bauten und Mode, Wirtschaft, Sexualität, Ernährungsgewohnheiten und Denken. Monarchen sind damals das, was sie sind, durch Gottes Gnade und müssen ihr Amt nicht durch Leistung rechtfertigen. Pracht entfalten und Titel sammeln hingegen müssen sie, weil sich danach ihr Platz in Europas Rangordnung bemisst. Ein anderes, überlegenes Prinzip - der Fürst als bescheidener erster Diener des Staates - dämmert nur langsam von Norden, von Brandenburg-Preußen, herauf.

Der Zweitgeborene

Friedrich August wird als zweitältester Sohn am 12. Mai 1670 in Dresden geboren. Vom Vater, Johann Georg III. von Sachsen, der 1691 stirbt, erbt er die Leidenschaft für Hofdamen. 1694 stirbt auch Friedrich Augusts älterer Bruder. Der Zweitgeborene ist nun Kurfürst und nimmt, ohne viel Erfolg, an den Türkenkriegen teil. Innenpolitisch hat der neue Kurfürst die damals üblichen Probleme: Der alteingesessene Adel beansprucht Mitspracherecht, was Steuern und Abgaben betrifft. Friedrich August drängt den Einfluss des Adels zurück und versucht, im Geist des Absolutismus zu regieren. Ganz gelingt ihm das nie. Alles dreht sich ums Geld. Davon braucht der Dresdner Hof jede Menge. 1697 steht nämlich der polnische Königsthron zum Verkauf. Polen ist ein Wahlkönigtum. Wähler sind die Mitglieder des Sejm, des polnischen Parlaments. Unsummen fließen. Friedrich August soll während des polnischen Abenteuers rund 39 Millionen Reichstaler allein an Bestechungsgeldern ausgegeben haben.

Ströme von Geld und Alkohol

Ganze Landstriche Kursachsens veräußert der Herrscher, nimmt Kredite auf, erhöht Steuern. Hilfreich ist der Hoffaktoren, der sogenannte Hofjude Lehmann, welchen Friedrich August 1696 aus Hannover holt. Lehmann, gut vernetzt - sogar weit östlich der Oder, verschafft Friedrich August die polnische Krone, gegen fast zwei Dutzend konkurrierende Bewerber. Den Sejm, berichten Augenzeugen, habe er unter Ströme von Geld und Alkohol gesetzt. Friedrich August, begierig auf den Titel, konvertiert zum Katholizismus, da ein König von Polen eben nur katholisch sein kann. Die mehrheitlich protestantischen Sachsen haben zu zahlen.

"Made in Sachsen"

Doch der Kurfürst - ab 1697 als August II. polnischer König - sieht ein, dass man bloß gesunde Kühe melken kann. Und Polen bleibt ein Zuschussgeschäft. Also saniert August die sächsischen Staatsfinanzen. "Merkantilismus" heißt das Zauberwort: Staatlich geförderte Exporte sollen Einkünfte bringen, um jeden Preis. August ruft Manufakturen ins Leben, protegiert die Leipziger Messe; Tschirnhaus und Böttger erfinden zum zweiten Mal (nach den Chinesen) das Porzellan, was 1710 zum Entstehen der Meißner Porzellanmanufaktur führt. Findige Kaufleute handeln edle Tuche, Farben, Gewehre, Spiegel, Tapeten "made in Sachsen" nun jenseits der Grenzen. Der König und Kurfürst höchstselbst ist Unternehmer: Sein Lieblingsmetier sind sogenannte Fayencen. Fayence ist die von der italienischen Stadt Faenza abgeleitete französische Bezeichnung für einen Teilbereich kunsthandwerklich hergestellter Keramik.

Immer der selbe Vorgang

Obwohl viel beschäftigt, hat August für die Damenwelt stets Zeit: Zehn "anerkannte" Mätressen zählen Chronisten zwischen 1694 und 1722. Exotische sind darunter, wie Fatima, aus türkischen Beutebeständen, und bekanntere, wie Anna von Brockdorf, die spätere Gräfin von Cosel. Der Vorgang ist immer der selbe: ins Bett gezogen, mit Einfluss versehen, dann abgeschoben. Fatima kriegt der Kammerdiener Spiegel; der Gräfin von Cosel ergeht es schlechter: Sie vegetiert als "Hausgefangene" über Jahrzehnte auf der Burg Stolpen. Verheiratet war der Herrscher außerdem. Trotz polnischer Wirren und kostspieliger militärischer Konflikte mit Schweden, lässt August sein Dresden in neuem Glanz erstrahlen: Renommieren, vor allem mit Schlössern und Kunstkabinetten, gehört zum Handwerk barocker Monarchen. Insgesamt, fanden Historiker heraus, habe Augusts Politik Sachsen eher geschwächt als gestärkt. Das allerdings ist relativ und muss vor dem Hintergrund der Epoche gesehen werden: Im Barock, wo Prachtentfaltung und Kraft unbestritten ein und dasselbe waren, war August tatsächlich "August der Starke". Seine Niederlage im Nordischen Krieg und dass er Russlands Einfluss in Polen fördern half, trat dahinter zurück. Rauschende Feste, oft tagelang und mit Zehntausenden Komparsen, galten schon eher als "hohe Politik".

Asketisch, sparsam, streng

Typisch für August war das "Zeithainer Lustlager" im Sommer 1730, bei dem 30.000 Paradesoldaten die Kulisse gaben: Kombiniert mit Theater und Feuerwerk stellte die Festivität noch einmal Sachsens Lebenskraft zur Schau - und die Lebenskraft seines Monarchen. Unter den geladenen Gästen jedoch taucht ein fast unheimlicher Herrscher auf, ganz anders als August, asketisch, sparsam, streng gegen sich selbst: Preußens "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. Auch der preußische Kronprinz Friedrich gehört zu den Zuschauern des Spektakels.

Diener des Staates

Kurfürst Friedrich August I., als August II. König von Polen, stirbt am 1. Februar 1733 in Warschau an Diabetes. Sein legitimer Nachfolger, Friedrich August II., wird sich als schwächerer Regent erweisen, ganz im Sinne seiner Zeit. Während des Siebenjährigen Kriegs (1756 bis 1763) verblasst Sachsens Glanz vor Preußens Gloria. Das Barock tritt in sein Endstadium ein. Von nun an müssen Fürsten Diener des Staates sein - oder wenigstens so tun. Stärke wird fortan anders definiert: effiziente Verwaltung, schlagkräftige Armeen, gefüllte Kassen; Protzerei verliert ihren Stellenwert. Mit dem Tod des Nachfolgers 1763 geht den sächsischen Kurfürsten auch die teuer eingekaufte polnische Krone verloren. Erst ein halbes Menschenalter später residiert im Dresdner Schloss wieder ein König: Dessen Rang aber kommt nicht von Gott, er ist bloß ernannt vom Kaiser Napoleon. Sachsens Rolle auf der europäischen Bühne ist ausgespielt.

Wie stark war August wirklich? Im Februar 1711, vierzig Jahre alt, soll August ein Hufeisen mit bloßen Händen zerbrochen haben. Beflissene Diener fertigten von der Tat eine Urkunde an. Hufeisen und Zertifikat ließ August in der Kunstkammer aufbewahren. Das Volk jubelte dem "sächsischen Herkules" pflichtgemäß zu. Was steckte dahinter?

Kennzeichnend für August war die Sucht, im Mittelpunkt zu stehen. Dieses selbst von Zeitgenossen als auffällig vermerkte Verhalten hatte seine Wurzel in Friedrich Augusts Jugend. Vernünftigerweise durfte Friedrich August als zweitältester Sohn nie damit rechnen, mit 24 Jahren auf den Thron zu gelangen, wie es tatsächlich geschah. Der junge Mann fühlte sich zurückgesetzt und kompensierte; die Mittel waren Schauspielerei, Tafelgenüsse - und Frauen.

Bei fortschreitendem Alter trat der Charakterzug immer deutlicher zu Tage: Eitel verleugnete der Monarch Krankheit und Schwäche. Seine ungesunden Ess- und Trinksitten änderte August schon deshalb nicht, weil so etwas eine Konzession an das Alter gewesen wäre. Übergewicht, Diabetes, Geschwüre an den Füßen und andere Beschwerden plagten ihn immer schlimmer.

Bluthochdruck und akute Störungen des Fettstoffwechsels gaben August den Rest. Der eitle Herrscher erlag am 1. Februar 1733 um vier Uhr morgens einem Schwächeanfall mit Herzversagen. Er wurde 62 Jahre alt.

Barock Vor allem als Baustil ist das Barock bekannt. Der Historiker Michael Salewski schreibt dazu: "Das in dreißig Kriegsjahren zerstörte Mitteleuropa wurde mit einem dichten Netz von Höfen und Residenzen überzogen, die den einzelnen Staaten eine ganz eigentümliche Struktur verliehen."

Doch das Barock - etwa zwischen 1550 und 1770 - war ebenso ein Stil der Malerei, des Dichtens, Denkens und Lebens: Die Malerei bewegt sich zwischen dem Göttlichen und dem Alltäglichen. Die Dichtkunst thematisiert Lebenslust und Todesbangen in schwülstigem Stil. An den protzigen Höfen tragen Denker der Aufklärung vor. Überall ist der spätere Umbruch schon vorzuahnen.

Zu jener Zeit versucht der Adel an seiner Vormachtstellung festzuhalten, und das Bürgertum erstarkt. Nicht zuletzt auch durch die Errungenschaften der Renaissance, darunter der Buchdruck, wird der Zugang zu umfassender Bildung erleichtert. Aber viele Dichter und Philosophen leben noch von der Gunst der Höfe.

In der Malerei ist es ähnlich: Peter Paul Rubens (1577 bis 1640), für die Darstellung üppiger Rundungen und ausufernder Mahle bekannt, wird gefördert von Klerus und Adel. Rembrandt (1606 bis 1669) wiederum widmet sich den Märkten und den Straßen und sucht Käufer im Bürgertum. Die Lebensstile der Klassen unterscheiden sich stark und dies findet seinen Ausdruck in der Kunst.

In der Zeit zwischen 1550 und 1770 prallen große Ideale auf eine in sich widersprüchliche Welt. Das Barock ist Bindeglied zwischen den humanistischen Erkenntnissen der Renaissance und den großen Revolutionen um das Ende des 18. Jahrhunderts.

Krone und Talmud Berend Lehmann (1661 bis 1730) war ein jüdischer Kaufmann aus Hannover. Seine mannigfaltigen Beziehungen nach Osteuropa stießen bei Friedrich August I. auf Interesse. Im Zuge der Bewerbung des Kurfürsten um die polnische Krone wurde Lehmann 1696 Berater am Dresdner Hof.

Lehmann machte sich schnell unentbehrlich. Etliche Höflinge waren erstaunt über das Vertrauen, das der "Hoffaktor", so die offizielle Bezeichnung, genoss. Im "Alleinauftrag" sanierte Lehmann den Haushalt. Dass "eine so wichtige Sache keinem geschickteren und geachteteren Mann als dem Monsieur Lehmann anvertraut wird", monierte die Gräfin von Königsmarck, eine ehemalige Mätresse des jungen Kurfürsten. In puncto Geschick hatte die Dame Unrecht.

Denn der Plan des Kurfürsten ging auf: Verkäufe und Verpfändungen brachten dem Hof und auch dem Hoffaktor viel Geld. 1697 kaufte sich Friedrich August I. die polnische Krone, sein sogenannter Hofjude, der Hoffaktor Lehmann, regelte alle Einzelheiten. Berend Lehmann bekam zehn Millionen Taler. Von nun an wurde Lehmann auch offiziell diplomatisch aktiv.

Den neu erworbenen Reichtum nutzte der einflussreiche Finanzmann, um in Halberstadt eine Synagoge und eine Bildungsstätte, die Klaus, bauen zu lassen. Heute befindet sich in dem traditionsreichen Gebäude die "Moses-Mendelssohn-Akademie". Auch in Dresden erstarkte die jüdische Gemeinde dank Lehmanns Reputation.

Der Hoffaktor Augusts des Starken förderte den Druck des Talmud und wurde seiner Rolle als Lobbyist des Judentums am absolutistischen Hof gerecht. 1730 verstarb Berend Lehmann. Für sein kommunikatives und finanzielles Geschick wurde er geschätzt und gehasst. Das "Berend-Lehmann-Museum" in Halberstadt schildert sein Wirken.

Der Artikel wurde erstmals am 10.02.2011 veröffentlicht.