Die 01 1516 im Hauptbahnhof, heute Ostbahnhof.
Bildrechte: imago/Marius Schwarz

Zugunglück 1977: Kesselexplosion in Bitterfeld

29. November 2017, 13:58 Uhr

Vor 40 Jahren explodiert der Kessel einer Dampflokomotive bei der Einfahrt in den Bahnhof Bitterfeld. Der D-Zug 567 ist auf dem Weg von Berlin-Schöneweide nach Leipzig und tragischer Weise mit zu wenig Wasser unterwegs.

Bitterfeld, 27. November 1977: Es ist ein riesiger Knall. Als das Wasser explosionsartig verdampft, schießt der Dampflok-Kessel wie eine Rakete in den Himmel, kippt um 180 Grad, reißt sich vom Gestell los und rast horizontal nach vorne. Der Kessel landet etwa 40 Meter von der Lok entfernt. Die Hitze der Explosion und die Wucht des Aufpralls zerreißen den gehärteten Stahl. Selbst ein einfahrender Personenzug auf dem Nachbargleis gerät in Brand, weil er von der Glut getroffen wird.

Fünf Menschen werden unmittelbar durch die Explosion getötet. Es gibt etwa 50 Verletzte, zwei davon sterben wenig später im Krankenhaus. Der Lokführer und der Heizer sind ebenfalls tot, höchstwahrscheinlich verbrüht von 200 Grad heißem Dampf. Es ist eines der schwersten Eisenbahnunglücke der DDR.

Was ist passiert?

Schon in Berlin gibt es eine Panne. Der unerfahrene Lokführer und sein Heizer haben einen Schaden an ihrer Stammlok und müssen nun auf eine neue zurückgreifen. Der Grund: Wassermangel im Kessel. Sie bekommen eine Reservelok zugewiesen: die Dampflokomotive 01 1516. Allerdings überprüfen sie nicht, ob genügend Wasser vorhanden ist, obwohl sie offenbar von der Lokdienstleitung darauf hingewiesen werden, dass die Vorräte nicht vollständig sind. Erst später, während der Fahrt, fällt ihnen auf, dass der Wasserstand im Kessel zu gering ist - wie schon bei der Panne in Berlin. Trotzdem halten sie nicht an.

Die sind also einfach weiter. Ob mit oder ohne Wasser, das hat die nicht interessiert.

Heinz Schnabel hat das Unglück untersucht

Als die Dampflokomotive schließlich in den Bahnhof Bitterfeld einfährt, ist der Bahnsteig voller Menschen. Beim Bremsen schießt das Wasser aus dem Kessel nach vorne und wieder zurück. "Diese Welle hat sich über die Feuerbüchsdecke ergossen. Das hat ihr den Rest gegeben", erklärt Heinz Schnabel, der damals als Reichsbahn-Oberrat das Unglück untersucht. Es entsteht ein gewaltiger Überdruck und kommt in der Folge zu einem sogenannten "Kesselzerknall".

Fast eine noch größere Katastrophe

Der Unfall hätte um ein Haar ein noch viel größeres Inferno zur Folge gehabt. 250 Menschen warten auf dem Bahnsteig, als der Kessel auf die Gleise fliegt. "Wäre der Kessel nur einen Meter seitlich abgekommen und auf den Bahnsteig gefallen, dann hätte es 100-150 Tote gegeben", so Heinz Schnabel. Nach den damaligen Ermittlungen sind der Lokführer und Heizer Schuld an dem Unglück.

Unfall wird geheim gehalten

Im In- und Ausland erfährt die Presse nahezu nichts über den "Kesselzerknall" in Bitterfeld. Erst nach 1989 werden die Einzelheiten zu dem Unfall bekannt.

Über dieses Thema berichtete der MDR im: TV | 27.11.2007 | 14.00 Uhr