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Aus für Weimarer Porzellanmanufaktur – Interview mit einer Produktdesignerin

18. Januar 2019, 16:20 Uhr

Nach über 200 Jahren geht die Porzellantradition in Blankenhain zu Ende. Die Weimarer Porzellanmanufaktur GmbH ist pleite, der Ausverkauf läuft. Das Unternehmen ist ein Beispiel für die lange thüringische Porzellantradition. Über das Besondere am Thüringer Porzellan und die Zukunft der Branche spricht die Produktdesignerin Cora Gebauer im Interview.

Thüringen blickt auf eine über 250-jährige Porzellantradition zurück. Bereits um 1760 forschten die ersten Pioniere an der Herstellung des "weißen Goldes". In den folgenden Jahren entstand eine Vielzahl von Manufakturen. Mit der um 1900 einsetzenden Industrialisierung stieg die Zahl der Beschäftigten in den Betrieben erneut rasant an. Thüringen wurde zum Mittelpunkt der Porzellanherstellung in Deutschland. Noch heute existieren etwa 15 Betriebe, die zum Teil internationale Stahlkraft besitzen.

Warum haben sich im 18. Jahrhundert gerade in Thüringen so viele porzellanproduzierende Firmen angesiedelt?

"Thüringen war neben Oberfranken eine Hochburg der Porzellanherstellung, weil dort die entsprechenden Rohstoffe zu finden waren. Zum Beispiel wurde in der Region Kaolin abgebaut, das neben Quarz und Feldspat einer der Hauptrohstoffe für die Herstellung von Porzellan ist. Außerdem dienten die Nadelbäume aus dem Thüringer Wald als Brennstoffe, um die Öfen anzuheizen. Schnell wachsendes Nadelholz wurde extra dafür angebaut. Das erklärt auch die großen Monokulturen, die wir heute in den Wäldern haben."

Was ist das Besondere am Thüringer Porzellan?

"Die Thüringer Porzellanbranche hat sich dadurch hervorgetan, dass sie gute Handwerker hatte. Gerade zu DDR-Zeiten wurden die Leute in der angewandten Kunst und im Kunsthandwerk sehr gut ausgebildet. Nicht nur von der Burg Giebichenstein kamen hervorragende Leute, die bei Thüringer Firmen gearbeitet und dort Gestaltung gemacht haben."

"Nach der Wende gab es den großen Überlebenskampf. Dabei haben vor allem Firmen überlebt, die ihre Nischen gefunden haben. Zum Beispiel die Firma Kahla: Sie hat sich in Richtung Lifestyle und zeitgenössisches Porzellan entwickelt. Weimar hat stattdessen auf den Export, vor allem in Richtung Russland gesetzt. Sie haben sehr üppig dekorierte, vergoldete Porzellane gemacht. So hat jeder versucht, seinen Weg zu finden."

Ist die Pleite der Weimarer Porzellanmanufaktur ein schlechtes Zeichen für die Branche oder singulär?

"Tendenziell ist es ein Trend, der nicht in Weimar angefangen hat. Die Entwicklung hat bereits vor zehn Jahren, wenn nicht sogar noch länger, eingesetzt. Es ist kein speziell thüringisches Problem, sondern eins der ganzen Branche. Es wurden Firmen geschlossen oder verkauft. Bei Weimar hat es mich tatsächlich etwas verwundert, weil ich das Gefühl hatte, dass sie gut beim Export etabliert sind."

Welche Trends gibt es in der Porzellanbranche?

"Ein Trend ist, dass ein Produkt nicht mehr allein für sich funktioniert. Man kann das Material Porzellan nicht mehr losgelöst sehen, sondern es greift in eine Gesamtkonzeption rein. Damit meine ich nicht nur Besteck und Glas, sondern das gesamte Interieur – so wie wir uns heute einrichten. Da sind die Tasse und der Teller nur ein Bestandteil."

"Eine Entwicklung ist zudem, dass sich die Lebensräume verändern. Man hat zum Beispiel nicht mehr die klassische Aufteilung von Wohnzimmer und Küche. Die Bereiche verschmelzen immer mehr. Deshalb verändern sich auch die Accessoires. Da sehe ich noch viel Potenzial für zukünftige Designer."

Wie wirkt sich das auf die Firmen aus?

"Es gibt immer Symbiosen von Firmen. Verschiedene Sparten tun sich zusammen und agieren unter einem Dach. Sie existieren zwar weiterhin als einzelne Marken, aber bieten den Kunden ein Gesamtkonzept. Beziehungsweise setzen Firmen, wie zum Beispiel Meißen, auf Gesamt-Lifestyles. Bestimmte Dekore gehen bis in die Accessoires, zum Beispiel Textilien, hinein. Es gibt eine Gesamtkollektion, die sich in allen Materialbereichen fortsetzt."

Welche Zukunft hat die Porzellanherstellung?

"Es gibt fürs Porzellan sehr interessante Anwendungsfelder, wenn man zum Beispiel an Hochleistungskeramik denkt. Nicht nur bei Tellern und Tassen ist das Material Porzellan sinnvoll anzuwenden, sondern auch in völlig anderen Bereichen. Keramik hat hervorragende Eigenschaften, die kein mir bekanntes anderes Material erfüllt. Anwendungsgebiete sind zum Beispiel die Raumfahrt, bei der Verkleidung vom Space Shuttle kommt keramisches Material zum Einsatz und in der Chemie: Porzellanoberflächen sind extrem säurebeständig."

Cora Gebauer war mehrere Jahre freiberuflich als Produktdesignerin tätig und wurde für ihre Designs mehrfach ausgezeichnet. Seit 2016 ist sie als Gastprofessorin an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle tätig, seit 2017 zudem als Dozentin an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

(man)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:MDR THÜRINGEN JOURNAL | 07.01.2019 | 19:00 Uhr