Zwei Mädchen spielen Monopoly.
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Weltweite Erfolgsstory Monopoly: Ein Brettspielklassiker wird 85

19. März 2020, 15:55 Uhr

Oppositionelle in der DDR spielten "Bürokratopoly". Der NSU spielte "Pogromly". Im Dritten Reich war es verboten. In der DDR wurde es nachgebaut. Das bekannte Brettspiel Monopoly ist seit seiner Erfindung in einer Vielzahl von Varianten erschienen. Doch die Version des Monopoly, die heute Millionen von Menschen kennen und spielen, hat mit der Ursprungsidee der Erfinderin Elizabeth Magie Phillips nicht viel gemeinsam.

Monopoly: Das Spiel des Kapitalismus zieht schon Generationen in seinen Bann. Es wird gehandelt, gestritten, gelacht. Vor 85 Jahren haben die Brüder Parker aus Massachusetts das Spiel gekauft und zu einem weltweiten Bestseller gemacht. Doch erfunden hat es jemand völlig anderes: Elizabeth Magie Phillips.

Bricht Jahr um Jahr Verkaufsrekorde

Monopoly Spielfiguren
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Die Stenotypistin "Lizzie" Magie hatte ihr Spiel "The Landlord's Game" genannt. Unverkennbar ist die Ähnlichkeit mit dem heutigen Spiel. Martin Thiele-Schwez, Gamedesigner und Spieleforscher, erklärt dazu: "Es handelte sich - nach meiner Kenntnis - um das erste Brettspiel, das überhaupt patentiert wurde. Das Landlord's Game selbst nimmt sehr viele der zentralen Monopoly-Aspekte vorweg - die Spielfiguren werden durch Würfelglück voran gesetzt, sie passieren Straßen, kaufen oder verkaufen dieselben und müssen Steuern oder Spenden zahlen."

Wer die teuersten Objekte schnell in seinen Besitz bringen kann, hat dann oft ausgesorgt - indem er Straßen und Gebäude kauft und kassiert, sobald ein Mitspieler auf das Feld mit seinem Eigentum kommt. Gewinner ist, wer seine Mitspieler in den Ruin getrieben hat. "Das Monopoly, das wir heute kennen, ist nach wie vor eines der populärsten Gesellschaftsspiele aller Zeiten und bricht Jahr um Jahr Verkaufsrekorde durch seine schier endlose Zahl an Editionen", so der Spieleforscher Martin Thiele-Schwez weiter.

Reichtum der einen, ist die Armut der anderen

Die Intention des Monopoly-Vorläufers war aber ganz anders. Magies Anliegen war genau das Gegenteil des heutigen Spielziels: Sie wollte zeigen, wie der Reichtum der einen, die anderen arm macht. Es sollte eine Art Lehrspiel sein. "Sie glaubte, Kinder würden mit dem Spiel lernen, dass man am schnellsten Reichtum und Macht gewinnt, indem man alles Land in seinen Besitz bringt und hält", schreibt Tristan Donovan im Vice-Artikel "The Original Monopoly Was Deeply Anti-Landlord". Und weiter: Sie hoffte, dass die Kinder durch das Spiel lernen würden, wie Ungerecht das System der Landverteilung sei und später so als Erwachsene dagegen kämpfen werden.

Schon in den 20er-Jahren kursierte der Name "Monopoly"

Auch der Universitätsprofessor Scott Nearing in Pennsylvania nutzte die frühe Variante des Spiels für seine Vorlesungen. Seine Studenten verbreiteten es über den ganzen Nordosten der USA. Mit jeder Kopie veränderten es die Spieler. In Atlantic City erhielt das Spiel seine ursprünglichen Straßennamen. Schon in den 20er-Jahren kursierte der Name "Monopoly". Aus dem Feld "Mutter Erde" war "Start" geworden, aus dem "öffentlichen Park" das "öffentliche Parken".

Mitten in der Weltwirtschaftskrise entwickelte der arbietslose Heizungsbauingenieur Charles Darrow aus dem Ur-Monopoly von Elizabeth Magie Philipps dann die heute bekannte Spielvariante. Am 19. März 1935 kauften die Spielzeughersteller Parker Brothers, die es immer abgelehnt hatten, das Spiel zu vertreiben, weil es zu kompliziert wäre, Monopoly - und wurden vom Erfolg überrannt. 20.000 Spiele verkauften sie bereits 1936 - pro Woche! Obwohl der Stückpreis bei zwei Dollar lag, was damals viel Geld war - denn dafür bekam man auch 50 Kilo Kartoffeln.

Im Dritten Reich verboten

Während der Zeit des Nazionalsozialismus hatte das Spiel in Deutschland keine Chance. Aus mutmaßlich zwei Gründen, wie Spieleforscher Martin Thiele-Schwez erklärt: "Auf der einen Seite heißt es, dass der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in dem Spiel den 'jüdisch-spekulativen Charakter' kritisierte und die Hitlerjugend dazu anhielt, flächendeckend Druck auf Spielwarenhändler auszuüben, das Spiel aus dem Sortiment zu nehmen. Auf der anderen Seite wurde erzählt, dass Goebbels, der sich gerne volksnah gab, ein Problem damit gehabt hätte, dass die teuerste Straße, damals die Wohninsel Schwanenwerder, eben jenes Wohnviertel war, in dem auch er residierte."

Missbraucht wurde das Spiel später dennoch. "Bei der Wohnungsdurchsuchung der Terrorzelle NSU fand sich eine pervertierte Variation mit dem Titel 'Pogromly'", so Martin Thiele Schwez. "In Eigenarbeit wurde die eigene menschenverachtende Ideologie in die Text- und Bildsprache dieser Spiel-Variation eingeschrieben."

In der DDR nachgebastelt

1953 kam das Spiel in der Bundesrepublik in den Handel. In den kommunistischen Ländern war es wegen seiner zutiefst kapitalistischen Idee allerdings verboten. Aufhalten ließ es sich dort allerdings auch nicht. Martin Thiele-Schwez hat sich auch damit eingehend beschäftigt: "Wenn mich jemand fragt, was das beliebteste Spiel in der DDR war, sage ich gerne scherzhaft, dass es wohl Monopoly gewesen ist. Und das obwohl es dieses Spiel in der DDR gar nicht hätte geben dürfen, schließlich war die Einfuhr von westlichen Medienträgern untersagt. Gleichwohl gab es den einen oder die andere, die ein Monopoly ihr eigen nennen konnten."

Ausgehend von diesen wenigen, ins Land geschmuggelten Originalen entstand eine Reihe von Kopien und abermaligen Vervielfältigungen. Diese Kopien sind sehr kreativ. Die Spielregeln wurden abgewandelt, neue Inhalte erfunden und unterschiedlichste Bastelmaterialien verwendet.

"Bürokratopoly": Beliebt in oppositionellen Kreisen

Die kreativste Adaption ist "Bürokratopoly" von Martin Böttger. Der Bürgerbewegte aus der Nähe von Zwickau nahm in seinem Spiel die Karriereleiter im Sozialismus auf die Schippe. In dem Spiel ging es darum, vom einfachen Arbeiter zum Generalsekretär des Zentralkomitees der SED aufzusteigen", erklärt Martin Thiele-Schwez. "Und dazu war jedes Mittel recht: Lug, Wahlbetrug, zeitweilige Koalitionen und vieles mehr." "Bürokratopoly" war somit sicherlich von Monopoly inspiriert, gleichwohl war es sowohl optisch als auch mechanisch ein völlig anderes Spiel. Es war beliebt in oppositionellen Kreisen und wurde dort in einer Spielrunde auch von einem IM aufgestöbert: Martin Böttger fand sein Spiel nach 1989 in seiner Stasi-Akte wieder. Inzwischen ist es im Handel erhältlich.

Archetyp des Gesellschaftsspiels

Monopoly kann man heute in 114 Ländern kaufen. Zu den kuriosen Geschichten des Spiels gehört, dass Monopoly schon auf dem Gipfel der Zugspitze gezockt wurde und 45 Tage lang von Tauchern unter Wasser. Es gibt ein Spiel aus purem Gold, eines aus Schokolade und sogar die NASA bestellte wohl zwei weltraumtaugliche Ausgaben für ihre Astronauten. Es gibt inzwischen zig Monololy-Varianten: so etwa ein Sandmännchen-, ein Herr der Ringe- oder Pokemonmonopoly. Auch Dresden, Erfurt, das Vogtland haben inzwischen ihre eigene Monopoly-Variante.

Komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge

Die Erfinderin von Ur-Monopoly Elisabeth Magie Phillips ist heute fast vergessen. In Berlin erinnert ein Frauenprojekt an sie. Die Frauengenossenschaft "WeiberWirtschaft", Europas größtes Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum, hat schuldenfreie Flächen nach Wegbereiterinnen benannt. Unter anderen: Lizzy Magie. Aber warum nicht mal wieder "The Landlord's Game" auflegen? "Ja, in der Tat", sagt Martin Thiele-Schwez. "Als Game-Designer glaube ich daran, dass das Spiel ein ideales Medium ist, um komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge darzustellen und nachvollziehbar zu machen. So bin ich überzeugt davon, dass wir ein vergnügliches und gleichsam lehrreiches Spiel entwickeln könnten, welches sich kritisch mit Grundbesitz, mit Steuern, mit Armut und vielem mehr auseinandersetzt."

Dr. Martin Thiele-Schwez ist Game-Designer und vermittelt komplexe Inhalte durch Spielformen - meistens im Umfeld von Geschichte, Politik, Gesellschaft und Kultur. Zudem erforscht er die Spielekultur der DDR und hat dazu promoviert.  

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: Jump | 19.02.2020 | 10:45 Uhr