Das Ende der Gedankenfreiheit Die Bücherverbrennungen 1933
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Unter den Nazis werden 1933 Tausende Bücher verbrannt. Mancherorts haben sogar Polizisten die bücherraubenden Horden begleitet. Professoren, Studenten und Bibliothekare unterstützten die Aktion. Öffentliche Proteste gab es kaum.

Es ist das Ende der Gedankenfreiheit: Am 10. Mai 1933 landen in Berlin Tausende Bücher im Feuer. Darunter die Erzählungen Tucholskys, die Romane von Döblin, Brechts Gedichte und Freuds Schriften. "Jüdisch, pazifistisch, kommunistisch, das sind die Todsünden im neuen Land", erklärt Buchautor und Journalist Volker Weidermann. Er hat die Geschichte jener Nacht im Mai aufgeschrieben und erzählt in seinen "Buch der verbrannten Bücher" von den Autoren, deren Werke in Flammen aufgingen.
Goebbels und seine Feuerrede
Der promovierte Philologe und Germanist Joseph Goebbels, seines Zeichens "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", lässt es sich nicht nehmen, den barbarischen Akt mit einer Rede zu begleiten:
Das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende. Und der kommende deutsche Mensch wird nicht nur ein Mensch des Buches, sondern auch ein Mensch des Charakters sein.
Die mitternächtliche Inszenierung ist zwar ganz in seinem Sinn, seine Idee ist sie aber nicht, erklärt Weidemann: "Goebbels selbst hat erst einen Tag vor der Bücherverbrennung zugesagt, dass er teilnehmen würde. Denn, das hat er auch in seiner Feuerrede gesagt, er hätte sich selbst nicht vorstellen können, dass Deutschland so kurze Zeit nach dem Machtantritt der Nazis schon so weit sein würde."
Die Sammelaktion
Es sind Studenten, die in SA-Uniformen bereitstehen und die Schriften jüdischer Autoren beseitigen. Liberale Gedanken gelten vielen von ihnen als undeutsch. Die Bücher, in denen sie niedergeschrieben sind, sollen verschwinden. Es kommt zu Sammelaktionen. Die Studenten gehen in Bibliotheken, in Büchereien und in Universitäten. Geplant wird die Kampagne von der deutschen Studentenvertretung.
Reichsweit sind die Mitarbeiter der öffentlichen Bibliotheken angewiesen, die sogenannte Schmutz- und Schundliteratur selbstständig zu kennzeichnen und zum Abtransport bereitzustellen. In Stoßtrupps überfallen die Studenten private Leihbüchereien und Buchhandlungen.
Mancherorts, wie in Halle an der Saale, werden die bücherraubenden Horden sogar von Polizisten eskortiert, um der Aktion den Anschein von Legalität zu geben. Einige Buchhändler legen vorsorglich selbst Hand an. Köln, Dresden, Hamburg, Halle, Würzburg, Nürnberg, München, Rostock, Frankfurt – zwischen März und Juni finden in mehr als 50 Städten Bücherverbrennungen statt.
Ein Rätsel der Geschichtswissenschaft
Öffentliche Proteste gibt es kaum. Auch die deutsche Professorenschaft will es sich nicht mit den neuen Machthabern verderben. Stattdessen unterstützt sie die Aktion mit feierlichen Brandreden. Diese Tatsache stellt die Geschichtswissenschaft bis heute vor Rätsel. Autor Weidermann dazu:
Das ist eines der großen Geheimnisse, die wir bis heute nicht gelöst haben. Ja, wie ist es möglich?! Dass es praktisch keinen Protest dagegen gab, dass Germanistikprofessoren, dass Studenten, dass ausnahmslos alle teilnehmen. Wie war das möglich, so kurze Zeit nach dem Machtantritt? Das ist tatsächlich überraschend.
Da, wo man Bücher verbrennt ...
Deutschland, dass sich so gerne als das Land der Dichter und Denker rühmt, gibt in dieser Zeit seinen kritischen Geist auf und überlässt alles weitere dem Führer. "Und natürlich, man kann nicht die Bücherverbrennung mit dem Morden im KZ messen. Aber es war der Anfang. Und der Satz: Da, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man später auch Menschen, der stimmt ganz genau", resümiert Volker Weidermann.
Über dieses Thema berichtete der MDR im: TV | 19.08.2008 | 21:15 Uhr