Der erste Medienskandal des 20. Jahrhunderts Skandal im Königshaus: Die sächsische Kronprinzessin Luise von Toscana flieht aus Sachsen

18. März 2021, 12:48 Uhr

Die sächsische Kronprinzessin Luise von Toscana ist nicht die erste und nicht die letzte Prinzessin, die sich im goldenen Käfig gefangen fühlt. Es ist fast klar, dass Frauen wie Luise von Toscana, lebenslustig, eigenwillig und ihrer Zeit voraus, in Konflikte geraten mit konservativen und rigiden Königshäusern. Sie lässt schließlich ihren Mann Friedrich August von Sachsen sitzen und flieht in die Schweiz.

Anfang Dezember 1902. Die sächsische Kronprinzessin Luise, 32 Jahre alt, flieht gemeinsam mit ihrem Bruder Leopold nach Genf. Sie trifft dort ihren Geliebten Giron in einem Hotel, in dem auch ihr Bruder mit seiner Geliebten, der Prosituierten Wilhelmine, unterkommt. Ob Luise weiß, dass sie von der sächsischen Polizei verfolgt wird, die sogar skizziert, wie die Betten der Paare angeordnet sind?

Ehebruch als Medienskandal

Jedenfalls ist die Geschichte ein Skandal. Die ehemalige Kronprinzessin aus dem Königshaus Sachsen hat ihren Mann, den künftigen König Friedrich August von Sachsen und fünf Kinder, sitzengelassen. Sie, die das scheinbar schönste Leben von allen führte. Die Presse Europas stürzt sich darauf. Luises Flucht wird zum ersten Medienskandal des 20. Jahrhunderts. Von der konservativen Presse wird sie verleumdet und durch den Schmutz gezogen, in den liberalen Medien wird ihr Mut bewundert. Das Volk sammelt Unterschriften, um Gnade für ihre künftige Königin zu erreichen.

Junge Liebe im Taschenbergpalais

Luise Antoinette Maria Theresia Josepha Johanna Leopoldine Caroline Ferdinande Alice Ernestine – elf Vornamen bekommt das Mädchen aus der Habsburger Dynastie, das am 2. September 1870 in Salzburg geboren wird. Ihr Vater, Großherzog von Toscana, hat keine Regierungsverpflichtung und so können seine Kinder ihren Vorlieben folgen. Luise ist in allem begabt. Sie spielt zwei Instrumente, spricht fünf Sprachen und liebt auch Sport, wie die Innsbrucker Nachrichten am 27.Dezember 1902 schreiben: "Sie ist eine treffliche Reiterin und ihre Fertigkeit im Schlittschuhlaufen wurde oft genug auf dem Salzburger Eislaufplatze bewundert, wo die Erzherzogin an der Seite ihrer Angehörigen zwanglos mit der dortigen Gesellschaft verkehrte." Warmherzig gegenüber den Armen, fliegen ihr die Herzen zu. Dazu ist sie hübsch und eigenwillig; zwei Heiratsanträge lehnt sie ab. Erst den von Kronprinz Friedrich August von Sachsen nimmt sie an. Sie hatte ihn, 17jährig, auf einem Ball im Schloss Pillnitz kennengelernt gelernt und wohl auch gemocht, sich vielleicht verliebt. 1891 heiraten beide, sie ziehen ins Taschenbergpalais in Dresden. Sie werden Eltern von drei Söhnen und drei Töchtern.

Doch bald zeigte sich, dass die Habsburgerin ihre lebenslustige und volksverbundene Art am konservativen Dresdner Hof nicht leben kann. Vor allem der König Georg, ihr besonders frommer katholischer Schwiegervater, hat damit Probleme: Dass sie selbst einkauft, allein ins Café geht, sich extravagant kleidet, sogar Fahrrad fährt und mit Untertanen beim Wohltätigkeitsball tanzt. Während sie die Dresdner lieben, machen Intrigen am Hof ihr das Leben schwer. Der König lässt sie überwachen. Ihr Mann reagiert auf all das nicht. Offenbar interessiert er sich mehr fürs Militär, als für seine Frau und flieht vor ehelichen Problemen zur Jagd.  

Überstürzte Flucht zum Liebhaber

Luises Lebenslust sucht sich ihren Weg aus der Enge. Durch intrigante Hofdamen und einen abgefangenen Brief kommt ans Licht, dass sie eine Affäre mit dem Sprachlehrer ihrer Kinder André Giron hat, ihn liebt. Dazu kommt, dass sie im vierten Monat schwanger ist. Ihr Schwiegervater droht, sie ins Irrenhaus einliefern zu lassen. Nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Mann packt sie ihren Schmuck ein und flieht nach Salzburg zu ihren Eltern. Dort trifft sie ihren Bruder und gemeinsam machen sie sich auf in die Schweiz. André Giron, längst gekündigt und des Landes verwiesen, erwartet sie dort.

Doch Luise trennt sich bald von Giron, bereut ihre impulsive Flucht und kämpft um ein Wiedersehen. Auch ihr Mann sehnt sich nach Versöhnung, doch das Königshaus leitet umgehend die Ehescheidung ein. Bereits im Februar 1903 ist Luise geschieden. Für Unterhaltszahlungen, damals Apanage genannt, verpflichtet sie sich, das Land Sachsen nie wieder zu betreten und dem Vater der Kinder die Erziehung der Kinder zu überlassen.

Als Ehebrecherin verbannt

Tochter Anna Monika Pia bringt sie am 4. Mai 1903 ganz allein in Lindau zur Welt. Friedrich August erkennt sie als seine Tochter an, weswegen Pia dann später, dreijährig, an den Hof zurück muss. Kurz vor Weihnachten 1904 versucht Luise, in das Dresdner Taschenbergpalais zu gelangen, um ihre Kinder zu sehen. Ihr neuer Liebhaber, Conte Carlo Guiccardi, begleitete sie. Die Menschen, die sie trifft, bitten sie, zu bleiben. Aber Luise ist illegal da und wird sofort außer Landes gebracht.

Prinzessin Luise von Österreich-Toskana mit Monica Pia.
Prinzessin Luise von Österreich-Toskana mit Tochter Monica Pia. Bildrechte: imago/Arkivi

Unruhig zieht die ehemalige Kronprinzessin nun umher, wechselt Wohnorte und Schlösser, lebt in Frankreich, auf Mallorca, in Italien. 1907 heiratet sie erneut den zwölf Jahre jüngeren Komponisten Enrico Toselli. Trennt sich 1912 wieder, den gemeinsamen Sohn entführt der Ex-Ehemann. Zeitlebens bereut Luise von Toscana ihre Kurzschlussreaktion, die sie nun für immer vom Hof und ihren Kindern fern hält. Wie sehr sie Sehnsucht nach Sachsen hat, wird im langjährigen Briefkontakt mit Clara Herrmann, der Bügelfrau der Kronprinzenfamilie, deutlich. Erst ab 1924 kann sie ihre Kinder wiedersehen.

Als der Zweite Weltkrieg beginnt, lebt Luise in Brüssel. Mit der Besetzung Belgiens durch Deutschland kommen die Zahlungen nicht mehr bei ihr an. Luise verarmt, versucht, als Blumenverkäuferin zu überleben. Sie stirbt 1947 vereinsamt und mittellos mit 77 Jahren. Erst nach ihrem Tod holt Pia sie heim, um sie beerdigen zu lassen. Da die Tochter mit einem Hohenzollern verheiratet ist, wird Luise im Kloster Hedingen in Sigmaringen, der Grablege der Hohenzollern, bestattet.

In Wachwitz (heute ein Stadtteil von Dresden) erinnert das "Café Toscana" an die Kronprinzessin. Sie besuchte oft den Kaffeeausschank am Schillerplatz nahe der königlichen Villa. Der Konditormeister benannte 1906 sein Café nach ihr.