DDR-Rundfunk "Power von der Eastside!" - Jugendradio DT 64

09. Juni 2022, 13:10 Uhr

Mit seinem täglichen Programm von 4 bis 24 Uhr war das "Jugendradio DT 64" eine Institution im DDR-Radio und einmalig in Europa. In der Reihe "Duett - Musik für den Recorder" wurde Musik westlicher Herkunft in voller Länge gespielt und machte das Jugendradio zum Kultsender in der DDR. Auch Rockbands der DDR feierten über "DT 64" ihre ersten großen Erfolge. Zum Jahresende 1991 sollte der Sender laut Einigungsvertrag eingestellt werden - doch es kam zu einer nie dagewesenen Protestaktion für den Erhalt des Jugendradios.

Hervorgegangen war das "Jugendradio DT 64" aus dem Jugendstudio "DT 64" des "Berliner Rundfunks" während des letzten Deutschlandtreffens der Jugend 1964 - daher sein Name. An Kritik am neuen Sender mangelte es nicht. Auf dem 11. Plenum des ZK der SED von 1965 beschwerte sich der ehemalige Vorsitzende des FDJ-Zentralrats Erich Honecker über die Inhalte des Programms und verlangte eine engere Anbindung an die FDJ:

Den Erscheinungen der amerikanischen Unmoral und Dekadenz wird nicht offen entgegengetreten. Das gilt besonders für den Bereich der heiteren Muse und der Unterhaltung, für einzelne literarische Arbeiten und leider auch für viele Sendungen im 'DT 64'. [...] Über eine lange Zeit hat 'DT 64' in seinem Musikprogramm einseitig die Beatmusik propagiert.

Erich Honecker

Doch trotz - oder gerade wegen - der Nähe zur FDJ konnte sich der Sender bis zum Ende der DDR halten. Ab 1987 besaß das zuvor dem "Berliner Rundfunk" angegliederte "Jugendradio DT 64" eine eigene Intendanz und Frequenz und wurde dadurch immer unabhängiger von der ansonsten alles kontrollierenden Instanz des "Staatlichen Rundfunkkomitees beim Ministerrat der DDR" und der ZK-Abteilung für Agitation und Propaganda.

Auch die parteitreue Führung der FDJ nahm die unorthodoxe Gestaltung des Senders hin, um seine hohe Akzeptanz und Beliebtheit nicht zu gefährden. Der große Anteil westlicher Popmusik sowie die jugendgemäße Sprache und Aufmachung sollten die DDR-Jugend daran hindern, auf andere, bundesrepublikanische Sender zurückzugreifen. Das Konzept ging auf: trotz und ob seiner kritischen Berichterstattung feierte das "Jugendradio DT 64" in der Hörfunklandschaft der DDR bislang ungekannte Erfolge.

Mit der Umgestaltung der zentralistischen Hörfunkstruktur nach dem Ende der DDR 1990 sollte auch das "Jugendradio DT 64" aus dem Äther verschwinden. Es kam zu einer bis heute einzigartigen Protestwelle und Rettungsbewegung der Hörerschaft, die sich der Abschaltung entgegenstellte. Seit 1993 ist MDR Sputnik in seine Fußstapfen getreten und gilt als Nachfolger von DT 64.