Ferien im FDGB-Heim
Werbung für Ferien mit dem FDGB, 50er Jahre Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ostseeurlaub in der DDR Keine Privatzimmer an der Ostsee

30. August 2022, 05:00 Uhr

Privatquartiere und -Hotels an der Ostsee waren der DDR-Führung und dem FDGB-Feriendienst ein Dorn im Auge. Die "Aktion Rose" sollte das ändern. Unter fadenscheinigen Gründen wurden Privatanbieter enteignet. Ein entsprechendes Gesetz brachte die SED im Herbst 1952 auf den Weg. Doch wie ging es weiter mit deren Quartieren?

Es wird kolportiert, Walter Ulbricht habe sich bei einem Besuch auf Rügen 1952 darüber geärgert, dass es noch so viele Privathotels und Pensionen gab. Klar ist aber, dass es den Feriendienst des FDGB aufregte, wenn ihm Hotelbesitzer einen Vertrag verweigerten, weil es lukrativer war, Privatgäste einzuquartieren. Ende 1952 bereitete deshalb die Führung in Berlin eine Aktion vor, durch die mit einem Schlag private Hotels und Pensionen enteignet und dem FDGB-Feriendienst übertragen werden sollten.

Blick auf ein Hotelgebäude. 5 min
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Vorbereitung auf die geheime Polizeiaktion

In Berlin ging man davon aus, dass man sich bei der "Aktion Rose" nicht auf einheimische Kräfte verlassen konnte, weder in der Justiz noch in der Polizei. Denn es wurde damit gerechnet, dass die Aktion in der Bevölkerung auf Unverständnis und massive Kritik stoßen konnte. So wurde die Aktion konspirativ vorbereitet. Besonders linientreue Juristen aus Rostock, Leipzig und Berlin wurden zusammengezogen, aus dem sächsischen Arnsdorf am 9. Februar 1953 400 Volkspolizeischüler gen Norden beordert. Zuvor waren wochenlang interessante Objekte verdeckt ausgespäht worden.

Das Sondergericht in Bützow-Dreibergen

Einsatzleiter der Aktion, die am 10. Februar 1953 startete, war Josef Streit, der spätere Generalstaatsanwalt der DDR. Zwar durfte es laut Verfassung keine Sondergerichte geben, im Falle der "Aktion Rose" setzte man sich aber bewusst darüber hinweg. Propagandistisch wurden die Verfahren durch kämpferische Artikel in der "Ostseezeitung" und im "Neuen Deutschland" begleitet. Im ND vom 4. März war die Rede von "kriminellen Elementen", von einer "verfaulenden kleinbürgerlich-kapitalistischen Schicht, die von Betrug und Unterschlagung" lebe. Die konstruierten Anklagen bezogen sich auf Vorwürfe wie illegal eingeführte Westwaren, Auf – und Verkauf von bezugsbeschränkten Lebensmitteln, Preisvergehen und Steuerhinterziehung.

Es kam zu 711 Überprüfungen, die in 447 Fällen zu Festnahmen führten. Insgesamt 408 Personen wurden verurteilt. Die Strafen, die das Sondergericht in Bützow-Dreibergen beschloss, reichten von einigen Monaten Gefängnis bis zu 10 Jahren Zuchthaus. Wichtiger als die Haftstrafen war allerdings aus Sicht der SED der anschließende Vermögenseinzug, zu dem die Betroffenen durchwegs verurteilt wurden.

Bilanz zur Zerschlagung des Mittelstandes in Ostsee-Badeorten

Die Führung der DDR wertete die "Aktion Rose" als vollen Erfolg. Immobilien im Wert von 30 Millionen Mark wurden konfisziert, außerdem 1,6 Mio. Bargeld und Schmuck im Wert von ca. 300.000 Mark. Betroffen waren ganze Familien, selbst Kinder wurden als "Wirtschaftsverbrecher" umgesiedelt. Insgesamt 1.000 Familienangehörige der Verhafteten mussten so lediglich mit ein paar Kleidungsstücken versehen, ihr Zuhause verlassen und in fremde Orte umziehen, zumeist Häuser von so genannten "Republikflüchtlingen". In einige beschlagnahmte Objekte wurde zeitweilig die Kasernierte Volkspolizei einquartiert. Die meisten gingen an den FDGB-Feriendienst, der aber große Schwierigkeiten hatte, die Hotels zu führen, da es ihm an fachlich geschultem Personal fehlte.

Die einheimische Bevölkerung reagierte auf die Aktion mit Unverständnis, zumal viele Menschen in den beschlagnahmten Betrieben in Lohn und Brot gestanden hatten. In Zingst auf dem Darß kam es sogar zu einer Gemeindeversammlung, an der ca. 400 Einwohner teilnahmen. Auf Veranlassung des Gemeinderatsvorsitzenden Wallis wurde eine Petition an den Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck zugunsten der Enteigneten verabschiedet. Einzige Konsequenz: auch Wallis wurde verhaftet. Viele der Verurteilten kamen nach dem 17. Juni, dem Tag des Volksaufstandes, wieder frei, da man in den Gefängnissen Platz für verhaftete Arbeiter brauchte.

Über dieses Thema berichtete MDR ZEITREISE im: TV | 22.03.2020 | 22.00 Uhr

Dieser Artikel wurde 2009 erstveröffentlicht.