Aufnahmeleiterin Dagmar Heerwagen im Porträt "Das musst du im Blut haben"

11. Mai 2011, 08:21 Uhr

Im Studio des SACHSENSPIEGELS in Dresden schwingt eine "Polizeiruf"-Kennerin das Zepter: Dagmar Heerwagen war bis 1990 Aufnahmeleiterin beim "Polizeiruf 110".

Im Studio des SACHSENSPIEGELS hören alle auf das Kommando von Aufnahmeleiterin Dagmar Heerwagen, die von allen nur "Daggi" genannt wird. Mit ihrem feuerroten Haarschopf ist sie nicht zu übersehen. Ihre Fernsehkarriere begann vor genau 30 Jahren mit dem "Polizeiruf".

"Aufnahmeleiterin - das musst du im Blut haben"

Ende der 70er-Jahre richtete das Fernsehen der DDR einen Drehstab in Dresden ein. Per Zeitungsannonce wurde eine Aufnahmeleiterin gesucht und die junge Dagmar aus 240 Bewerbern ausgewählt. "Aufnahmeleiter kannst du nicht lernen, das musst du im Blut haben, dafür musst du brennen", sagt Dagmar Heerwagen.

Von der Volkspolizei verhaftet

Sie wurde zuständig für die Aufnahmeleitung am Drehort. Mit dem Regisseur bereitete sie die Szenen vor, veranlasste Absperrungen: "Am Wilden Mann vor unserem Studio habe ich auch mal selbst den Verkehr geregelt." Gern drehte das Polizeiruf-Team in originalen Wohnungen. So musste im Studio nichts gebaut werden. Das sparte Zeit und Mühe. Mitte der 80er-Jahre wollte Daggi mit dem Szenenbildner eine Wohnung in der Dresdner Neustadt besichtigen. Sie klingelten und wollten eintreten. Die Mieterin sagte: "Kommen Sie morgen, dann ist mein Mann da."

Am nächsten Tag kam Dagmar Heerwagen wieder, trat ein – und dann wurde es ernst. Im Wohnzimmer warteten vier Genossen der Volkspolizei und setzten den gesamten Drehstab fest – als vermeintliche Trickbetrüger, die sich unter einem Vorwand Zugang zu Wohnungen verschaffen und diese dann ausräumen wollten. Was war passiert? Die misstrauische Mieterin hatte zwei Tage zuvor den aktuellen Polizeiruf "Das große Talent" gesehen. Dort trat ein Trickbetrüger genau auf dieselbe Tour auf: "Guten Tag, ich bin vom Fernsehen und wollte einmal Ihre Wohnung besichtigen. Sie haben aus dem Fenster so einen schönen Blick auf die Gründerzeitfassaden." - "Wir wurden von den Volkspolizisten festgenommen und behandelt wie Schwerverbrecher", erinnert sich Dagmar Heerwagen. "Unser eigener Film war uns zum Verhängnis geworden." Es dauerte einige Zeit, bis die Volkspolizisten die Fernsehleute wieder laufen ließen.

"Zickig waren die unbekannten Schauspieler"

Mit berühmten Schauspielern, sagt Dagmar Heerwagen, war die Arbeit immer am einfachsten: "Große Namen wie Horst Schulze, Helga Göhring oder Herbert Köfer, mit denen bin ich am besten zurechtgekommen. Die mit den kleinen Namen, die Unbekannten, die hatten sich gern zickig." Es sind die kleinen Gesten der großen Schauspieler, an die sie sich auch heute noch gern erinnert: "In einem Winter waren einige Kollegen des Drehstabs mächtig erkältet. Die Kuba-Orangen lieferten auch nicht genug Vitamine. Plötzlich gab es irgendwo ordentliche Orangen. Horst Schulze konnte zwei Kilo kaufen. Und was hat er damit gemacht? Er hat sie unter uns verteilt, damit wir uns nicht noch mehr anstecken."

"Dödel für alles" und ruhender Pol

Die Kehrseite des Aufnahmeleiter-Lebens: "Du bist immer für alles und jeden der Dödel." Eine Schauspielerin fragte einmal beim Dreh in der Dresdner Heide, wo denn hier die Damentoilette sei. Dagmar Heerwagen zeigte einfach zum nächsten Baum: "Das machen wir hier alle so." Die Diva war schockiert und ließ sich dann von der Fahrbereitschaft zu einer anständigen "Waschgelegenheit" bringen. Dagmar Heerwagen ließ sich nie aus der Ruhe bringen, ihr Motto lautete: "Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen - du bist einfach dafür da, dass alles klappt." Und heute sagt sie: "Die Dreharbeiten für den Polizeiruf waren meine schönste Zeit".