Karl Liebknecht spricht 1911 vor Bürgern in Berlin
Karl Liebknecht spricht 1911 vor Bürgern in Berlin. Bildrechte: imago/United Archives International

Held oder Hassfigur? Karl Liebknecht: Arbeiterikone und Staatsfeind Nr. 1

13. August 2021, 05:00 Uhr

Sein Kampf gegen den Krieg machte ihn zur Ikone der Arbeiterbewegung – aber auch zum Staatsfeind Nummer Eins. Als Karl Liebknecht 1907 für seine Pazifismus-Schrift zu Festungshaft verurteilt wurde, feierten ihn die Massen. Liebknecht blieb Pazifist, rief nach dem Ersten Weltkrieg die "Sozialistische Republik" aus. Wenige Monate später, im Januar 1919 wurde der langjährige Reichstagsabgeordnete und KPD-Mitbegründer von Freikorps-Kämpfern ermordet. Das Porträt eines Leipzigers zum 150. Geburtstag.

Karl Liebknecht wurde am 13. August 1871 in Leipzig geboren. Er war der zweitälteste Sohn des großen Wilhelm Liebknecht, "Soldat der Revolution" von 1848 und Mitbegründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), eines Vorläufers der späteren Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Seinen Vater, der als Sozialist verfolgt wurde, bekam er als Kind kaum zu Gesicht. Wilhelm Liebknecht befand sich oft in Gefangenschaft oder im Exil. Trotz der bedrückenden Umstände zeigte sich der junge Karl vielseitig interessiert. Besonders Naturwissenschaften und Philosophie, weniger die Politik, hatten es ihm angetan. Nachdem er sein Abitur mit finanzieller Unterstützung der väterlichen Freunde Karl Marx und Friedrich Engels erfolgreich absolviert hatte, wollte er Medizin studieren.

Anwalt und Wahrer des väterlichen Erbes

Auf Druck des Vaters, der ihn als Nachfolger sah, widmete er sich dann den Rechtswissenschaften, mangelte es der sozialdemokratischen Bewegung doch an fähigen Anwälten. 1899 eröffnete Karl Liebknecht mit seinem älteren Bruder Theodor eine Kanzlei in Berlin. Dort lernte er auch Julia Paradies kennen, die Tochter eines reichen Kaufmanns, die er später heiratete. Mit ihrem großbürgerlichem Habitus kam er allerdings nur schlecht zurecht. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau heiratete er 1912 die junge russische Kunsthistorikerin Sophie Ryss, mit der er bereits seit 1906 ein Verhältnis hatte.

Festungshaft für Antimilitarismus-Schrift

Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1900 begann die politische Karriere Karl Liebknechts. In der SPD hatte er von Anfang an einen schweren Stand. Seine radikalen antimilitaristischen Ideen, die der deutschen Rüstungsindustrie ein Dorn im Auge waren, stießen auf Ablehnung. Trotzdem gelang ihm der Aufstieg zum Landtags-, später zum Reichstagsabgeordneten - Ausdruck seines Ansehens, das er sich innerhalb der Arbeiterschaft verschafft hatte, weil er konsequent für seine Ideen eintrat. Für seine Schrift "Militarismus und Antimilitarismus" wurde er am 12. Oktober 1907 zu eineinhalb Jahren Festungshaft wegen Hochverrats verurteilt. Nach dem Urteil wurde er jedoch von den Massen vor dem Leipziger Reichsgericht stürmisch gefeiert.

"Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!"

Porträt von Rosa Luxemburg auf einer Briefmarke
Porträt von Rosa Luxemburg auf einer DDR-Briefmarke Bildrechte: imago/imagebroker

Endgültig zur Ikone der Arbeiterbewegung wurde Liebknecht, als er sich nach dem Kriegsausbruch 1914 mit seiner Partei überwarf und als einziger Reichstagsabgeordneter gegen die Kriegskredite stimmte. Gemeinsam mit Rosa Luxemburg gründete er im Januar 1916 den "Spartakusbund", schrieb unermüdlich Aufsätze, referierte auf Arbeiter- und Sozialistenkongressen weltweit über die Gefahren des Militarismus. Am 1. Mai 1916 begann Karl Liebknecht seine Rede auf dem Potsdamer Platz mit den Worten "Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!". Weiter kam er nicht. Er wurde verhaftet und später zu vier Jahren Haft im Zuchthaus Luckau verurteilt.

Liebknecht ruft "Sozialistische Republik" aus

Als Liebknecht mit dem Ende des Ersten Weltkriegs begnadigt wurde, hatte sich das politische Klima gewandelt. Deutschland stand am Vorabend einer Revolution. Als im November 1918 tatsächlich Aufstände ausbrachen, versuchte Liebknecht die Situation zu nutzen. Am 9. November rief er vom Balkon des Berliner Schlosses die Sozialistische Republik aus. Kurz vorher war allerdings schon andernorts der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann aufgetreten, um die Deutsche Republik zu verkünden. In den folgenden Tagen konstituierte sich eine Revolutionsregierung unter der Führung des Sozialdemokraten Friedrich Ebert. Liebknecht wollte dieser Regierung nicht beitreten, hatten seine früheren Genossen aus seiner Sicht doch mit ihrer Zustimmung zum Krieg alle Ideale der Partei verraten. So forderte er die Massen auf, diese Regierung zu bekämpfen und die Revolution fortzuführen. Nach vier Jahren Krieg fanden Liebknechts Ideen jedoch kaum Widerhall.

Vom Gejagten zum Märtyrer

Um ihre neu errungene Macht zu sichern, kooperierte die sozialdemokratische Revolutionsregierung mit den alten Eliten. Aufflackernde Aufstände zu Weihnachten 1918 und im Januar 1919 wurden blutig niedergeschlagen. Um die Jahreswende hatten sich die "Spartakisten" mit abtrünnigen Sozialdemokraten zusammengetan und die Kommunistische Partei Deutschlands gegründet. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren die Köpfe der KPD, sie wurden von der regierungstreuen Presse geächtet und als Volksverräter an den Pranger gestellt.

Ermordung am 15. Januar 1919

Sie waren an keinem Ort mehr sicher und schon seit Tagen auf der Flucht, als sie am Abend des 15. Januar 1919 in der Wohnung eines Freundes aufgespürt und verhaftet wurden. Der für die Festnahme verantwortliche Hauptmann Waldemar Pabst ließ die Gefangenen in sein Stabsquartier im Nobelhotel Eden bringen und nach kurzem Verhör getrennt ins Gefängnis abtransportieren.

Dort kamen sie jedoch nie an. Karl Liebknecht wurde nach kurzer Fahrt im Berliner Tiergarten aus dem Auto gezwungen und von hinten erschossen. Später hieß es, man habe nur so einen Fluchtversuch unterbinden können. Auch Rosa Luxemburg wurde kurz darauf erschossen. Ihre Leiche warf man in den Landwehrkanal.

Karl Liebknecht wurde am 25. Januar 1919 zusammen mit 32 weiteren Opfern des "Spartakusaufstandes" auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde in einem Massengrab beigesetzt. Später, nach dem Auffinden von Rosa Luxemburgs Leiche, für die zunächst symbolisch ein leerer Sarg beigesetzt worden war, kam es zu einer erneuten Trauerfeier am 13. Juni 1919.

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