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PorträtEine mächtige Frau: Adelheid von Burgund(931–999)

13. September 2010, 15:41 Uhr

Sie verhilft Otto I. zur Kaiserwürde. Als erste Frau überhaupt teilt sie mit ihrem Mann die imperiale Macht. Über ein halbes Jahrhundert bestimmt sie die Geschicke des Reiches mit - als "kaiserlichste aller Kaiserinnen". Wer war diese Frau?

Die Chronisten des 10. Jahrhunderts preisen sie als Idealtypus einer Kaiserin: Sie sei die "kaiserlichste aller Kaiserinnen", Gott selbst habe ihr die Spitze des Reiches anvertraut; die Quedlinburger Annalen räumen ihr sogar einen Rang noch vor dem Kaiser selbst ein: Adelheid von Burgund, Königin von Italien und seit 962 an der Seite Ottos des Großen mächtigste Herrscherin des christlichen Abendlandes - wer war diese hoch gepriesene Frau?

Kindheit ohne Vater

931 im Südosten der heutigen Schweiz wohl im Gebiet zwischen Fribourg und dem Neuchâteler See geboren, wächst Adelheid in einer von imperialem Rangdenken erfüllten Umgebung auf. Ihr Vater König Rudolf II. von Hochburgund stirbt bereits als sie sechs oder sieben Jahre alt ist. Sein Rivale in den wechselvollen Machtkämpfen um die italienische Krone, Hugo von Italien, versucht, sich die Herrschaft über Burgund zu sichern, indem er Adelheids Mutter, Berta von Schwaben, zur Heirat zwingt. Adelheid selbst wird noch im Kindesalter mit Hugos Sohn Lothar verlobt.

"Consors regni" von Italien

In ihrer neuen Heimat, der alten Königsstadt Pavia, erhält Adelheid eine umfassende, in italo-langobardischer Tradition stehende Ausbildung, die ihr bald den Ruf einer "literatissima", einer Frau von höchster Gelehrsamkeit, einbringt. Als 947 ihr Stiefvater Hugo während der Vorbereitungen auf einen Kriegszug stirbt, heiratet sie ihren Verlobten Lothar und bekommt eine Tochter, Emma, die spätere Königin des Westfrankenreiches. Ein ungewöhnlich herzlicher Ton, den Dokumente Lothars bezeugen, lassen eine glückliche Verbindung vermuten. Lothar überträgt Adelheid darüber hinaus Besitztümer und bezeichnet sie als "consors regni", als Teilhaberin der Macht – ein Titel, den Adelheid später am Hof Ottos des Großen einführen wird. Bereits drei Jahre nach der Hochzeit stirbt Lothar am 22. November 950 – vermutlich vergiftet von seinem Widersacher Berengar von Ivrea, der nach der Krone Italiens zu greifen versucht. Mit nur 19 Jahren ist sie Witwe und in Gefahr.

In den Händen Berengars - Kerkerhaft und Flucht

Adelheid widersetzt sich Berengars Willen, durch eine erneute Heirat dem Hause Ivrea die Herrschaft über Italien zu verschaffen. Sie flieht auf die Burg von Como, fällt am 20. April 951 aber dort Berengar in die Hände, der sich inzwischen selbstherrlich zum König von Italien krönen lassen hat. Berengar sperrt sie zunächst in Como, dann in Garda in ein Burgverließ. Durch eine in den historischen Quellen als abenteuerlich beschriebene Flucht am 20. August 951 kann sie sich zum Bischof von Canossa retten. Im "Merseburger Nekrolog" - der Hausbibel der Ottonen - sind die Daten von Beginn und Ende der Gefangenschaft Adelheids vermerkt. Das wertvolle Pergament liegt heute in der Domstiftsbibliothek von Merseburg.

Otto der Große als Retter

Etwa zur Zeit der Flucht zieht Otto I. kampflos in Pavia ein, Berengar hat bereits die Waffen gestreckt und ist geflohen. Otto, dessen Familie der Adelheids seit Generationen in Freundschaft verbunden ist, war mit seinem Heer nach Italien aufgebrochen, um ordnend in die burgundisch-italienischen Verhältnisse einzugreifen. Seit fünf Jahren Witwer und auf der Suche nach einer standesgemäßen Gemahlin hat er wahrscheinlich auch eine Hochzeit mit Adelheid im Blick. Denn mit Adelheid als Erbin des italienischen Thrones wäre Otto nicht nur König von Italien, sondern nach spätkarolingischer Tradition auch Anwärter auf die Kaiserwürde. Tatsächlich nimmt Adelheid die kostbaren Geschenke, die ihr Otto als Brautwerbung zukommen lässt, an. Am 9. Oktober 951 heiratet sie den 20 Jahre älteren Sachsenkönig in Pavia.

Ein Thronfolger wird geboren

954 wird Adelheids Tochter Mathilde, die spätere Äbtissin von Quedlinburg geboren. Ein Jahr später bringt Adelheid Otto II. zur Welt, dessen Anwartschaft auf den ottonischen Thron mit dem plötzlichen Tod von Ottos Sohn Liudolf aus erster Ehe, der aus Angst um seine Thronnachfolge das Reich durch einen Aufstand in eine existenzbedrohende Krise gestürzt hatte, besiegelt ist.

Adelheid als Schlüssel zur romanischen Welt

Vielmehr noch als ihre Vorgängerinnen im sächsischen Königshaus ist Adelheid bestrebt, jenseits der traditionellen Rolle der Frau ein gewichtiges Wort in der Regierung des Reiches mitzureden. In der Kanzlei ist sie genauso viel beschäftigt wie der König. In mehr als 90 Urkunden Ottos interveniert sie für Bittsteller aus allen Teilen des Reiches. Als Sprecherin des altfranzösischen, italienischen, lateinischen und mindestens eines oberdeutschen Dialektes ist sie Dolmetscherin des Königs, wenn ausländische Gäste am Hof empfangen werden. Vor allem aber ist sie für Otto durch ihre Verbindungen und ihr Wissen um die Machtverhältnisse im "Regnum Italiae" von unschätzbarem Wert, da sie ihm den Weg zur Kaiserkrone ebnen kann.

Auf dem Höhepunkt der Macht

959 erreicht Otto ein Hilfegesuch von Papst Johannes XII. Er bittet den fränkischen Herrscher nach Rom zu kommen, um ihn vor der Gewaltherrschaft Berengars zu schützen. Im Gegenzug bietet er dem fränkischen König die Kaiserkrone an. 960 gibt Otto seinen Streitkräften das Signal zum Aufbruch über die Alpen; Adelheid begleitet ihn. Am 2. Februar 962 wird sie – eine sensationelle Neuerung – nach einem eigens für die Königin angefertigten Krönungsordo, an dessen Konzeption sie, wie Historiker vermuten, selbst mitgewirkt haben soll, zur Kaiserin geweiht. Dass Adelheid maßgeblichen Anteil an der Erneuerung des weströmischen Kaisertums hatte, zeigt eine - kurze Zeit nach der Krönung - ausgestellte Urkunde, in der ihr Otto, wie einst Adelheids erster Mann Lothar, das "consortium regni", die Mitherrschaft im Reich, zuerkennt.

Die byzantinische Konkurrentin: Theophanu

Nach dem Tod Ottos I., im Jahr 973 wird Adelheid wichtigste Ratgeberin ihres Sohnes Otto II. und reist weiterhin mit dem Kaiserhof durchs Land. Doch schon bald zeigt sich Ottos Gemahlin, die Byzantinerin Theophanu, ihren Aufgaben als Kaiserin des Ostfrankenreiches gewachsen. So gerät sie mehrfach in Konflikt mit ihrer Schwiegermutter Adelheid - wegen deren Begünstigung eines bayrischen Herzoges, der einen Aufstand gegen den Kaiser plante oder wegen Adelheids großzügigen Schenkungen von Reichsgut an kirchliche Institutionen. In Dornburg an der Saale kommt es zum Bruch zwischen Adelheid und dem Kaiserpaar. Adelheid zieht sich nach Pavia zurück und übernimmt dort die den italienischen Reichsteil betreffenden Geschäfte.

Adelheid rettet die Dynastie

Als Otto II. 983 jedoch bereits 28-jährig auf einem Feldzug gegen die Sarazenen stirbt, tritt Adelheid erneut ins Zentrum der Reichspolitik. Zusammen mit Theophanu rettet sie den erst drei Jahre alten Thronfolger Otto III. aus den Händen des nach der Königskrone trachtenden bayrischen Herzogs Heinrich des Zänkers. Als dann auch noch Theophanu plötzlich verstirbt, ist Adelheid schließlich alleiniger Vormund ihres Enkels. Mit Entschlossenheit und diplomatischem Geschick gelingt es ihr, sich im politischen Ränkespiel zu behaupten und Otto die Krone zu sichern. Mit dessen Volljährigkeit zieht sie sich – im Alter zunehmend fromm geworden – in die von ihr gegründete elsässische Abtei Seltz zurück, in der sie in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 999 nach einer Pilgerreise durch Burgund stirbt.

"Edelste Kraftspenderin der Könige"

Ihr Titel "impeatrix augusta" – hehre Kaiserin – ist ihr bis zum Schluss nicht streitig gemacht worden. Der Dichter Froumund von Tegernsee nennt sie, die die gesamte Herrscherabfolge der Ottonenkaiser begleitet hat, in einem Brief "edelste Kraftspenderin der Könige und der Reiche". Mit der Kaiserkrönung Otto III. war ihr Auftrag, die ottonische Kaiserlinie fortzuführen, erfüllt. Doch zugleich erweitert sie in dieser bald 50 Jahre währenden Regentschaft auch den gesamten politischen und kulturellen Horizont der ottonischen Welt.

Schon bald nach ihrem Tod wird sie gepriesen: "Nicht eine war vordem ihr gleich" – so beginnt Abt Odilo von Cluny, ein vertrauter Freund der Kaiserin, sein "Epitaphium Adaleidae". Papst Urban II. spricht Adelheid, deren Grab nach mehreren Berichten über Wunderheilungen von Kranken zu einer Wallfahrtsstätte geworden war, 1097 heilig.