10. Jahrhundert Mittelalter-Comics auf Schloss Rochlitz

13. Oktober 2015, 14:25 Uhr

Wenn Schloss Rochlitz im schönen Muldental Ende April wieder seine Tore öffnet, dann kann es mit einer kleinen Sensation aufwarten: Mit gekritzelten Zeichnungen von Wettinerprinzen, die mehr als 500 Jahre unter Putz verborgen waren. Zusammen ergeben sie die "Mittelalter-Comics" aus Rochlitz. Jan Köpper hat sie für uns animiert.

Als die Restauratoren der staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten GmbH Sachsen unter Putz verborgene Wandkritzeleien fanden, trauten sie ihren Augen kaum. Welcher Schmutzfink kann es gewagt haben, die Wände des im 15. Jahrhundert entstandenen Schloss Rochlitz bekritzelt zu haben? Das Schloss, das aus einer aus dem 10. Jahrhundert stammenden Burg hervorgegangen ist, diente schließlich als Prinzenhof für den Nachwuchs der Wettiner.

Graffiti ist ja immer so eine Sache - wenn man heute aus dem Hause tritt und es hat jemand selbiges an die Hauswand gemalt, ärgert man sich. Wenn viele Jahrhunderte dazwischen liegen, wird es zur kulturhistorischen Sensation. Gerade so etwas wie die Entdeckung der Putzritzzeichnungen war natürlich ein Highlight.

Peter Knierriem, Schloss Rochlitz

Kunsthistorische Sensation

Was leicht mit bloßen Kritzeleien verwechselt werden könnte, entpuppte sich als kunsthistorische Sensation. Die lustigen Einkerbungen sind, so wissen die Experten rasch, von Kinderhand. Junge, aber gebildete Menschen mussten hier am Werk gewesen sein und von denen gab es im Mittelalter nicht sehr viele.

Narrenhände beschmieren Tisch und Wände - das ist also eine gängige Praxis über viele Jahrhunderte gewesen. Wir haben das sonst in untergeordneten Bereichen, also in Aborten, in Wachstuben und in Gefängniszellen. Allerdings hebt sich hier der dargestellte Inhalt doch von den sonstigen Dingen durchaus ab.

Stefan Reuther, Restaurator

Kriegerische Motive schmücken die Wände. Ein Ritter hier, eine Kanone dort, ein aufgeschlagenes Feldlager einen Meter weiter. Wappen, Schilde, Lanzenreiter, das ganze Sammelsurium spätmittelalterlicher Ritterspiele. Bis vor kurzem verborgen unter zehn Schichten Wandputz und zugedeckt mit dem Mantel des Vergessens.

Kritzeleien von adliger Hand

Es sind nicht allein die Kritzeleien, die ihre Urheber preisgeben. Durch bauliche Veränderungen, die sich heute noch für die Experten nachvollziehen lassen, werden die vermeintlichen Schmutzfinken enttarnt.

Es handelt sich um niemand geringeren als Friedrich den Weisen und Johann den Beständigen, die späteren Herrscher von Sachsen und Coburg. Sie erhielten auf Schloss Rochlitz ihre Prinzenausbildung.

Im Zentrum steht die ritterliche Ausbildung, der Fürst wird ausgebildet zu einem Elitekämpfer, auch persönlich. Und Teil dieser Ausbildung im späten 15. Jahrhundert ist aber auch bereits dieser Anteil an wissenschaftlicher Ausbildung. Lesen und schreiben gehört jetzt schon zum festen Bestandteil dazu. Das war 100 Jahre zuvor nicht selbstverständlich. Jetzt kommt ein Fürst in seiner Regierungspraxis nicht mehr aus ohne lesen und schreiben zu können.

André Thieme, Landeshistoriker

Die Kritzeleien bieten auf diese Weise einen einmaligen Einblick in die Lebenswelt der jungen Prinzen und späteren Herrscher. So wird ersichtlich, dass sie sich auch mit Wörtern, Reimen und Textblöcken an den Wänden ihrer Kinderstube verewigt hatten. Ein ganzer Stundenplan ist zu finden. Deutsch, Mathematik, Latein und Religion wurde auf Schloss Rochlitz gelehrt.

So kann einwandfrei nachgewiesen werden, dass die Sachsenprinzen schon in ihrer Jugend die lateinische Bibel lesen konnten und sich mit der Religion beschäftigten. Beide wurden als Herrscher zu den Förderern Martin Luthers und halfen dabei, den reformatorischen Gedanken zu verbreiten. Der Grundstein für diesen mutigen Lebensweg der sächsischen Kurfürsten wurde auf Schloss Rochlitz gelegt.