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Baustelle des Leipziger Völkerschlachtdenkmals Anfang des 20. Jahrhunderts. Bildrechte: IMAGO / piemags

Von der Schlacht zum Denkmal

26. Oktober 2010, 20:13 Uhr

Genau 100 Jahre nach der Völkerschlacht weihte Kaiser Wilhelm II. das kolossale Monument als ein deutsches Nationaldenkmal ein. Finanziert wurde es aus Spenden der Bürger und errichtet vor allem aus Beton. Seit 1913 wurde das Denkmal immer auch ideologisch in Beschlag genommen. Daneben ist es bis heute das Wahrzeichen Leipzigs und eine touristische Attraktion.

Mitte Oktober 1813 wurde bei Leipzig Weltgeschichte geschrieben. In der ersten Massenschlacht der Neuzeit kämpften über eine halbe Million Soldaten aus allen Teilen Europas um die politische Zukunft und die territoriale Aufteilung des Kontinents.

Die entscheidende Schlacht am 18. Oktober bei Probstheida endete mit einer Niederlage der Truppen Napoleons. Die verbündeten Armeen Russlands, Preußens, Österreichs und Schwedens zwangen ihn zum Rückzug und läuteten damit das Ende seiner Vorherrschaft über Europa ein.

Doch der Preis dafür war hoch. Innerhalb von nur vier Tagen verloren weit über 100.000 Soldaten ihr Leben. Zehntausende Schwerverwundete starben noch Wochen nach der Schlacht an Kälte und Unterernährung. Über ein Zehntel der Einwohner Leipzigs fielen einer Typhus-Epidemie zum Opfer.

"Groß und herrlich ... wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom zu Köln"

Der Dichter Ernst Moritz Arndt, der selbst an den Kämpfen teilgenommen hatte, regte schon 1814 an, ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen zu errichten "groß und herrlich ... wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom zu Köln". Der sächsische König, der an Napoleons Seite die Völkerschlacht verloren hatte (wofür er nach dem Wiener Kongress fast 60 Prozent des Landes an den Sieger Preußen abtreten musste), verbot 1815 jegliche Erinnerungsfeiern. 1816 stellte Gottfried Schinkel seinen Entwurf eines "Nationaldoms aller Deutschen" vor. Doch die Idee eines einheitlichen Deutschland fand bei den Fürsten der vielen Klein- und Kleinststaaten wenig Anklang.

1863, ein halbes Jahrhundert nach der Völkerschlacht, legten Vertreter von 240 deutschen Städten in Leipzig den Grundstein für ein Nationaldenkmal. Für den Bau aber fehlte das Geld. 1894 gründete der Leipziger Architekt Clemens Thieme den "Deutschen Patriotenbund zur Errichtung eines Völkerschlacht-Nationaldenkmals", dem es schließlich gelang, vier Fünftel der Baukosten von sechs Millionen Goldmark durch Spenden und Lotterie-Einnahmen aufzubringen. Aus dem Wettbewerb um den künstlerischen Entwurf ging Bruno Schmitz als Sieger hervor, Schöpfer der Denkmale am Kyffhäuser, an der Porta Westfalica und am Deutschen Eck bei Koblenz und zu dieser Zeit Deutschlands prominentester Monumental-Architekt.

Archaische Gestalt - moderne Technologie

1898 begannen die Bauarbeiten. Der Patriotenbund hatte sich vorgenommen, ein archaisch anmutendes, wie aus grauer Vorzeit stammendes Denkmal zu errichten. Typisch deutsch sollte es sein, ohne stilistische Anleihen bei Klassizismus, italienischer Renaissance oder französischem Barock. In dieser Richtung nahm Clemens Thieme denn auch Einfluss auf den Entwurf von Bruno Schmitz. Bemerkenswert ist dabei, dass das auf Initiative Leipziger Bürger gebaute Denkmal weniger ein Siegesdenkmal, als ein Mahnmal für die Gefallenen darstellte, und auf eine Huldigung an den Kaiser verzichtete.

Über 80.000 Kubikmeter Erde wurden ausgehoben, 26.500 Granitporphyr-Blöcke verbaut, über 200.000 Tonnen Stampf- und Stahlbeton verarbeitet. Das äußerlich so archaisch anmutende Monument ist einer der ersten Stampfbetonbauten der Welt und ein bedeutendes technisches Denkmal des frühen 20. Jahrhunderts. Die Krypta ruht auf 65 Betonpfeilern 26 Meter über der Fundamentplatte. Für die Wall-Anlagen schüttete die Stadt Leipzig 10 Jahre lang fast 1 Million Kubikmeter Schutt und Hausmüll auf.

Ideologische Benutzung des Denkmals

Nach 15-jähriger Bauzeit wurde das Völkerschlachtdenkmal am 18. Oktober 1913 im Beisein des deutschen Kaisers und des sächsischen Königs eingeweiht. Anwesend waren auch die Monarchen von Schweden, Österreich und Russland. Nicht eingeladen war Frankreich. Patriotische Erinnerung als Mittel der ideologischen Aufrüstung wurde von da an mit Vorliebe am Denkmal zelebriert. Ab 1914 in Form von Fahnenweihen, Reichskriegertag, Bittgottesdiensten für die deutschen Waffen. 1918 folgten Gedenkfeiern für die Gefallenen des ersten Weltkrieges. Später nahmen die Nazis das Denkmal in Dienst, um Kampfgeist und Opfermut des Volkes im Sinne ihrer Eroberungspläne anzustacheln. Zu DDR-Zeiten schließlich wurde das Völkerschlachtdenkmal zum Symbol deutsch-russischer Waffenbrüderschaft umgedeutet.

Im Inneren des dreigeteilten Kuppelbaus befindet sich unten eine Krypta, umgeben von überdimensionalen steinernen Totenmasken und lebensgroßen Wächterfiguren als symbolisches Grabmal der Gefallenen. Darüber erhebt sich die Ruhmeshalle mit vier Kolossalfiguren, die Tugenden des deutschen Volkes in den Befreiungskriegen darstellen sollen: Tapferkeit, Glaubensstärke, Volkskraft und Opferfreudigkeit. Kleine Figurengruppen an den Rundbogenfenstern stehen für die Trauer der Hinterbliebenen. Dagegen symbolisieren die 324 Reiter an der 68 Meter hohen Kuppel die Heimkehr der Sieger. Außen an der Krone des Denkmals stehen, auf ihr Schwert gestützt, zwölf Freiheitswächter. Jede Figur ist 13 Meter groß. Über ihnen bietet eine Aussichtsplattform 200 Menschen Platz.

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