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07.02.1807: Die Dunkelgräfin trifft in Hildburghausen einEine dunkle Affäre in Hildburghausen

02. November 2007, 11:36 Uhr

Eine tief verschleierte Dame reist in Begleitung eines gewissen Grafen Vavel de Versay und trifft eines Nachts in Hildburghausen ein, ohne am Stadttor kontrolliert zu werden ...

Suchte Frankreichs letzte Königstochter Zuflucht in der thüringischen Provinz? Die Legende hält sich seit mehr als 200 Jahren. Was nährt sie? Zunächst einmal waren die Mutter von Marie Thérèse Charlotte, Marie Antoinette, und die Mutter der späteren Herzogin von Sachsen-Hildburghausen miteinander bekannt. Verbürgt ist ein Besuch in Versailles, die Mädchen spielten miteinander.

Sie (Dunkelgräfin und Dunkelgraf) kamen aus Meiningen und sind über den ganzen Markt zum "Englischen Hof", wo schon ein Quartier vorbereitet war. Und das Seltsame an dieser Ankunft war, dass sie einfach durch das Stadttor gefahren sind, ohne kontrolliert zu werden.

Helga Rühle von Lilienstern, Dunkelgräfin-Forscherin

Die Anhänger der Legende verfolgen die Theorie von der vertauschten Prinzessin, die mit der französischen Revolution Vater, Mutter und Bruder verlor und Jahre lang in Einzelhaft saß, sogar von ihren Wärtern vergewaltigt worden sein soll. Sie fragen: Wäre eine derartig gebrochene junge und entehrte Frau noch in Frage gekommen für eine standesgemäße Ehe? Tatsächlich schreibt die Tante von Marie Thérèse, Königin Marie Karoline von Neapel, in einem undatierten Brief:

Niemand will mit mir von ihrem Unglück sprechen, und das genügt mir zu der Überzeugung, daß sie ihre Ehre verloren hat.

Königin Marie Karoline von Neapel

Und sie ist es auch, die fürchtet, dass nach der für Ende 1795 angekündigten Freilassung nicht Marie Thérèse Charlotte, sondern eine falsche Prinzessin die Reise in die Emigration antreten könnte:

Ich stehe wahre Qualen aus, daß diese Schufte…sich unterstehen, ein junges Mädchen auszuliefern, das gar nicht die Tochter meiner Schwester ist. ... Intrigen aller Art geben mir guten Grund zu dieser Befürchtung, und so bin ich ganz außer mir.

Königin Marie Karoline von Neapel

Eine Reihe deutscher Adelsforscher vermutet wie Thomas Meyhöfer den Onkel der Prinzessin als Drahtzieher einer möglichen Vertauschung. Er argumentiert: Der kinderlose Ludwig hatte seit jeher Ambitionen auf den französischen Thron. Im Kampf um die Königskrone konnte eine in der Haft gebrochene Prinzessin ihm nicht helfen. So tauschte er sie gegen eine geeignete, gefügige Doppelgängerin aus.

Er soll ein großes Interesse an ihrem Vermögen gehabt haben, sie war ja die Alleinerbin des Bourbonen-Vermögens. Außerdem meinte man damals, dass derjenige, der 'Madame Royale' heiratet, ein Anrecht auf den französischen Thron erwirbt.

Thomas Meyhöfer, Interessenkreis "Madame Royale

Fest steht, nach der Entlassung aus der Haft im Pariser Gefängnis "Temple" trifft Ende 1795 eine ganz und gar nicht gebrochene junge Frau bei den Habsburger Verwandten in Wien ein. Sie weigert sich strikt, einen Habsburger zu heiraten, der so Einfluss auf den französischen Thron gewinnen würde. Statt dessen ehelicht sie am 10. Juni 1799 den Herzog von Angoulême, den Neffen Ludwigs, im lettischen Exil. Und genau im Jahr der Hochzeit taucht an den verschiedensten Orten in Europa jenes geheimnisvolle Paar auf, das große Neugier auf sich zieht und schließlich am 7. Februar 1807 in Hildburghausen ankommt.

Unter besonderem Schutz?

Die streng verschleierte Dame reist in Begleitung eines gewissen Grafen Vavel de Versay, seine Identität wurde durch den deutschen Forscher Armin Human als die des Cornelius van der Valck entschlüsselt. Der Holländer stand als Diplomat in französischen Diensten. Ein denkbar schlechter Beschützer für eine bourbonische Prinzessin, meint Thomas Meyhöfer:

Denn nach allem, was wir von ihm wissen, war er ein ausgewiesener Anhänger der Revolution. 1792 begab er sich nach Frankreich ... Er trat in die Revolutionsarmee ein und kämpfte lange Zeit für die Ideale der Republik und der Revolution.

Thomas Meyhöfer, Interessenkreis "Madame Royale

Dokumente im Schriftvergleich

Der Experte argumentiert weiter, dass auch der Aufenthaltsort für eine bourbonische Prinzessin sehr unklug gewählt gewesen wäre, da das Herzogtum Sachsen-Hildburghausen damals gerade dem Rheinbund beigetreten sei und damit dem Diktat Napoleons, also dem Widersacher der französischen Monarchie unterstanden habe.

Bald nach der Ankunft zieht das geheimnisvolle Paar jedenfalls ins Haus der Witwe Radefeld. Persönlich bürgt die Herzogin für die Mieter. Streng soll es dem Personal verboten gewesen sein, der Dame ins Gesicht zu schauen, die auch besonders lärmempfindlich zu sein scheint. Mögliche Folgen einer Gefängnishaft? Am Ende verbietet der Graf gar das Lachen im Haus. Er scheint ihr jede Befindlichkeit, jede Verstimmung von den Augen abzulesen. Sie dankt ihm mit Liebe. Es existiert ein Geburtstagsbrief in deutscher Sprache, von dem der Grafologe Christfried Weymann aber sagt, die Schrift stimme nicht mit der von Marie Thérèse Charlotte überein.

Verbürgt ist, 1810 zieht das Paar ins Schloss Eishausen, versteckt gelegen, in der Nähe von Hildburghausen - heute existiert es nur noch als Modell. Aus Paris sollen dort regelmäßig Modejournale und Kleider eingetroffen sein. Auch wurde nach dem Tod des Paares im Schloss Eishausen ein Schreibtischchen mit Bourbonenwappen und Lilienintarsien entdeckt, führt die Dunkelgräfin-Forscherin Helga Rühle von Lilienstern an. Experte Thomas Meyhöfer widerspricht, er sieht beim Wappen Abweichungen vom französischen Original.

1812 stirbt die Schutzpatronin des Paares, Herzogin Charlotte von Sachsen- Hildburghausen, 1826 verlegt Herzog Friedrich seinen Regierungssitz. Eine Katastrophe scheint sich für das mysteriöse Paar anzubahnen: Ein Schutzbrief des Herzogs von Sachsen-Hildburghausen wird für sie zur Rettung. Die Abschrift liegt im Thüringer Staatsarchiv in Meiningen.

Wir ... geben die Versicherung, daß ihm unser besonderer Schutz gewährt wird … Wir werden niemals gestatten/ daß ihm irgendeine Unannehmlichkeit verursacht wird.

Aus dem Schutzbrief

Ausgestellt wurde er wohl, weil der Graf sein Geheimnis mit hohem finanziellem Einsatz schützte und so zum Wohltäter für das hoch verschuldete Herzogtum wurde:

Das Herzogtum Sachsen-Hildburghausen war seit Jahrzehnten hoch verschuldet und Van der Valck war durch eine Erbschaft 1799 ein wohlhabender Mann. Herzog Friedrich wird sich durch die Aufnahme also eine gewisse wirtschaftliche Belebung versprochen haben. Und er sollte auch nicht enttäuscht werden, denn van der Valck hat in den 35 Jahren seines Aufenthaltes eine Summe von etwa 300.000 bis 500.000 Gulden ausgegeben, was heute
einer Summe von 10 bis
20 Millionen Euro entspräche.

Thomas Meyhöfer, Interessenkreis "Madame Royale

Das Grab wahrt weiter ein Geheimnis

Dafür spricht: Hildburghausen erhebt den Grafen zum Ehrenbürger, seine Gefährtin erhält ein Haus am Rande der Stadt. Es wird zum Lieblingsort der Dunkelgräfin. Doch lange kann sie es nicht genießen. Am 25. November 1837 stirbt sie und wird an ihrem Lieblingsplatz neben dem Haus in Hildburghausen beigesetzt. Für das Sterberegister gibt der Graf an: 58 Jahre, bürgerlichen Standes, geboren in Westfalen, Name: Sophia Botta.
Die Kirchenbehörde trägt nur den Vornamen ein. Mit Sophie wurde auch der seltsame Geburtstagsbrief an den Grafen unterzeichnet und unter dem Pseudonym Sophie, Sophie Méchain, reiste einst Prinzessin Marie Therese von Paris nach Wien. Doch noch ein Indiz für die Vertauschungstheorie?

Für mich gibt es keinen Austausch, alle dafür gebrachten Argumente sind ein wenig von der Art, ein Mann, hat einen Mann gesehen, der einen Mann gesehen hat, der sich sicher war… Es gibt nichts Konkretes.

Hélène Becquet, französische Historikerin

Acht Jahre nach seiner Gefährtin stirbt jedenfalls auch Vavel de Versay alias van der Valck, der Dunkelgraf, in Eishausen.

Fazit: Frankreichs letzte Königstochter war die Dunkelgräfin ganz sicher nicht. Vielleicht war sie einfach nur die bürgerliche Geliebte des Grafen, zu der er sich nicht öffentlich bekennen wollte.
Vielleicht trug die Dunkelgräfin den Schleier gegen ihre Lichtallergie. Vermuten kann man vieles. Wer sich wirklich hinter dem Schleier verbarg, bleibt ein Geheimnis.