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"Internationaler Tag gegen Hexenwahn" am 10. AugustHexenhammer, Laienspiegel und Luther: Die Geschichte der Hexenverfolgung

10. August 2020, 10:52 Uhr

Am 10. August ist der erste "Internationale Tag gegen Hexenwahn". Es ist kein Thema der Vergangenheit. Noch heute werden in 40 Ländern der Welt Frauen als vermeintliche Hexen beschuldigt und in vielen Fällen getötet. Doch der Wahn hat seinen Ursprung in der frühen Neuzeit. Die Hexenprozesse fanden nach genauen Vorschriften statt. Doch wie gelangten die in die damaligen Rechtsbücher? Und wieso war gerade Deutschland ein Zentrum der Hexenverfolgung?

Deutscher Holzschnitt, der einen Dämonen zeigt, der die Seele einer hingerichteten Hexe davonträgt. Spätes 16. Jahrhundert. Bildrechte: imago images / United Archives International

Immer wieder gab es im Laufe der Jahrhunderte, vor allem zwischen 1450 und 1750, Wellen der Hexenverfolgung, die auch wieder abebbten. Seinen Höhepunkt erreichte der Hexenwahn zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert. In Rom teilte man zwar den Hexenglauben jener Zeit, doch in Sachen groß angelegter Hexenverfolgung war der Vatikan im Gegensatz zum Volk und den Kirchenoberen in der Provinz eher zurückhaltend. Vielmehr kam es gerade in Regionen, in denen der neue protestantische Glauben die Oberhand gewonnen hatte, zu einer Vielzahl von Prozessen.

"Hexenbulle" und "Hexenhammer"

Als Grundlage diente den frühen Hexenjägern ein Erlass von Papst Innozenz VIII. aus dem Jahr 1484, die sogenannte "Hexenbulle". Darauf schien Inquisitor Heinrich Kramer nur gewartet zu haben. Er berief sich darauf und verfasste seinen "Hexenhammer": Der "Malleus maleficarum" (1486/87) gilt als das erste gedruckte "Handbuch", das genau beschreibt, was eine Hexe ist und welchen Schaden sie mit ihren magischen Handlungen anrichten kann. Er selbst war überzeugt, dass der Teufel eine Hexensekte leite, deren Ziel es sei, das Ende der Welt herbeizuführen.

Vor allem Frauen kamen als Täterinnen in Frage

Angesichts der grassierenden Seuchen und Hungersnöte mit Beginn der sogenannten Kleinen Eiszeit trafen seine Beschreibungen des Schadenszaubers wohl auch den Nerv der Zeit. Obwohl auf Latein verfasst, verbreiteten sich Kramers Vorstellungen bald überall.

Vor allem Frauen kamen für ihn als "Täterinnen" in Frage, da sie "unvollkommen an Leib, Seele und Geist" seien, "leicht beeinflussbar" und "triebhaft". Sein Buch, das 30 Auflagen erlebte, und in Klosterbibliotheken und Amtsstuben gleichermaßen landete, wurde für lange Zeit zur juristischen Grundlage vieler Hexenprozesse. Kramer selbst rühmte sich, mehr als 200 Hexen überführt zu haben.

Ich glaube, die Leute damals, die Unterschichten wie die Oberschichten, glaubten an die Rechtsförmigkeit und Gottgefälligkeit des Verfahrens, bis sie selber in die Verdachtsmaschinerie rein gerieten. Also ich habe in meinen Akten Denunziantinnen und Denunzianten gefunden, die sich vor den Karren des Hexenprozesses spannen ließen und auch selber gespannt haben und aus allen Wolken gefallen sind, als sie urplötzlich von den von ihnen Denunzierten, selber als Retourkutsche denunziert worden sind.

Prof. Dr. Günter Jerouschek, Jurist und Historiker

"Laienspiegel"

Mindestens ebenso bedeutsam war seiner Zeit der "Neue Laienspiegel" (1509/1511), verfasst von Ulrich Tengler. Anders als der "Hexenhammer" war dieses Werk auf Deutsch verfasst. Einfache Ratsherren und Richter, die kein Latein konnten, nahmen den reich bebilderten Laienspiegel als "Gebrauchsanleitung" für Verfahren im Privat-, Straf- und öffentlichem Recht. Schließlich enthielt er auch Einlassungen zur Durchführung eines Hexenprozesses -  Schritt für Schritt erklärt - von der Verhaftung bis zur Hinrichtung.

So wurde der "Neue Laienspiegel" schnell zum einflussreichsten Rechtsbuch der frühen Neuzeit, das den Angeklagten in Hexenprozessen freilich fast alle Rechte absprach: Schwiegen sie zum Beispiel auf eine Frage oder gaben nicht die erwünschte Antwort, hieß es, sie seien verzaubert - ein weiteres Indiz für ihre Schuld.

Die meisten Amtsleute in der frühen Neuzeit waren keine studierten Juristen und wie Zeugenaussagen zu gewichten sind, ob man ein Geständnis braucht zur Verurteilung oder nicht, wie man am Anfang erst Indizien sammelt, bevor man einen Verdächtigen dann inhaftieren kann. Das waren also alles Fragen die der Laienspiegel behandelt hat.

Prof. Dr. Günter Jerouschek, Jurist und Historiker

Luther und die Hexenverfolgungen

Martin Luther war wie Calvin von der Möglichkeit des Teufelspaktes, der Teufelsbuhlschaft und des Schadenszaubers überzeugt und befürwortete die gerichtliche Verfolgung von Zauberern und Hexen. Die Aussage des Alten Testaments "Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen" (2. Mose 22,17) hatte für ihn Gültigkeit. Dies wird in einer Hexenpredigt deutlich, die Luther am 6. Mai 1526 zur Stelle 2. Mose 22,18 hielt. Er verlieh hier seinem tiefen Abscheu vor dem Übel der Hexerei Ausdruck und gab einer gnadenlosen Verurteilung der im Verdacht stehenden Frauen Recht:

"Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann… Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben."

Pro und Contra

Zahlreiche lutherische Theologen, Prediger und Juristen beriefen sich später auf einschlägige Aussagen des großen Reformators. Bis heute finden sich im Kleinen Katechismus von Luther und im reformierten Heidelberger Katechismus Aussagen über Hexerei beziehungsweise Zauberei. Doch es gab auch Gegner. So distanzierte sich der lutherische Theologe und Rektor der Erfurter Universität, Johann Matthäus Meyfart, 1635 in einem Traktat von Calvins und Luthers Aufrufen zur Hexenverbrennung. Der Hallenser Rechtsgelehrte Christian Thomasius forderte 1701 in seiner Schrift "Dissertatio de crimine magiae" die Abschaffung aller Hexenprozesse und der Folter, indem er "Teufelsbündnisse" ad absurdum führte.

Das RechtMit Einführung des fortschrittlichen Reichsrechts, der "Carolina", 1532 wurde die Hexenverfolgung Angelegenheit weltlicher Gerichte. Zudem kursierten der berüchtigte "Hexenhammer" und vor allem der auf Deutsch abgefasste "Laienspiegel" als Handreichungen, woran man Hexen überhaupt erkennen sollte und wie man mit ihnen zu verfahren hat.

Zwischen 1400 und 1800 sollen den Hexenprozessen zwischen 40.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer gefallen sein, vor allem Frauen. Unbekannt ist die Zahl derer, die des Landes verwiesen wurden sowie derjenigen, die während der Folter verstarben oder lebenslang unter deren Folgen litten.

KatechismusAls Katechismus wird ein Handbuch zur Unterweisung in christliche Glaubensfragen verstanden. Alle Ausprägungen des christlichen Glaubens kennen solche Handbücher. Der Reformator Martin Luther hat zum Beispiel zwei solche Bücher geschrieben.