Wer war Karl Marx?

04. März 2021, 20:08 Uhr

"Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus" oder "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" - mit solchen Sätzen ist Karl Marx in Geschichtsbüchern verbunden. Wer war der radikale Denker aus Trier?

Im Jahr 2013 landet Karl Marx, der bärtige Revolutionär, auf dem dritten Platz bei der TV-Ranking-Show "Die größten Deutschen", vor ihm nur Adenauer und Luther. Für viele war es eine faustdicke Überraschung, dass ausgerechnet dieser ausgewiesene Bürgerschreck und Klassenkämpfer auf einem Podestplatz landete. Ein Mann, der sich mit Sätzen wie "Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus" oder "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" in den Geschichtsbüchern verewigt hat.

Karl Marx zählt ganz sicher zu den radikalsten Denkern "made in Germany". Nachdem seine Theorie vom Kommunismus nach dem Ende des Kalten Krieges als großer Irrtum ad acta gelegt worden war, ist er inzwischen für eine neue Generation von Philosophen, Künstlern und politischen Aktivisten wieder interessant. Sie suchen Antworten, ob es eine Alternative zum Kapitalismus gibt, seit die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 das Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat.

Wer war dieser Karl Marx, der bis heute die Gemüter erregt?

Marx wusste schon sehr früh, was er will: Die ganze kapitalistische Welt aus den Angeln heben. Sein Werk, das er hinterlassen hat, ist gewaltig und voller Sprengkraft. Geboren am 5. Mai 1818 als Sohn eines Rechtsanwalts in Trier, beginnt der junge Karl 1835 zu studieren. Philosophie und Geschichte, ab 1836 Jura in Berlin. Der feudale Mief in Preußen missfällt dem politisch denkenden Marx. Er schließt sich den sogenannten Linkshegelianern an. Das war eine oppositionelle Bewegung, die sich zum Beispiel mit Problemen wie Armut und staatlicher Zensur auseinandersetzte. Die Geheimpolizei beginnt, sich mit dem bärtigen Revolutionär zu befassen.

Radikale Ideen, radikale Reaktion

Seine geplante Akademiker-Laufbahn kann er vergessen. Sein erster Job als Journalist bei der "Rheinischen Zeitung" ab 1842 in Köln erweist sich als kurzes Zwischenspiel. Das Blatt, das unter seinem Einfluss radikale revolutionäre Ideen veröffentlicht, wird als schwerer Angriff auf die Monarchie eingestuft und im März 1843 eingestellt, die Artikel verboten.

Marx in Paris

1843 zieht er mit Ehefrau Jenny nach Paris. Dort studiert er den Sozialismus und Kommunismus und beginnt eine enge Zusammenarbeit mit dem Fabrikantensohn Friedrich Engels. Die preußische Regierung verlangt seine Ausweisung und Marx muss nach Brüssel gehen. Engels folgt ihm. Gemeinsam gründen sie in Brüssel den "Deutschen Arbeiter Bildungsverein". Dort beauftragt sie der spätere Londoner Bund der Kommunisten damit, eine Programmschrift zu erarbeiten. Daraus soll das berühmte Kommunistische Manifest werden - ein Aufruf zum Klassenkampf an das internationale Proletariat, seine Ketten zu sprengen. Auch Belgien will den Aufrührer loswerden - Marx wird verhaftet und ausgewiesen. Im Revolutionsjahr 1848 zieht er zurück nach Köln, von Köln wieder nach Paris. Schließlich muss er 1849 von Paris ins englische Exil emigrieren. Nach sechs aufreibenden Jahren "auf dem Sprung", ist London die Endstation des inzwischen staatenlosen Unruhestifters.

Marx' englische Zeiten    

Der erste Unterschlupf, den Marx in London auftreibt, ist eng und karg. Zum Haushalt gehören seine Frau Jenny, die Kinder und ein Hausmädchen. Ohne Gönner und Weggefährten wie den besser betuchten Friedrich Engels, der mit der Firma seines Vaters in Manchester gutes Geld verdient und ihm immer wieder finanziell unter die Arme greift, hätte Marx kaum so intensiv arbeiten können. Fast zehn Jahre lang wird Marx sich nun den Kopf darüber zerbrechen, wie der Kapitalismus als ökonomisches System funktioniert. Die industrielle Revolution hatte die Gesellschaft und Lebensverhältnisse total verändert: Die Fabrikbesitzer wurden reicher, die große Masse der Arbeiter aber blieb arm.

Wie funktioniert dieses System, wie kann es aus den Angeln gehoben werden?

1867 ist es dann vollbracht. "Das Kapital", Karl Marx' Hauptwerk, ist gedruckt: "Das Kapital" Band 1. Das Buch ist ein Wälzer, ein akademisches Werk von 995 Seiten. Im Oktober 1867 verkündet Marx in einem Brief triumphierend: "Es ist sicher das furchtbarste Geschoss, das den Bürgern noch an den Kopf geschleudert worden ist." Die Resonanz hält sich allerdings in Grenzen. Erst nach vier Jahren sind schließlich 1.000 Exemplare verkauft.

Der geschulte Dialektiker Marx blickt darin tief in das Getriebe der kapitalistischen Waren-Gesellschaft. Die "Kritik der Politischen Ökonomie", wie es im Untertitel heißt, steht unter anderem für die grundsätzliche Kritik der kapitalistischen Produktionsweise. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist nach Marx dabei die Quelle allen Übels. Sie führt zur sogenannten Klassengesellschaft und schafft nur dem Besitzer einen Mehrwert, von dem der Arbeiter nichts hat. Nur ein gewaltsamer Umsturz kann nach Marx den Kreislauf beenden.

Aber der Autor lässt nicht erkennen, wie es weiter gehen kann in Richtung Kommunismus, wenn der Kapitalismus einmal abgeschafft sein sollte. Über dieses rätselhafte "Danach" ist nichts Konkretes zu lesen, statt dessen vage Spekulationen und Andeutungen. Von der "Diktatur des Proletariats" als Übergangsphase ist die Rede. Neben seinen theoretischen Schriften, engagiert sich Marx vor allem für die Organisation der internationalen Arbeiterbewegung und beteiligt sich zum Beispiel 1864 sich an der Gründung der "Erste Internationale". Doch sein Schaffen wird zunehmend von Krankheiten eingeschränkt. Am 14. März 1883 stirbt Karl Marx im Alter von 64 Jahren in London.

Die Diktatur des Proletariats

Auf diese vage Vision werden sich später alle möglichen Nachkommen, Erben und Erbschleicher beziehen. Theoretiker, Praktiker, Politiker: Lenin wird der erste sein, der Ernst macht, mit der "Diktatur des Proletariats".

Marx und die DDR

Für die DDR ist Marx von Anfang an ein Politikum ersten Ranges, Marx-Kult inklusive. Karl-Marx-Straßen, -Plätze, -Alleen. Schulen, Betriebe, Kindergärten, Kasernen, Bahnhöfe, Bergwerke, Schiffe, Brigaden, Kulturhäuser, die Universität in Leipzig. Scheinbar überall steht Marx drauf.

Chemnitz wird sogar 1953 zu Karl-Marx-Stadt umgetauft, 1971 gibt es noch einen Nachschlag, seither thront eine monumentale Marx-Skulptur im Zentrum der Stadt, im Volksmund ist vom "Nischl" die Rede. In Leipzig steht 1987 eine Welt-Premiere an: Marx als Riesen-Puzzle. Tausende "Bildermacher" recken auf der Osttribüne des Zentralstadions auf Kommando ihre kolorierten Fähnchen in die Höhe. Das Ergebnis: ein bunter bärtiger Marx-Kopf.

Doch nur zwei Jahre später liegt der Sozialismus plötzlich auf der Müllhalde der Geschichte. Ein Experiment wird entsorgt und mit ihm die Symbole und Ikonen ihres Scheiterns. Der Name Marx verschwindet. Straßen werden umbenannt, Plätze, Schulen, Brigaden. Karl-Marx-Stadt nennt sich wieder Chemnitz.

Und Marx im vereinten Deutschland?

Der Sturm der Wende hat sich gelegt, einige Marx-Monumente sind geblieben. Der "Nischl" in Chemnitz ist immer noch der zweitgrößte Bronze-Kopf der Welt und schaut weiter mit ernstem Gesicht -  in die "blühenden Landschaften des Ostens". Marx' Geburtsort Trier ist zu einer kuriosen Pilgerstätte geworden: Mehr als 10.000 Chinesen pilgern alljährlich ins Marx-Haus. Für sie bleibt der Name des deutschen Denkers positiv besetzt, auch wenn sich der Zusammenhang zwischen Marx, Marxismus und dem chinesischen Wirtschaftboom nicht wirklich erschließt.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: MDR KULTUR: Karl Marx wieder in Mode? | 17.02.2017 | 08:10 Uhr

(zuerst veröffentlicht am 05.05.2017)