Interview mit Thomas Globig Die Wetterkarte im Wandel

01. März 2021, 05:00 Uhr

Der 1. März 1960 schrieb ein kleines Stück deutsche Fernsehgeschichte. An diesem Tag präsentierte die ARD im Anschluss an die Tagesschau das erste Mal die Wetterkarte in Form eines 60-sekündigen Zeichentrickfilms. Sie zu erstellen, war damals eine mühsame Angelegenheiten, die einige Stunden Arbeit erforderte. Heute sind Wetterkarten im Ersten und im MDR ausgeklügelte Computergrafiken.

Seit 2013 ist Meteorologe Thomas Globig das Gesicht des Wetterberichts im Mitteldeutschen Rundfunk. Als gebürtiger Berliner machte er ab 1977 eine Ausbildung zum Wetterdiensttechniker am Meteorologischen Institut der Freien Universität in West-Berlin. Jahrelang versorgte er die Stadt und das Umland mit Wetterprognosen, ehe er nach der Wende begann, vor der Kamera Wetterberichte und Wettervorhersagen zu moderieren.

Sie haben zwar am Meteorologischen Institut in West-Berlin gearbeitet, aber Wetterprognosen für die gesamte Stadt erarbeitet. Inwiefern hatten Sie dabei Kontakt mit Ihren Kollegen aus der DDR?

Unsere Wettervorhersagen betrafen damals nicht nur den Raum Berlin, sondern der Einzugsbereich erstreckte sich von der Ostseeküste bis zu den Mittelgebirgen, also im Prinzip auf das gesamte Staatsgebiet der DDR. Wir standen entsprechend oft in Kontakt mit den Kollegen des Meteorologischen Dienstes der DDR in Potsdam, so weit ist der Eiserne Vorhang dann doch nicht vorgedrungen. Viele DDR-Bürger haben wohl auch unsere Wetterberichte gehört, die in Westsendern wie dem Sender Freies Berlin oder dem RIAS zu hören waren. Für mich selbst war es schon als angehender Meteorologe ein absolutes Muss, mir die Wetterprognosen im DDR-Fernsehen anzuschauen. Dort gab es schon in den 1960er-Jahren einen moderierten Wetterbericht.

Seit über 60 Jahren können wir nun schon im Fernsehen eine Wetterkarte nach den Nachrichten sehen. Sie sieht heute aber wahrscheinlich ganz anders aus als die Wetterkarten der 1960er-Jahre?

Die erste Berliner Wetterkarte hat das Institut für Meteorologie bereits 1952 herausgegeben, die gab es zu dieser Zeit nur auf Papier. Auch die ersten Wetterkarten fürs Fernsehen wurden auf Papier gezeichnet. Mit Schablonen hat man dann Sonne, Regen, Schnee und Blitze eingeblendet. Die Karten wurden bei uns aus dem Institut abgeholt und dann in den Fernsehstudios vor die Kameras gestellt. Die Kollegen vom Zweiten Deutschen Fernsehen zeichnete sogar teilweise ihre Wetterkarten entsprechend der Moderation mit Kreide auf eine Tafel, das finde ich heute noch faszinierend! Bei uns im Meteorologischen Institut gab es außerdem ein so genanntes Stationsmodell. Das ist eine sehr einfache Art, das Wetter darzustellen. Dabei hat man einen Kreis gezeichnet, ihn je nach Wetterlage in entsprechendem Maß ausgemalt und je nach Windrichtung und Windstärke mit Strichen versehen. Alles sehr einfach: Da gab es dann im Fernsehen nur ein paar Symbole, Pfeile und die Temperaturangaben zu sehen, und trotzdem wussten die Zuschauer meistens etwas damit anzufangen.

Nun hat die Technologie seit den 1990er Jahren rasante Fortschritte gemacht. Wie hat das die Arbeit der Wetterdienste verändert?

Als ich meine Ausbildung angefangen habe, da hatten wir noch den klassischen Telex, der mit 50 Baud vor sich hin klapperte und die Wertermittlung ausspuckte. Heute können wir viel schneller viel mehr Daten abrufen und es stehen viel mehr Modelldaten zur Verfügung. Wir können nicht nur Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit in unterschiedlichen Höhenstufen messen, sondern auch den Energiegehalt von Luftmassen. Hochauflösende Satelliten-Bilder und Regen-Radar-Bilder, die sich alle fünf Minuten aktualisieren, stehen uns nun zur Verfügung. Vor 20 oder 30 Jahren wäre all das nicht möglich gewesen.

Heißt das auch, dass die Wetterprognosen genauer geworden sind?

Die Vorhersageprogramme, die unsere Computer ausspucken, haben natürlich auch riesige Fortschritte gemacht. Vor knapp 40 Jahren lag die Wahrscheinlichkeit noch bei ungefähr 60 Prozent, dass am nächsten Tag ein bestimmtes Wetterereignis eintritt. Da waren die Prognosen natürlich wesentlich unzuverlässiger und manchmal musste man schon eher vom Rätselraten sprechen als von einer Vorhersage. Heute sprechen wir von einer Wahrscheinlichkeit von über 90 Prozent für den Folgetag, weil jetzt einfach viel mehr und viel schneller Daten zur Verfügung stehen.

Wie stellen Sie heute als Wettermann eine Wetterkarte zusammen?

Ich finde die Technik, mit der wir heute beim Mitteldeutschen Rundfunk arbeiten, sehr faszinierend. Als Meteorologe hat man die Möglichkeit, seine komplette Sendung zusammenzustellen, mit bewegten Bildern, Satellitenbildern. Man erarbeitet die Vorhersage, baut Wettersymbole ein, und weil wir Daten so schnell abrufen können, können wir die Prognosen kurzfristig noch ändern, manchmal fünf Minuten vor der Sendung. Das ist dann Stress, führt aber zu einer höheren Qualität der Vorhersage, von der auch der Zuschauer profitiert. Wir können zeitgemäß arbeiten und ihm kurzfristig mitteilen: Genau in deiner Nähe wird in der nächsten Stunde ein schweres Gewitter entstehen. Vor 30 oder 40 Jahren, da hätte man nicht einmal im Traum daran gedacht, dass so etwas möglich ist.