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Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Bundeskanzlerin von 2005 bis 2021Angela Merkel: Die Unerwartete

21. Februar 2022, 19:09 Uhr

Sarkozy, Papandreou, Berlusconi, Obama und viele andere Staatschefs hat Angela Merkel politisch bereits überlebt. 16 Jahre lang war sie die "Mutter der Nation", die erste Regierungschefin Deutschlands.

Am 17. Juli 1954 wurde Angela Dorothea Kasner in Hamburg geboren. Sie ist das erste Kind des Theologiestudenten Horst Kasner und der Lehrerin Herlind Kasner. Da der Vater noch im selben Jahr eine Stelle als Pfarrer in Quitzow annahm, zog die Familie dort hin. Drei Jahre später - 1957 - ging es nach Templin, wo Merkel dann auch ihr Abitur machte. 

Kindheit im Spannungsfeld

Sie wurde geprägt durch eine Kindheit in einem Land, in dem nicht Leistung, sondern Anpassung zählte. Angela Merkel galt während ihrer Schulzeit als unauffällig. Doch sie wuchs im Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des sozialistischen Staates und der Kirche auf. Denn diese beiden Elemente zu verbinden, dass hatte sich ihr Vater Horst Kasner, zur Passion gemacht. Daher wurde er auch der "rote Pastor" genannt. 

Bis zur achten Klasse besuchte sie die Goethe-Schule in Templin. In diesen Jahren trat sie der FDJ bei - wie rund 90 Prozent aller jungen Menschen in der DDR. In einem Gespräch in der Fernsehsendung "Zur Person. Günter Gaus im Gespräch mit …" sagt Merkel Anfang der 1990er-Jahre: "Ich war gerne in der FDJ, muss ich sagen." Allerdings nicht aus politischen Gründen, so Merkel weiter, sondern weil die FDJler ihre Freizeit im Verbund organisierten und gerne zusammen etwas machten. "Diese Dinge hatten wenig mit dem System und seiner Ideologie zu tun", so Merkel weiter in der TV-Sendung. Eine Mitgliedschaft in der FDJ galt mit als Grundvoraussetzung, um Abitur machen zu dürfen. Und das wollte sie. An der "Erweiterten Oberschule" in Templin legte sie 1973 ihr Abitur mit einer Note von 1,0 ab.

Passion für Quantenmechanik

Noch im gleichen Jahr begann sie ihr Studium der Physik in Leipzig. 1977 heiratete Angela Kasner den Physikstudenten Ulrich Merkel. Die Ehe wird zwar 1982 geschieden. Trotzdem behält sie seinen Namen. Nachdem sie 1978 ihren Abschluss als Diplomphysikerin gemacht hatte, wurde sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentralinstitut für Physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften (AdW) in Berlin eingestellt. Ihr Forschungsgebiet wird die Quantenchemie. 

Die Wende und Merkels Weg in die Politik

Als sich zwölf Jahre später das Land in einem politischen Umbruch befindet, geht Angela Merkel aktiv in die Politik. In der 1989 neu gegründeten Partei "Demokratischer Aufbruch", wo sie zunächst Pressesprecherin ist, sucht sie Lösungen für den "Dritten Weg". Der "Demokratische Aufbruch" stellte sich selber als Teil der politischen Opposition in der DDR dar, der "für eine sozialistische Gesellschaftsordnung auf demokratischer Basis" eintritt. Als Christa Wolf und Stefan Heym mit ihrem Aufruf "Für unser Land" zur Bewahrung der Eigenständigkeit der DDR aufrufen, antwortet Merkel im Namen des DA mit einem offenen Brief:

Wir glauben, dass Sie diesem Land in der augenblicklichen Situation mit einer auch noch so fordernden Unterschriftensammlung keinen guten Dienst erwiesen haben.

DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere und Angela Merkel. Bildrechte: MDR/Bundesarchiv/Bernd Settnik

Man müsse, so weiter, stattdessen neue gangbare Wege für den Sozialismus finden. Doch diese wurden nie gefunden. 1990 bildeten DA und CDU in der Volkskammer eine Fraktionsgemeinschaft, die sich im Oktober 1990 mit der westdeutschen CDU zusammenschloss. Unter der de Maiziere-Regierung wird Merkel Regierungssprecherin.

Lückenlose politische Karierre

Fleiß, Selbstdisziplin, Ausdauer, Lösungsorientierung. Durch diese Eigenschaften macht Merkel recht schnell politische Karriere. Ihr Aufstieg in der Politik ist lückenlos und gradlinig. 1991 wird sie Bundesministerin für Frauen und Jugend. 1994 Bundesumweltministerin. 1998 Generalsekräterin der CDU, zwei Jahre später Vorsitzende der CDU und 2005 Bundeskanzlerin.

Aufstieg und Fall: Kohl und sein Mädchen

Durch ihre politische Nähe zum damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bekommt sie den Spitznamen "Kohls Mädchen". Doch Merkel bricht Ende der 1990er-Jahre mit Kohl. Der Journalist und Merkel-Biograph Ralph Bollmann sagt in einem MDR-Interview, dass Merkel von Kohl drei Dinge gelernt hätte: wie man Macht ausübe, wie man bestimmte Dinge aussitze - und welche Fehler man nicht mache. Der Bruch zwischen dem Einheitskanzler und Merkel kommt 1999. Am 22. Dezember 1999 veröffentlicht die Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Gastbeitrag von Angela Merkel, in dem sie ihre Partei dazu auffrief, "auch ohne ihr altes Schlachtross […] den Kampf mit dem politischen Gegner aufzunehmen". Kohl habe "der Partei Schaden zugefügt. Nur auf einem wahren Fundament kann Zukunft entstehen." Sie rief dazu auf, dass ihre Partei "laufen lernen" müsse. Vorausgegangen war der Parteispendenskandal.

In dieser Zeit habe ich mir sehr große Sorgen um die CDU gemacht und um die Frage, was wird aus der Institution Helmut Kohl.

Angela Merkel | Dokumentarfilm im Ersten: "Die Unerwartete"

In ihrer Trauerrede nach dem Tod von Helmut Kohl 2017 wählt sie versöhnlichere Worte. Kohl habe nie den Blick für das große Ganze verloren und das Europa mit geschaffen, in dem "wir heute leben". Er habe gespalten, manche hätten sich an ihm abgearbeitet und gerieben. Womit er ihr, Angela Merkel, immer imponiert habe, sei das feine Gespür für das politisch Machbare gewesen.

Das Markenzeichen: Die Merkel-Raute

Dieses "Machbare" hat sich auch Merkel abgeschaut. Angela Merkel und ihre Politik standen lange für Stabilität und Konstanz. Eigenschaften, die sie sich in ihren politischen Anfangsjahren abschaute. Denn in der DDR gab es wenig personelle Bewegung. Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR, schildert diese Art von aktivem Stillstand:

Die alte Republik funktionierte wirklich wunderbar. Man hatte da konkrete Vorstellungen: Wenn der und der in Rente geht, schieben wir den und den dort auf den Posten und da wird ein Platz frei.

Lothar der Maiziere | ARD-Merkel-Dokumentation

Merkel prägt mittlerweile eine ganze Generation. Ihre Handhaltung, die Merkel-Raute, wurde von einer seltsamen Eigenart zu einem politischen Markenzeichen. Ihr eher leiser Politikstil, der abwartend und zurückhaltend daherkommt, zeigte sich oft als ein legitimer Weg in einem immer schneller werdenden Politikbetrieb. Merkel selbst beschrieb ihr Kabinett schon immer als eine Regierung der "kleinen Schritte".

2021 keine Kandidatur mehr

"Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land." Dieser Satz, den Merkel 2015 zur Causa Flüchtlingspolitik sagte, spaltet die Gemüter. Nicht nur Bürger kritisieren Merkel scharf. AfD, FDP und auch aus den eigenen Reihen hagelt es Kritik. 2018 gab sie ihren CDU-Parteivorsitz ab und verkündete zeitgleich, zur Bundestagswahl 2021 nicht mehr zu kandidieren.

Ihr Nachfolger und Spitzenkandidat wurde Armin Laschet, ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Bei der Bundestagswahl 2021 holte die CDU unter seiner Ägide 18,9 Prozent.

(jk)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Wo wir stehen. Die Deutschen am Ende von Merkels großer Koalition | 17. November 2021 | 20:15 Uhr