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Eine Gartenparzelle wie aus dem Bilderbuch. Schrebergärten wie diese kommen vielerorts wieder in Mode. Bildrechte: MDR/Matthias Gabriel

Bundeskleingartengesetz: Rechte und Pflichten für das Glück im Grünen

01. April 2023, 08:32 Uhr

Die deutschen Kleingärten scheinen ihren spießigen Ruf hinter sich gelassen zu haben. Immer mehr junge Menschen pachten eine Parzelle und gerade in Großstädten übersteigt die Nachfrage das Angebot. Dieses Jahr feiert ein Gesetz Jubiläum, das die Existenz der Kleingärten in ganz Deutschland seit 40 Jahren absichert.

von Wiebke Stedler

Kleingartenparadies Ostdeutschland

Besonders in großen Städten sind Kleingärten heiß begehrt – es gibt deutlich mehr Interessenten als freie Gärten. Annika Ertel hatte Glück. Die 25-jährige Studentin konnte zusammen mit fünf Freunden eine Parzelle am östlichen Stadtrand pachten.

Der Kleingarten ist für uns Treffpunkt und Rückzugsort.

Annika Ertel, Pächterin eines Kleingartens in Leipzig

"Der Kleingarten ist für uns Treffpunkt und Rückzugsort. Anders als im Park haben wir dort die Möglichkeit, etwas dauerhafter anzulegen und unser eigenes Obst und Gemüse anzubauen", begründet sie ihre Entscheidung für den Schrebergarten. Auf rund 230 Quadratmetern pflanzen die Studierenden Tomaten, Paprika, Karotten, Rote Beete, Mangold und Erdbeeren an. Auch einen Apfelbaum und Brombeeren gibt es in ihrer Parzelle.

Was ist erlaubt im Schrebergarten?

Das Anbauen und Ernten von Obst und Gemüse ist ein Muss für alle, die einen Kleingarten pachten. So schreibt es das Bundeskleingartengesetz vor, das am 1. April 1983 in Kraft tritt. Demnach ist mindestens ein Drittel der Fläche für den Obst- und Gemüseanbau vorgesehen.

Die Möglichkeit, in den Parzellen Obst und Gemüse anzubauen, war in der Nachkriegszeit notwendig und bleibt für viele auch danach attraktiv. "In der DDR waren Gemüse und Obst oftmals nur in den Geschäften erhältlich, weil die Kleingärtner es dort abgegeben hatten… und die haben dafür natürlich Kohle bekommen", erzählt Caterina Paetzelt, Leiterin des Deutschen Kleingärtnermuseums in Leipzig.

Das Bundeskleingartengesetz von 1983 regelt neben dem Anbau auch die Aufteilung des Gartens. Ein Drittel ist für Rasen und Zierpflanzen – Stichwort Erholung – gedacht. Auf dem Rest des Gartens steht die Laube. Die darf allerdings höchstens 24 Quadratmeter groß sein und dient keinesfalls zum dauerhaften Wohnen. Die Laube von Annika Ertel und ihren Freunden ist ein Sonderfall – denn sie ist deutlich größer als 24 Quadratmeter, vor allem wegen der überdachten Terrasse. Möglich ist das, weil die Laube noch zu DDR-Zeiten erbaut wurde, vor Inkrafttreten des Gesetzes 1983.

Das Bundeskleingartengesetz betrifft bis zu 1,2 Millionen Schrebergärten, die es laut Schätzungen des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Deutschland gibt. Rund die Hälfte davon befindet sich in den neuen Bundesländern.

Das Bundeskleingartengesetz: Rechte für Pächter

Wer einen Kleingarten pachtet, muss Vereinsmitglied werden und unterliegt den Rechten und Pflichten des Vereins. Auch wenn es sich nach einer Menge Vorschriften anhört: Beim Bundeskleingartengesetz stünden eher die Rechte als die Pflichten der Kleingärtnerinnen und -gärtner im Vordergrund, betont Robby Müller. Er ist Vorstandsmitglied im Stadtverband der Leipziger Kleingärtner e.V. und erklärt: "Die besondere Schutzfunktion des Bundeskleingartengesetzes besteht darin, dass es die Pachtpreise deckelt, einen Kündigungsschutz und Kündigungsfristen vorsieht, und den Pächtern gegebenenfalls eine Entschädigung garantiert".

Annika Ertel und ihre Freunde bezahlen für ihre Parzelle in der Großstadt Leipzig 155 Euro im Jahr für Pacht und Wasser. Das ist zwar teurer als im ländlichen Raum, aber insgesamt, so Müller, sorgen die günstigen Pachtpreise dafür, dass sich viele Menschen überhaupt einen Schrebergarten leisten können.

Bereits vor 1983 sichern ähnliche Gesetze die Existenz deutscher Kleingärten. 1919 tritt die Kleingarten- und Pachtlandverordnung in Kraft. Sie bietet Kleingärtnern erste Rechtssicherheiten wie eine Deckelung der Pacht und einen Kündigungsschutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Gesetze um die Kleingärten in der föderalen Bundesrepublik Ländersache. Ein bayerischer Rechtsstreit um die Deckelung der Pacht gibt 1979 Anlass, die bisherigen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen. Ergebnis ist das Bundeskleingartengesetz von 1983, das erste seiner Art mit bundeseinheitlichen Regeln.

Das Gesetz gibt allerdings nur den Rahmen vor. Details regeln die Kleingartenverbände vor Ort, beispielsweise wie hoch die Hecke sein darf oder wie groß das Gewächshaus.

Urlaubsersatz und Versorgungsengpässe in der DDR

In der früheren DDR steht die Erholung im Garten im Mittelpunkt. Am Wochenende strömen die Menschen in ihre Datschen. Kein Wunder, denn die Möglichkeiten für den Urlaub sind beschränkt. Zudem arbeiten DDR-Bürger besonders viel. Laut der Sozialforscherin Isolde Dietrich arbeiten sie fast neun Stunden pro Tag – rekordverdächtig. Umso größer ist das Bedürfnis nach Erholung. Vermutlich übersteigt auch deshalb die Nachfrage nach Kleingärten das Angebot deutlich.

Nach der Wende geht es bergab?

1989 gibt es rund 855.000 Kleingärten in der DDR. Doch die Zahl der Gärtnerinnen und Gärtner sinkt nach der Wiedervereinigung rapide. Spätestens als die ersten Discounter mit breitem Warenangebot in den neuen Bundesländern Einzug halten und Pauschalreisen in Mode kommen, sinkt die Beliebtheit der Kleingärten. "Nach der Wende hatten viele keine Lust mehr, im Garten mühsam Obst und Gemüse anzubauen," erklärt Paetzelt die Entwicklung.

Trotzdem befindet sich noch heute ein Großteil der Schrebergärten in den neuen Bundesländern. Besonders aber in Orten, in denen von Jahr zu Jahr weniger Menschen leben, stehen viele Parzellen leer. Spitzenreiter in Sachen Leerstand ist Sachsen-Anhalt: 17 Prozent der Schrebergärten sind hier derzeit ohne Pächter, so der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V.

Das Comeback der Kleingärten

In Städten wie Berlin oder Leipzig reißt das Interesse an Schrebergärten dagegen nicht ab.

Der Kleingarten gilt jetzt sogar als hip und ist heute anerkannter als noch vor ein paar Jahren.

Caterina Paetzelt, Leiterin des Deutschen Kleingärtnermuseums

"Der Kleingarten gilt jetzt sogar als hip und ist heute anerkannter als noch vor ein paar Jahren… Das alles hat zu einem Anstieg der Nachfrage geführt," befindet Caterina Paetzelt. Die Coronakrise habe ihr Übriges getan, damit sich mehr Menschen einen Garten wünschen.

Das ist auch in Leipzig der Fall: Die Stadt gilt als Geburtsort der Schrebergärten, die hier ab 1865 entstehen. Nur in Berlin gibt es mehr Kleingärten. Laut Angabe des Leipziger Amtes für Statistik werden die Pächter der Kleingärten immer jünger: Deren Alter beträgt hier im Schnitt rund 51 Jahre, fünf Jahre weniger als im Bundesdurchschnitt. Rund 18 Prozent der Kleingärtnerinnen und -gärtner sind sogar unter 35 Jahre alt.

Robby Müller vom Stadtverband fallen einige Gründe für die Pacht einer Parzelle ein, darunter Erholung und Naturnähe vor allem für junge Familien mit Kindern. Er sieht die Zukunft der Leipziger Kleingärten für die nächsten Jahre gesichert. Anders als in Großstädten wie Berlin stehen die Gärten auf Böden, die seiner Meinung nach eher nicht als Bauland infrage kommen. Damit der Rechtsschutz für Pächter weiterhin existiert, müsse aber auch das Bundeskleingartengesetz in seiner jetzigen Form bestehen bleiben. "Eine Novellierung des Gesetzes könnte eher zugunsten der Eigentümer und nicht der Pächter ausfallen", so Müller.

Kleingärtnerin Annika Ertel und ihre Freunde können mit den Vorschriften, die Gesetz und Verein ihnen vorgeben, gut leben. Ihr einziger Kritikpunkt: "Das Unkrautgejäte auf dem Hauptweg ist ärgerlich und unnötig. Dort kann es ruhig auch noch etwas grüner sein."

QuellenauswahlBundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dietrich, Isolde. Hammer, Zirkel, Gartenzaun: die Politik der SED gegenüber den Kleingärtnern.

Statistischer Quartalsbericht III/2022 der Stadt Leipzig

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V.

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