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Die First Ladys des SozialismusNina Chruschtschowa - warmherzige First Lady

19. März 2018, 09:11 Uhr

Nina Chruschtschowa war die erste sowjetische First Lady, die ihren Mann auf Staatsbesuchen begleitete. Im Westen wurde sie wegen ihrer putzigen Kleider verspottet. Ansonsten aber war man begeistert von der unprätentiösen, warmherzigen und intelligenten Frau, die Englisch und Polnisch sprach und gut Klavier spielen konnte.

Wien, Juni 1961. In der österreichischen Hauptstadt kam es zu einem Gipfeltreffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow. Besonders im Fokus der Aufmerksamkeit der Fotografen aus aller Welt: die First Ladys Jacqueline Kennedy und Nina Petrowna Chruschtschowa.

Bäuerliche Garderobe

Es war ein natürlich gänzlich ungleiches Paar: Da die junge und mondäne Jacqueline Kennedy, auf der anderen Seite die viel ältere Nina Chruschtschowa. Jacqueline Kennedy trat bei den Empfängen in einem eleganten weißen Kleid auf. Nina Chruschtschowa trug putzige Kleider und Jacketts, die die angereisten Journalisten irgendwie an russische bäuerliche Trachten erinnerten. Dementsprechend herablassend wurde über die Garderobe der Chruschtschowa berichtet.

Schockierte Parteigenossen in Moskau

Die Bilder, die von den beiden First Ladys um die Welt gingen, wirkten auf die Parteigranden in Moskau demoralisierend. Ihrer Meinung nach ließen die Fotos nur eine Interpretation zu: Jacqueline Kennedy symbolisiere das blühende kapitalistische Amerika, während Nina Chruschtschowa das bäuerliche Russland verkörpere. Eine unsägliche Schmach! Zumal sich die UdSSR doch gerade anschickte, den Weltraum zu erobern. Es wurde daher still und heimlich verfügt, dass die Ehefrauen künftiger Parteichefs in jedem Falle besser zu Hause bleiben sollten. Und so geschah es auch. Erst Raissa Gorbatschowa widersetzte sich diesem Diktum mehr als zwanzig Jahre später.

Ehe mit Nikita Chruschtschow

Nina Chruschtschowa an der Seite ihres Mannes 1964 in Ägypten. Bildrechte: imago/United Archives International

Nina Petrowna wurde 1900 im Donezbecken in der Ukraine geboren. Sie besuchte die Grundschule, trat mit 20 in die Kommunistische Partei ein und studierte Pädagogik. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als Parteisekretärin in einer Fabrik. 1922 begegneten sich Nina Petrowna und der um sechs Jahre ältere Nikita Chruschtschow. Zwei Jahre später heirateten sie und zogen in ein Bergarbeiterstädtchen im Donezbecken. Nina Chruschtschowa arbeitete nun als Lehrerin, während ihr Gatte an einer Politkarriere bastelte, die ihn von der Provinz in den Moskauer Kreml befördern sollte.

Reisen um die halbe Welt

1953 wurde Nikita Chruschtschow zum Chef der KPdSU gewählt. Seine Frau war nun gewissermaßen die First Lady der UdSSR. Ins politische Tagesgeschäft mischte sie sich nicht ein, sie beschränkte sich auf repräsentative Aufgaben und kümmerte sich ansonsten um die drei Kinder der Familie. Auf Staatsbesuchen war sie allerdings immer an der Seite ihres Mannes. Das hatte es vor ihr nicht gegeben - die hohen Parteiführer reisten stets ohne ihre Ehefrauen. Und so kam Nina Chruschtschowa in den 1960er-Jahren um die halbe Welt: in die USA, nach Lateinamerika, Dänemark, Österreich und in die sozialistischen Staaten Osteuropas sowieso. Und überall war man begeistert von der unprätentiösen, warmherzigen und intelligenten Frau, die Englisch und Polnisch sprach und hervorragend Klavier spielen konnte. Mit Jacqueline Kennedy übrigens soll sie sich 1961 großartig verstanden haben, ebenso mit dem Entertainer Frank Sinatra, den sie 1959 in Hollywood traf...

"Was soll's..."

Als Nikita Chruschtschow 1964 von Leonid Breschnew als Parteichef gestürzt und zwei Jahre später sogar aus dem ZK der KPdSU ausgeschlossen wurde, nahm seine Frau Nina das sehr gelassen hin: "Was soll's, nun werden wir so leben, wie die anderen Leute auch leben." (Zitiert nach SPIEGEL, 35/84.) Das Ehepaar Chruschtschow lebte fortan zurückgezogen in seiner Datscha am Stadtrand von Moskau. Dort starb Nina Chruschtschowa, die nie ein großes Aufheben um sich gemacht hatte, fast vergessen am 9. August 1984.

(SL)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "Windrose"08.05.2011 | 16:05 Uhr