"Unsere Geschichte: Diktatur und Demokratie nach 1945" Neue Dauerausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig
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05. November 2018, 16:22 Uhr
Die Dauerausstellung "Unsere Geschichte. Diktatur und Demokratie nach 1945" im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig präsentiert sich nach einer grundlegenden Überarbeitung "aktueller, internationaler und emotionaler". Neben der DDR-Geschichte wird auch die Rolle der Treuhand in der Nachwendezeit nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verstärkt beleuchtet. Am Abend des 5. November 2018 wird die neue Ausstellung eröffnet. Wir haben mit Direktor Jürgen Reiche gesprochen.
Die alte Ausstellung legte einen starken Fokus auf Repression und Widerstand in der DDR. Dieser rote Faden besteht immer noch. In der neuen Ausstellung wird aber auch stark das Alltagsgeschehen in der DDR thematisiert...
Die DDR war eine Diktatur. Sie setzte den politischen Rahmen für die Menschen, die dort gelebt haben. Wir beantworten die Fragen nach Macht und Entstehung der SED-Herrschaft, aber eben auch Fragen des Alltags: Wie wurde gelebt, geliebt oder gefeiert? Wie hat man gewohnt? Wie ist man mit dem Mangel umgegangen? Wie hat man sich beholfen? Wie hat man sein privates Leben gestaltet? Welche Bindungen gingen nach 1989 verloren und welche wurden neu aufgebaut? Welche Hobbys hat man gepflegt? Was hat man gelesen? Wir fragen aber auch, wie sich der Staat gegenüber Kritikern verhalten hat oder woran die DDR scheiterte. Auch die Themen der Transformation und die Handlungen der Treuhand, die bis heute nachwirken, werden nicht ausgespart.
Welche wichtigen politischen Entscheidungen und historischen Zäsuren heben Sie in der Ausstellung besonders hervor?
Die ostdeutsche Nachkriegsgeschichte kennt eine Reihe von Zäsuren: Das Jahr 1945 und die darauffolgenden Jahre, in denen man mit Not und Elend konfrontiert war. Außerdem beleuchten wir den Aufbau der SED-Herrschaft nach sowjetischem Vorbild, den Volksaufstand vom 17. Juni 1953, den Mauerbau 1961, das Jahr der Ausbürgerung Wolf Biermanns, 1976, aber natürlich auch die Friedliche Revolution 1989 und das Ende der DDR ein Jahr später. Aber wir beschäftigen uns eben auch mir der sogenannten Flüchtlingskrise 2015.
Es werden viele Filme im Rahmen der Ausstellung gezeigt. Woher stammen die Filme?
Es sind zum Teil Dokumentarfilme aus der DDR-Zeit, Sequenzen aus Spielfilmen, Zeitzeugen-Interviews, aber auch Trickfilme, mit denen wir sicher auch die jüngere Generation ansprechen. Ebenso zeigen wir Filme des Leipziger Regisseur Andreas Voigt, der von 1989 bis 2015 Ostdeutsche begleitete und sie fragte, wie sich die Veränderungen im Land auf sie selbst ausgewirkt haben.
Können Sie uns von besonders wichtigen Zeitzeugen erzählen?
Es sind etwa 70 Zeitzeugen, die in der Ausstellung zu Wort kommen. Aber nicht nur Politiker wie etwa SED-Chef Erich Honecker, sondern auch ganz gewöhnliche Menschen, die uns erzählen, wie sie in der DDR gelebt oder den Transformationsprozess 1990 empfunden haben - eine Erosion des Alten und Gewohnten und für viele eine Explosion der Möglichkeiten. Von ihren Erfahrungen in der DDR berichten aber auch Personen der Zeitgeschichte: Siegfried Bülow etwa, ehemaliger Direktor der "Barkas"-Werke, Roland Jahn, Leiter der Stasiunterlagenbehörde, oder die Künstlerin Cornelia Schleime.
Welche neuen Ausstellungsstücke können die Besucher sehen?
Der Großteil der über 2.000 Objekte ist neu. Nehmen Sie zum Beispiel Reste eines Flüchtlingsbootes aus Lampedusa und Schwimmwesten von Flüchtlingen, die an Land gespült wurden; aber auch einen Wartburg 311 können die Besucher bewundern... Wir haben Objekte ausgewählt, die uns persönlich sehr ansprechen, wie etwa Kraniche aus Papier, die Schüler für einen toten Freund aufgestellt haben, der sich das Leben genommen hatte, weil man ihm nicht erlauben wollte, "Bausoldat" zu werden. Themen wie Rechtsextremismus, Homosexualität, Heimat werden nicht ausgespart. In der Summe präsentieren sie ein Mosaik gelebten Lebens in der DDR.
Zu welchem DDR-Thema gibt es neue Forschungsergebnisse?
Mit dem Thema Treuhand haben sich in letzter Zeit viele Historiker beschäftigt, und deren Forschungsergebnisse fließen natürlich in unsere Ausstellung ein. Das Vorgehen der Treuhand war sicher radikal und die Auswirkungen dramatisch, besonders für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Betrieben, die liquidiert wurden. Für Hunderttausende Ostdeutsche brach mit der Arbeitslosigkeit eine Welt zusammen. Natürlich sind damals viele Betriebe untergegangen, aber auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass viele Produktionsstätten nach dem Ende der DDR schlicht nicht rentabel waren. Uns ist diese Rundumbetrachtung wichtig.
Auch das, was die Besucher am Ende der neuen Dauerausstellung erwartet, ist neu. Was ist das?
Am Ende der Ausstellung steht eine Bühne, auf der wir den Besuchern eine Möglichkeit zur Diskussion bieten, ein echtes Forum also. Dort sollen Themen und Fragen diskutiert werden, die uns berühren: Was bedeutet uns Freiheit heute? Wie verändert sich unsere Welt durch Globalisierung und durch die Entwicklung künstlicher Intelligenz? Da kommt etwas auf uns zu, von dem viele Leute noch nicht Kenntnis genommen haben, dass es auf uns zukommt. Wir wollen Diskussionen befördern und Raum zum Diskurs geben. Am besten, Sie kommen zu uns!
Über dieses Thema berichtet MDR SACHSEN – Das Sachsenradio 05.11.2018 | ab 11:30 Uhr in den Nachrichten