Sirene auf einem Dach
Warntag: Sirene warnen die Bevölkerung Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner

Warntag am 8. Dezember 2022 Die Geschichte der Sirene in Deutschland

08. Dezember 2022, 16:41 Uhr

Das Hochwasser im Sommer 2021 offenbarte gravierende Mängel bei den Sirenen. Schon beim Warntag 2020, der erstmals seit der Deutschen Einheit durchgeführt wurde, gab es technische Probleme. Eine Gefahrenmitteilung, die durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz angekündigt worden war, ist erst mit einer halben Stunde Verzögerung bei den Empfängern angekommen. Am 8. Dezember 2022 gibt es einen neuen Versuch: Die Menschen in Deutschland sollen eine Probewarnung von Bundesinnenministerium und Bundesamt für Bevölkerungsschutz auf das Handy bekommen. Auch über Sirenen soll gewarnt werden. Der Sirenenalarm hat eine lange Tradition in Deutschland.

Jeden Mittwoch, um exakt 13 Uhr, heulten in sämtlichen Städten und Gemeinden der DDR die Sirenen. Es war ein sehr unangenehmer, insgesamt einminütiger auf- und abschwellender Heulton, der sich über das gesamte Land legte. Das Signal hieß: Feueralarm. Doch viele ältere Bürger fühlten sich in die Kriegszeit zurückversetzt, als auf ihre Städte die Bomben fielen. Jetzt könnten die alten Sirenen wieder zum Einsatz kommen.

Probewarnung der Bevölkerung am 8. Dezember 2022 Am 8. Dezember 2022 sollen die Menschen in Deutschland eine Probewarnung von Bundesinnenministerium und Bundesamt für Bevölkerungsschutz auf das Handy bekommen. Auch über Warn-Apps, Radio, Fernsehen, Anzeigetafeln der Bahn und über Sirenen soll gewarnt werden. Damit werden die für Not- und Katastrophenfälle zur Verfügung stehenden Warnsysteme geprüft und technische Abläufe getestet. Der Warntag ist zugleich eine Übung, um die Bevölkerung mit den Abläufen bei behördlichen Alarmierungen vertraut zu machen und für das Thema zu sensibilisieren. Beim ersten bundesweiten Warntag am 10. September 2020 war einiges schief gelaufen. Unter anderem kam die Meldung der Warn-Apps Nina und Katwarn erst mit einer guten halben Stunde Verspätung auf den Smartphones an. Wäre es tatsächlich ein Ernstfall gewesen, wären viele Bürger nicht rechtzeitig gewarnt worden. Das Bundesinnenministerium hatte den Probealarm damals als "fehlgeschlagen" bezeichnet.

Sirenensignale in der DDR

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 war im Osten Deutschlands ein Zivilschutz gegründet und gleichzeitig ein flächendeckendes Sirenennetz installiert worden. Es gab diverse Sirenensignale: Katastrophenalarm etwa, Warnungen vor Feuer oder einem atomaren Angriff des Westens. Und natürlich: Entwarnung. In Betrieben, Behörden und Schulen wurden die DDR-Bürger in regelmäßig abgehaltenen Zivilschutz-Veranstaltungen über die Bedeutung der verschiedenen Signale unterwiesen.

Nach der Wiedervereinigung unterstand der DDR-Zivilschutz samt seiner Sirenen zunächst dem westdeutschen Bundesamt für Zivilschutz. Die neuen Bundesländer wurden aber schon nicht mehr an das westdeutsche Warnnetz angeschlossen, da es bereits Überlegungen gab, die Sirenen - die es ja auch im Westen gab - insgesamt abzuschaffen. Sie galten als Relikte des Kalten Krieges. Im Osten wurden für kurze Zeit lediglich noch die Warnsignale der alten Bundesrepubklik übernommen.

Wer erfand die Sirene?

Das Sirene wurde Ende des 18. Jahrhunderts vom schottischen Mathematiker und Physiker John Robison erfunden. Robison freilich nutzte seine Erfindung für Orgeln und hatte ihr keinen Namen gegeben. Einige Jahre später, 1819, entwickelte auch der französische Physiker Charles Cagniard de la Tour ein Gerät, das die Erzeugung von Hochfrequenztönen auf mechanischem Weg möglich machte. Charles Cagniard de la Tour nannte seine Erfindung Sirene. Den Namen leitete er von einem Fabelwesen aus der griechischen Mythologie ab. Die Sirene lockte der Sage nach durch ihren betörenden Gesang vorbeifahrende Seefahrer an, um sie zu töten. Freilich hatte die moderne mechanische Sirene aber die genau gegenteilige Funktion - nämlich das Warnen vor Naturkatastrophen, Feuer oder feindlichen Angriffen.

Sirenen heulen in Hitlers Deutschland

In Hitlers Deutschland spielten die Sirenen eine wichtige Rolle. Gleichwohl durften sie mit Kriegsbeginn im September 1939 nur noch für den Luftschutz verwendet werden. Jede andere Nutzung, etwa für den Feueralarm, war strikt verboten. Die Signale bestanden aus Fliegeralarm und Entwarnung. Zwei Minuten dauerte jedes einzelne Sirenensignal. Doch schon bald zeigte sich, dass das minutenlange Heulen der Sirenen die Leute nervös machte. Das Reichsluftfahrtministerium ordnete daher an, dass das Signal auf eine Minute zu begrenzen sei. Ab 1942 heulten die Sirenen in Deutschland dann aber immer öfter, um vor alliierten Bomberangriffen zu warnen. Das Geheul der Sirenen war bis zum Kriegsende ein grausiges, aber doch alltägliches Geräusch.

Sirenen in der Bundesrepublik

Mit dem Beginn des Ost-West-Konfliktes und des Kalten Krieges wurde ab 1949 in der Bundesrepublik sukzessive ein flächendeckendes Netz von mehr als 80.000 Sirenen geschaffen. Sie wurden auf Rathäusern, Schulen und öffentlichen Gebäuden angebracht. Bis 1990 erfüllten die Anlagen für die Bevölkerung vor allem drei Funktionen: Warnung vor Feuer, Katastrophen und einem befürchteten militärischen Angriff aus dem Osten. Die Sirenen dienten zugleich aber auch dem Zusammenrufen von Feuerwehrleuten. Sie wurden jedes Jahr zweimal während eines Probealarms getestet - jeweils an einem Mittwoch im März und im September, stets gegen 10 Uhr. Dabei wurde zuerst ein einminütiger Dauerton, danach Luftalarm oder ABC-Alarm und schließlich noch einmal ein Dauerton ausgelöst.

Das Ende der Sirenen nach der Wiedervereinigung

Im Zuge der Deutschen Einheit wurden im Zeitraum von 1992 bis 1995 aus Kostengründen mehr als 40.000 der grauen, meist tellerförmigen Sirenen in den deutschen Städten und Gemeinden abgebaut. Auch die zehn Warnämter im Westen Deutschlands, die für die Auslösung der Sirenen verantwortlich waren, wurden aufgelöst. Man hielt sie jetzt ebenfalls für überflüssig und zugleich wurde es im Zuge der Entwicklung neuer Techniken als ausreichend erachtet, bei drohenden Gefahren die Bevölkerung über Rundfunk, Fernsehen, Internet oder per SMS zu warnen.

Städte und Gemeinden übernahmen die Sirenen vom Bund

Die übrig gebliebenen Sirenen übernahmen Mitte der 1990er-Jahre teilweise Städte und Gemeinden vom Bund und müssen seither auch für den Unterhalt der Warnanlagen aufkommen. Die Sirenen wurden jetzt meist nur noch für die Feuerwehr-Alarmierung genutzt. Seitdem existiert aber jedenfalls kein bundesweit einheitliches System zur Warnung der Bevölkerung mehr. Nur etwa 30 deutsche Städte verfügen derzeit noch über ein halbwegs intaktes Sirenennetz, im Osten sind es lediglich Dresden und Hoyerswerda. Insgesamt gelten heute nur noch etwa 15.000 Sirenen als einsatzbereit.

Alarmsirene auf Hausdach
Alarmsirene auf einem Hausdach Bildrechte: imago images / Hartenfelser

Regionale Lösungen für den Ernstfall

Da der Katastrophenschutz - anders als der Zivilschutz - Ländersache ist, entstanden nach dem Ende des einheitlichen Warn-Systems spezielle regionale Lösungen. Für den Feueralarm gibt es weiterhin oft Sirenen, Feuerwehrleute werden aber vor allem über "Piepser" oder SMS alarmiert. Funktionstests der Sirenen wurden von den Städten und Gemeinden bislang höchst unterschiedlich gehandhabt, in Düsseldorf wird etwa einmal jährlich ein Test durchgeführt, in Dresden am zweiten Mittwoch eines jeden Quartals.

Lehren aus Flutkatastrophe 2021

Nach den Erfahrungen mit der verheerenden Flutkatastrophe im Sommer 2021 beschlossen Bund und Länder einen Ausbau des Sirenennetzes. Zur Verbreitung von Warnungen in Katastrophenfällen ist das auch im Digitalen Zeitalter wichtig, denn wo der Mobilfunk ausfällt, nützen Warn-SMS nichts. Der Bund plant, den Ländern bis 2023 über ein Förderprogramm bis zu 88 Millionen Euro für die sogenannte "Ertüchtigung und Errichtung von Sirenen" zur Verfügung zu stellen.

Einheitlicher bundesweiter Probealarm

Mit dem sogenannten Warntag sollen die Bürger auf mögliche Gefahren wie etwa Natur- oder Umweltkatastrophen, Großbrände, aber auch terroristische Anschläge aufmerksam gemacht werden. Zukünftig soll der Probealarm - unter Einbindung sämtlicher möglicher Warnwege wie etwa Warn-Apps, Sirenensignalen und Aufrufen im Rundfunk - jeweils am zweiten Donnerstag im September eines jeden Jahres abgehalten werden. Für viele Bürger in Ost und West eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten, wenn sich der charakteristische Heulton wieder über manche Städte legt.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 08. Dezember 2022 | 19:30 Uhr