Wie Trotzkis Ausschluss aus der KPdSU den Stalinismus einleitete

01. Dezember 2017, 18:23 Uhr

Am 2. Dezember 1927 wird Leo Trotzki aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Damit hat er den Machtkampf mit seinem Widersacher Stalin endgültig verloren – und der kann fortan seine Ein-Mann-Diktatur aufbauen.

Stalins endgültige Rache ereilte Leo Trotzki am 20. August 1940 in Mexiko Stadt. Der 27-jährige Sowjetagent Ramón Mercader hatte sich in jahrelanger Arbeit in den innersten Zirkel Trotzkis vorgelogen, sich eigens dafür mit Trotzkis Sekretärin verlobt. An diesem Nachmittag nun bat er den alternden Revolutionär in dessen Arbeitszimmer, einen politischen Artikel gegenzulesen.

Während Trotzki über dem Text brütete, stach Mercader mit einem Eispickel auf dessen Hinterkopf ein. Einen Tag später starb Leo Trotzki an den Folgen des Anschlags, der Jahre zuvor von seinem ärgsten Widersacher angeordnet worden war: Josef Stalin, dem Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), die Trotzki einst mit aufgebaut hatte.

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Machtkampf nach Lenins Tod

Der Konflikt der beiden schwelte da bereits seit fast zwei Jahrzehnten. Trotzki, engster Wegbegleiter des Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin, hatte mit diesem in den Anfangsjahren der Revolution die politischen Leitlinien für die Durchsetzung des Kommunismus formuliert: Darunter eine dezentralisierte Wirtschaftspolitik und die "Theorie der permanenten Revolution", die unter anderem besagt, dass es zur endgültigen Durchsetzung des Kommunismus einer "Weltrevolution" bedarf.

Im Januar 1924 verstarb Lenin jedoch und Trotzki sah sich dem Machthunger Stalins gegenüber, der gemeinsam mit den Funktionären Grigorij Sinowjew und Lew Kamenew das Triumvirat an der Spitze der Partei bildete. Stalin hatte neben seiner Alleinherrschaft auch andere Vorstellungen von der Zukunft der Sowjetunion, die er unter der Losung "Sozialismus in einem Land" zusammenfasste. Darunter verstand Stalin, einen zentralisierten sowjetischen Sozialismus, den er unabhängig von der Außenwelt mit aller Macht durchsetzen wollte.

Zuspitzung vor dem Revolutionsjubiläum

In der Folge arbeitete Stalin an der Festigung seiner Macht und der Ausbootung Trotzkis gleichzeitig. 1925 beantragten Stalins Verbündete Sinojew und Kamenew erstmals Trotzkis Ausschluss aus der Partei, der aber scheiterte. Außerdem ließ der stärker werdende Parteivorsitzende Stalin seinen Widersacher Trotzki nach und nach von seinen Ämtern entbinden, etwa als Kriegskommissar. 1926 wurde er auch aus dem Politbüro ausgeschlossen.

Außerdem lancierte Stalin die Erzählung, er selbst sei Lenin engster Kampfgefährte gewesen, nicht Trotzki. Auch Bilder und Erwähnungen seines Widersachers ließ der machthungrige Stalin aus offiziellen Bildern und Texten tilgen. Trotzks selbst brandmarkte er als Abweichler und Oppositionellen. "Trotzkismus" wurde zu einem häufigen Vorwurf gegenüber Andersdenkenden.

Anti-Stalin-Allianz ohne Wirkung

Stalins diktatorische Züge wendeten sich in dieser Zeit auch gegen die wichtigen Parteimitglieder Sinojew und Kamenew, denen er nach und nach die Macht entzog. Dies führte 1927 zu einer unerwarteten Allianz der beiden mit dem geschassten Trotzki, um Stalins vollkommene Machtergreifung doch noch zu verhindern. So übten sie fortan gemeinsam öffentlich Kritik am Absterben der innerparteilichen Demokratie und der Falschinterpretation von Lenis Theorien zum Kommunismus durch den Parteiführer Stalin.

Auch in der Bevölkerung wuchs der Unmut und so mischten sich auf Geheiß Trotzkis zum zehnten Jubiläum der Oktoberrevolution am 07. November 1927 hunderte Oppositionelle unter die Teilnehmer der Massendemonstration in Sankt Petersburg. Kurz darauf schritt die Miliz ein, zerfetzte die Banner der Aktivisten und prügelte diese aus dem Demonstrationszug. Sinojew wurde festgenommen und in Moskau schoss jemand auf Trotzkis Auto.

Parteiausschluss als Ende der Opposition

Stalin sah in dem Aufbegehren seine finale Chance, Trotzki und dessen Mitstreiter loszuwerden. So verkündete das Zentralkomitee der Partei wenig später:

Oppositionelle, die in nichtparteilichen Versammlungen gegen die Politik der Partei auftreten, sofort auszuschließen. (...) Von der Opposition einberufene illegale Versammlungen (...) sind mit der ganzen Kraft der Partei und der Arbeiterklasse aufzulösen. 

Diese seien illegal und die Urheber der Demonstration würden sich zum Sprachrohr jener Kräfte machen, "die dem Regime der proletarischen Diktatur feindlich gegenüberstehen". Trotzki und Sinojew wurden vor das Komitee zitiert, wichen aber nicht von ihrer Position ab. So beschloss dieses am 15. November formell den Ausschluss beider aus der Partei. Auf dem 15. Parteitag der KPdSU, der am 02. Dezember begann, wurden die Parteiausschlüsse öffentlich bestätigt.

Stalins Säuberung

Bereits im Januar wurde Trotzki ins heutige Kasachstan verbannt, konnte sich aber in die Türkei absetzen. 1932 wurde dem ehemaligen Revolutionär die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt und es begann auf Befehl Stalins seine Verfolgung durch den Geheimdienst GPU. Es folgte politisches Asyl in Frankreich und Norwegen, bevor Trotzki 1937 auf Betreiben der Malerin Frida Kahlo Asyl in Mexiko erhielt.

Sinojew und Kamenew waren da bereits tot. Sie wurden 1936 im Zuge der ersten großen  Schauprozesse verurteilt und hingerichtet. Es war der Beginn der "großen Säuberung" Stalins, die auch die letzten Widerstände gegen seine absolute Alleinherrschaft brechen sollte. Derweil erhielt ein junger spanischer Kommunist namens Ramón Mercader in Moskau eine militärische Ausbildung durch den GPU. Seine Mission: die Ermordung Leo Trotzkis. Drei Jahre später war Mercader in Mexiko erfolgreich und Stalin endgültig am Ziel.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: TV | 07.11.2017 | 21:15 Uhr