26.12.1893 bis 09.09.1976 Wer war Mao Zedong?

24. November 2016, 11:57 Uhr

Für viele Chinesen ist er bis heute ein Heiliger, der Personenkult um ihn ist beispiellos - doch seine Herrschaft war bestimmt von Terror und totalitärer Gewalt: Mao Zedong. Wie wurde aus einem Bauernsohn ein Diktator, dessen Politik Millionen Menschen das Leben kostete? Und wie wirkt sich seine Herrschaft bis heute auf und in China aus?

Mao Zedong kommt 1893 im Süden Chinas auf die Welt. Seine Eltern sind Bauern, die es zu einigem Wohlstand gebracht haben. Sie hoffen, dass ihr Sohn in Peking einmal Karriere macht und nennen ihn "Zedong", übersetzt bedeutet das etwa "östlicher Glanz". Der Junge zeigt sich als sehr begabt ist aber auch sehr aufsässig.

Zu dieser Zeit hat das "Reich der Mitte" seine besten Zeiten hinter sich. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es in China immer wieder blutige Aufstände und schwere Hungersnöte. Erzfeind Japan und auch die europäischen Kolonialmächte nutzen die Schwäche und beuten China hemmungslos aus. 1912 wird China schließlich Republik - der letzte Kaiser, damals gerade mal fünf Jahre alt, dankt ab.  

Vom Kaiserreich zur Republik

Aber auch das neue China versinkt im Chaos: Das Militär zerfällt in Gruppen, die sich gegenseitig bekriegen. In den Provinzen gründen Warlords eigene Reiche. Nationalisten kämpfen gegen Kommunisten. Dieser Bürgerkrieg prägt den jungen Mao sehr. Er beobachtet, wie Rebellen ihre Gefangenen foltern und massakrieren - und er findet Gefallen an diesem Terror. Eine Schreckensherrschaft erscheint ihm die effektivste Herrschaftsform zu sein.

Wie Mao lernt

Mao ist geradezu bildungshungrig, er liest die Schriften chinesischer Reformer, aber auch die von Charles Darwin und Jean-Jaques Rousseau und macht eine Ausbildung zum Lehrer. Mit dem Abschluss in der Tasche geht der 25-jährige Mao nach Peking und arbeitet in der Uni-Bibliothek, als Buchhändler und schreibt Zeitungsartikel. Schnell findet er Anschluss an kommunistische Kreise, liest Lenin und Marx und ist – wie viele andere Studenten - begeistert von der Revolution in Russland. Die Sowjetunion ist das große Vorbild, das Mao sich auch für China vorstellt. Als sich hier die Kommunistische Partei gründet, ist er dabei und steigt dort bald in die höchsten Kreise auf.

An der Spitze der Republik China steht aber die chinesische Volkspartei – die Kuomintang. Diese beginnt bald eine grausame Hetzjagd auf Kommunisten. Sie werden zu Tausenden verfolgt und ermordet. Mao kann jedoch entkommen. Mit seinen Anhängern flieht er in die Berge und gründet dort eine Art kleine Sowjetunion. Hier geht er äußerst brutal gegen seine Gegner vor. Weggefährten beschreiben ihn als hinterhältig und verschlagen, bescheinigen ihm aber auch nicht ohne Bewunderung einen sicheren Machtinstinkt. 1934 können die Rebellen ihre Republik nicht mehr halten - die Kuomintang-Truppen sind zu stark.  86.000 Männer machen sich auf den Weg in den Norden. In zwei Jahren legen sie – permanent in Kämpfe verwickelt - über 10.000 km zurück und nur ein Bruchteil überlebt die Strapazen. Dieser entbehrungsreiche und teils panische Rückzug wird später als der "Lange Marsch" verklärt - er wird zum Gründungsmythos der chinesischen Revolution. Mao selbst ebnet er den Weg  nach ganz oben: Mit 41 Jahren ist er die Nummer Eins in der Kommunistischen Partei Chinas.

1949 - Mao ruft die Volkrepublik China auf

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem das ganze Land noch einmal gemeinsam gegen Japan kämpft, brechen die Fronten wieder auf. Aber diesmal gewinnen die Kommunisten gegen die vom Krieg geschwächten Regierungstruppen. Die müssen sich nach Taiwan zurückziehen - Mao dagegen zieht im März 1949 in Peking ein. Ein halbes Jahr später ruft er vom Tor des Himmlischen Friedens die Volksrepublik China aus.

Der "chinesische Weg" und der sozialistische Mensch

Das Land, das Mao nun beherrscht, ist von Krieg und Bürgerkrieg zerstört. China zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Dreiviertel der Bevölkerung sind besitzlose Bauern, Tagelöhner und Wanderarbeiter. Aus diesem Land will Mao eine sozialistische Gesellschaft formen und aus dem einfachen chinesischen Bauern den neuen sozialistischen Menschen.

Die Theorie dazu hat Mao schon längst fertig. Er will einen chinesischen Weg – der kommunistische Ideen mit den Traditionen des Landes verbindet. Für ihn sind zum Beispiel nicht die Arbeiter, sondern die Bauern die Keimzelle der Revolution. Der Einzelne gilt nichts, nur als Teil der Gemeinschaft ist er etwas wert. Für Mao ist der Mensch absolut erziehbar. Bald überzieht ein Netz aus vielen hundert Strafgefangenenlagern das Land, dessen Insassen umerzogen werden sollen.

Anfangs ist Mao beim Aufbau seiner Volksrepublik durchaus erfolgreich - das Bruttosozialprodukt steigt, die Inflation sinkt. Bauernkinder können zur Schule gehen und Frauen zur Wahl. Eine Gesundheitskampagne bekämpft erfolgreich grassierende Seuchen. der Einbruch kommt mit der "Bodenreform". Schon im Bürgerkrieg haben Maos Kader die Bauern gegen angebliche "Großgrundbesitzer" aufgehetzt. Jetzt fordert die Partei offiziell, sich mit Gewalt Land zu nehmen und an den ehemaligen Eigentümern zu rächen. So entfacht und lenkt Mao den Volkszorn, Die Folge: Eine Welle der Gewalt überzieht das Land und etwa fünf Millionen Menschen sterben.

Mao Zedong und die verführerische Macht

1954 wird der "große Steuermann" Mao Staatspräsident. Das Amt hat er zwar nur vier Jahre inne, aber auch danach lenkt er als Parteiführer weiter die Geschicke des Landes. Er sieht sich auf einer Stufe mit Dschingis Khan und anderen großen Herrschern der Vergangenheit, oder noch darüber: Mao ist selbstgefällig und rücksichtslos, wie auch Stalin gibt er völlig willkürlich Gefangenenquoten für bestimmte Gruppen vor. So lässt er zum Beispiel im Jahr 1957 ein Zehntel der Intellektuellen verhaften.

Mao will die Welt neu gestalten - bis in den Alltag der kleinen Leute, mit teilweise abstrusen Kampagnen. Es wird nicht mehr Zuhause gegessen, sondern in Volksküchen. Private Töpfe und Pfannen müssen eingeschmolzen werden. In Volkskommunen schlafen Männer und Frauen getrennt, die Kinder leben in Erziehungsanstalten. Selbst die Tierwelt soll gehorchen: Weil Spatzen zu viel Korn fressen würden, müssen hunderttausende Chinesen stundenlang Lärm schlagen: Die Vögel, die sich nicht zu landen trauen, fallen schließlich tot vom Himmel.

"Der große Sprung" - die größte Katastrophe

Die wohl größte Katastrophe löst eine Kampagne Maos aus, die "Der große Sprung" genannt wird. China soll in kürzester Zeit industrielle Großmacht werden und sogar Großbritannien überholen. Mao befiehlt den Bauern, ihre Felder Felder sein zu lassen und stattdessen in selbstgebauten Hochöfen Stahl zu produzieren. Das Ergebnis ist fatal: Produziert wird minderwertiges Eisen, es gibt Missernten und die größte Hungerkatastrophe der Menschheitsgeschichte. denn Mao verschärft die Lage mit Getreideexporten in die Sowjetunion: Schätzungsweise 30 bis 40 Millionen Chinesinnen und Chinesen verlieren ihr Leben. Es gibt sogar Berichte über Kannibalismus aus verschiedenen Provinzen. Das Ausland bekommt vom Elend fast nichts mit. Erst 1982, als China wieder eine Volkszählung veröffentlicht, fällt auf, dass Millionen Menschen fehlen.

Wie Mao die "Vier Alten" bekämpft

Maos Rückhalt in der Partei beginnt zu bröckeln. Trotzdem holt er sozusagen zum letzten großen Schlag aus. Er hat noch immer den Oberbefehl über die Armee und weiß Chinas erfolgreich in seinem Sinne "erzogene" Jugend hinter sich.

Die benutzt er 1966 für seine letzte Kampagne: Die große proletarische Kulturrevolution. Mit einem beispiellosen Personenkult schwört er die jungen Chinesen auf seine Führung ein. Sie schließen sich zu "Roten Garden" zusammen und sollen, unterstützt von der Polizei, gegen die sogenannten "Vier Alten" vor: die alten Ideen, die alte Kultur, die alten Sitten, die alten Gewohnheiten.  

Die Listen mit den Namen der Delinquenten, nach denen die Roten Garden das Land durchstreifen, werden von Maos Stab erstellt. Im kollektiven Wahn machen Studenten und Schüler gnadenlos Jagd auf alle verdächtigen Elemente. Kinder denunzieren ihre Eltern, Freunde liefern sich gegenseitig aus, Lehrer werden von Schülerinnen zu Tode gefoltert. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt. Schätzungen reichen von einigen Hunderttausend bis zu zehn Millionen.

Nach dreijähriger Gewalt-Orgie ist jede Opposition vernichtet. Jetzt zeigt Mao sein wahres Gesicht - die jungen Rotgardisten haben ihre Schuldigkeit getan. Er schickt seine Armee gegen die Kulturrevolutionäre aus und die jungen Kämpfer aufs Land zur Umerziehung. 

Maos Ende

1971 erkrankt Mao schwer. Nach einer Lungenentzündung, von der er sich nicht erholt, diagnostizieren die Ärzte ein Nervenleiden. Als Bundeskanzler Schmidt 1975 nach China reist, trifft er auf ein Wrack. Mao Zedong stirbt am 9. September 1976 an einem Herzinfarkt.

China nach Mao?

Mao hat China auf Jahrzehnte hinaus das Rückgrat gebrochen. Er hat ein Volk geschaffen, in dem Opfer und Täter seiner Kampagnen bis heute gezwungen sind, Tür an Tür zu leben. Mao selbst wird ein imposantes Mausoleum gebaut, der "große Steuermann" wird bis heute von vielen Chinesen weiter verehrt. Auch im Ausland, wo der Maoismus unter den Linken viele Fans hatte, wird Mao lang als großer Staatsmann gewürdigt. Erst Ende der 1980er-Jahre wird das ganze Ausmaß seiner Verbrechen bekannt.