Deutschland einig Biertrinkerland

31. Juli 2018, 14:39 Uhr

Zu DDR-Zeiten vielfach von zweifelhafter Güte oder als Exportgut ins Ausland verkauft, mussten sich die ostdeutschen Biermarken nach der Wende dem offenen Markt stellen – mit durchaus unterschiedlichem Ausgang.

Es war eine Wiedervereinigung auf Augenhöhe – trotz so manches getrübten Blicks: als im Oktober 1990 die deutsche Einheit vollzogen wurde, lagen die Bierfreunde in Ost und West mit einem durchaus "sportlichen" Pro-Kopf-Verbrauch von rund 140 Litern pro Jahr in etwa gleichauf – und das, obwohl die Voraussetzungen unterschiedlicher kaum hätten sein können. Einer schier unüberschaubaren Vielfalt von Qualitätsbieren einheimischer Produktion oder aus aller Brauherren Länder in der Bundesrepublik stand ein ostdeutscher Biermarkt gegenüber, der zumindest qualitativ jahrzehntelang Kummer gewohnt war.

Eine Frage der Reinheit

In der Mangelwirtschaft der DDR wurden viele Biere mit Gerstenrohfrucht, also unveredeltem Malz, gestreckt und mit Zucker zum Gären gebracht – für Verfechter des Reinheitsgebots absolut unverzeihlich. Doch dessen Überwindung war immerhin als sozialistische Aufgabe ausgerufen worden. Was wohl kaum jemandem als hehres Ziel galt, sorgte für reichlich minderwertige Biere, die schon nach wenigen Tagen schlecht werden konnten – der prüfende Blick gegen das Licht war üblich. Die besten Zutaten wurden für die edlen Exportbiere zugeteilt – obwohl es den einheimischen Bierliebhabern übel aufstieß.

Vom Exportgut zum Investitionsobjekt

Ob Radeberger, Wernesgrüner oder Köstritzer: ihr bekömmlichstes Bier verkaufte die DDR gegen Devisen ins Ausland. Erst nach der Wende standen solche einst besonders begehrten Sorten den ansässigen Käufern zur Verfügung – von denen viele sie prompt verschmähten. Gegen das verlockende Überangebot aus dem Westen hatten viele ostdeutsche Traditionsmarken zunächst einen schweren Stand. So musste die Köstritzer Schwarzbierbrauerei in Thüringen binnen eines Jahres über die Hälfte ihrer Mitarbeiter entlassen und die Produktion deutlich reduzieren. 1991 wurde die Marke von der Bitburger-Gruppe aufgekauft, die 2002 auch die Wernesgrüner Brauerei im sächsischen Vogtland übernahm. Unter dem Dach einer großen westdeutschen Dachgesellschaft ging es für die beiden mitteldeutschen Traditionsbrauereien schließlich wieder bergauf – was sicher auch den alten Reichskanzler Bismarck gefreut hätte, der 1892 schrieb: "Das Köstritzer Bier hat auch in der diesjährigen Probe seinen vornehmen Rang in der Aristocratie der Biere mit Sicherheit behauptet."

Erfolgsgeschichte aus dem Harz

Auch die anderen Großbrauereien aus den neuen Bundesländern blieben nach 1990 nicht lange in ostdeutscher Hand. Der heutige ostdeutsche Marktführer Hasseröder aus Wernigerode im Harz wurde alsbald von einem Hannoveraner Konkurrenten übernommen und gehört mittlerweile zur weltweit größten Brauereigruppe Anheuser-Busch InBev. Trotz Fremdbestimmung war der Sprung in die Marktwirtschaft für die Sachsen-Anhalter eine einzige Erfolgsgeschichte. Bereits bis 1996 konnte man die eigene Produktion mehr als verzehnfachen und sich dabei auch in den alten Bundesländern zu etablieren.

Vom Königshof nach Hollywood

Zu einer Brauereigruppe unter eigenem Namen hat es die einstmals königliche Hausmarke Radeberger aus der Nähe der Residenzstadt Dresden gebracht. Sachsens letzter Monarch, Friedrich August III., hatte das Pilsner 1905 zu seinem Tafelgetränk erhoben. Zu DDR-Zeiten war es nur "unterm Ladentisch" zu bekommen. Nach der Wende sicherte sich der Oetker-Konzern aus Bielefeld das edle Helle und investierte. Deutliche Zuwächse am Markt waren bis Mitte der 1990er-Jahre die Folge – obwohl die Ostsachsen ihre Produktion ganze drei Jahre lang für die ostdeutschen Biergenießer vorhielten. Es war die exklusive Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen, bevor das Radeberger beispielsweise mit Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf Weltreise ging und schließlich auch in der Hand von Hollywood-Star Charlie Sheen in seiner Erfolgsserie "Two and a Half Men" landete – quasi nach einem Flaschenwurf von Radeberg nach Los Angeles. Zur Radeberger-Gruppe gehören heute auch weitere mitteldeutsche Traditionsmarken wie Ur-Krostitzer und Sternburg.

Gemischter Erfolg

Während sich am ostdeutschen Markt neben den ansässigen Produzenten auch zahlreiche westdeutsche und ausländische Bierbrauer etabliert haben, gibt es umgekehrt beim Erfolg von Ostbieren über die eigene Region hinaus nach wie vor ein starkes Gefälle. So zeigte eine Studie von 2012 zur Bekanntheit ostdeutscher Biere in ganz Deutschland, dass neben den zwei größten Marken Hasseröder und Radeberger nur Köstritzer eine annähernd vergleichbare Bekanntheit im Westen wie im Osten erreicht hat – schon Wernesgrüner fiel dagegen deutlich ab und alle weiteren Sorten folgten erst mit weiterem deutlichen Abstand: ein klares Zeichen dafür, dass man sich die meisten ostdeutschen Biere trotz nach der Wende völlig veränderter Eigentumsverhältnisse der Brauereien nach wie vor (oder jetzt erst recht) besonders in ihrer Heimatregion schmecken lässt.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in MDR Zeitreise 31.07.2018 | 21.15 Uhr