Halloren-Kugeln im Werksverkauf
Halloren-Kugeln im Werksverkauf Bildrechte: MDR/Johannes Schiller

Orte der Arbeit im Osten Halloren: Eine Erfolgsgeschichte

16. April 2019, 14:47 Uhr

Sahnecreme und Kakaomasse – eine Mischung, die bis heute ankommt. Teil der Hallenser Erfolgsgeschichte ist Andreas Patzenhauer. Sein ganzes Arbeitsleben hat er in der Schokoladenfabrik verbracht. In den 1970er-Jahren fing er als Produktionsplaner an. Groß waren damals seine Ziele, doch erreichen musste er vor allem eines:

Im Sozialismus war die Planerfüllung oberstes Gebot. Wenn der Plan nicht erfüllt wurde, gab es richtig Ärger.

Arbeitskräftemangel in Halle

Die Hallorenkugeln wurden damals noch per Hand verpackt. Eine ziemlich aufwändige Arbeit, für die es oft schwer war, gutes Personal zu finden - gerade in Halle. Denn hier war der Arbeitskräftemangel zu DDR-Zeiten besonders groß. Die Leuna-Werke lagen ganz in der Nähe, das Chemie-Dreieck, alle brauchten Personal. Notgedrungen stellte sich der frischgebackene Akademiker auch selbst ans Band.

Offiziersfrauen für die Planerfüllung

Doch irgendwann hatte er die Nase voll. Und eine ziemlich verrückte Idee. Wieso nicht die Frauen sowjetischer Offiziere, die den ganzen Tag nichts zu tun hatten, als Arbeiterinnern anwerben? Kurzerhand fuhr er zur nächstgelegenen Kaserne in Halle. An das Gespräch mit den sowjetischen Kommandeuren kann er sich noch genau erinnern:

"Gleich hieß es: Prost! Auf die deutsch-sowjetische Freundschaft. Da wurden schon die ersten 100 Gramm getrunken, dann die zweiten. Naja, und dann ging es so weiter: trinken, essen, singen, trinken, essen, singen." Sein Mut wurde belohnt. Am Ende arbeiteten 15 sowjetische Offiziersfrauen im Werk. Mit ihrer Hilfe konnte Andreas Patzenhauer die Planvorgaben retten.

Kurz vor dem Aus

Doch Arbeitskräfte waren nur das eine Problem. Im Laufe der 1980er-Jahre begann das Werk regelrecht zu verfallen. "Das Werk befand sich in einem Zustand, den kann man heute gar nicht mehr beschreiben, das glaubt einem kein Mensch. Die Dächer waren so beschädigt, dass es durchgeregnet hat. Wir haben Wannen aufgestellt, um das Wasser aufzufangen", erzählt Andreas Patzenhauer.

Auch nach der Wende blieb er Chef der Einkaufsabteilung, doch mit dem Werk ging es bergab. Denn zunächst wollte niemand mehr Schokolade aus dem Osten essen.

Ausnahme von der Regel

Dass es die Hallorenkugeln heute noch gibt, ist ein Glücksfall. Nach der Wende wurde das Werk 1992 als einer der letzten Betriebe von der Treuhand verkauft. Ein Investor aus Hannover sanierte das Werk für 20 Millionen Euro. Zwischenzeitlich gelang der Firma sogar der Sprung an die Frankfurter Börse. Andreas Patzenhauer hat fast 40 Jahre lang für die Hallenser Traditionspraline gearbeitet. In diesem Frühjahr geht er nun in Rente.

Den Sprung ins Heute haben -  anders als das Hallorenwerk in Halle -  viele Großbetriebe der DDR nicht geschafft. Von den mehr als 8.000 Großbetrieben, die es zum Ende der DDR gab, wurden etwa dreiviertel geschlossen. Ganz Ostdeutschland hat binnen kürzester Zeit eine bis dahin beispiellose De-Industrialisierung erfahren.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch in der Doku-Reihe: Orte der Arbeit - 23.04.2019 | 30.04.2019 | 07.05.2019 | jeweils 22:05 Uhr