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Die tschechoslwakischen Banknoten wurden 1993 zunächst beibehalten, aber mit Aufklebern zu tschechischen bzw. slowakischen Kronen. Bildrechte: Tschechische Nationalbank (ČNB)

TschechienDie tschechische Krone – eine Erfolgsgeschichtevon Cezary Bazydło, MDR GESCHICHTE

11. Januar 2024, 16:54 Uhr

Am 8. Februar 1993, haben die Tschechen eine neue Währung bekommen. Die bis dahin noch gültige tschechoslowakische Krone wurde durch eine eigene Landeswährung ersetzt. Heute ist die tschechische Krone eine der stabilsten Währungen in Europa – weshalb unsere Nachbarn nicht mal im Traum daran denken, sie gegen den Euro zu tauschen, obwohl sie eigentlich seit 20 Jahren dazu verpflichtet sind.

von Cezary Bazydło, MDR GESCHICHTE

Schlimme Szenen hatten die Verantwortlichen befürchtet, als in Tschechien die so genannte Währungstrennung am 3. Februar 1993 verkündet wurde: Panik in der Bevölkerung, Hamsterkäufe und Schlangen vor Wechselstuben, die das einheimische Geld in harte Devisen umtauschten. Entsprechend sorgte man vor. Für die wenigen Tage zwischen Verkündung und Umsetzung der Währungstrennung am 8. Februar wurde jeglicher Zahlungsverkehr eingestellt. An der erst vor einem Monat entstandenen Grenze zur Slowakei half die Armee den regulären Grenzern aus, um ein Überschwappen größerer Altgeldmengen "von drüben" zu verhindern.

Umstellung geht geräuschlos über die Bühne

Schlangen für den Umtausch gab es selten Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch all die Horrorszenarien traten am Ende nicht ein und die Währungsumstellung, eine der größten Operationen dieser Art in der Geschichte, lief fast geräuschlos über die Bühne. Szenen, wie man sie im Juli 1990 in der DDR sah, als die D-Mark in Ostdeutschland eingeführt wurde, gab es nicht – weder übermäßiges Gedränge, noch übermäßige Freude über das neue Geld. Nur vereinzelt bildeten sich am ersten Umtauschtag Schlangen vor den Sparkassen und Postämtern – und lösten sich meist bis Mittag wieder auf.

Maximal 4.000 alte Kronen durften pro Erwachsenem direkt an den Schaltern umgetauscht werden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In den ersten Februartagen 1993 konnten sich die Bürger mit dem neuen Geld versorgen. Der Umtauschkurs lag, anders als bei der Einführung der D-Mark in Ostdeutschland, bei 1:1. Weder an den Preisen, noch an den Löhnen änderte sich etwas. Jeder Erwachsene durfte bis zu 4.000 alte Kronen gegen 4.000 neue tauschen. Wer mehr hatte, musste das Geld auf ein Konto einzahlen oder auf der Post eine Geldanweisung an sich selbst schicken – die eingezahlten alten Kronen kamen dann wenige Tage später als neue Kronen nach Hause.

Tschechoslowakische Kronen werden überklebt

Und die neue Krone wurde Punkt Mitternacht zum 8. Februar 1993 zum einzig gültigen Zahlungsmittel. Wobei sich das neue Geld zunächst nur durch ein einziges Merkmal von dem alten unterschied – auf den alten tschechoslowakischen Scheinen waren kleine Klebemarken angebracht worden, die sie als neue Nationalwährung der Tschechischen Republik markierten. Eigens dafür abkommandierte Bankmitarbeiter waren Wochen vorher schon mit dem Kleben beschäftigt. Genau die gleiche Methode war übrigens schon 1919 nach der Ausrufung der eigenständigen Tschechoslowakei angewandt worden, als man die Kronen-Scheine von Österreich-Ungarn auf diese Art und Weise in tschechoslowakische umwandelte.

Münzschwemme durch Tricksereien

Aufkleber drauf und fertig war die neue tschechische Krone Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Und auch wenn im Großen und Ganzen alles geordnet verlief, ein wenig Raum für kleine Betrügereien war trotzdem geblieben. Vor allem entlang der neu entstandenen slowakisch-tschechischen Grenze. Denn während in der Slowakei alle alten Scheine ausnahmslos mit Klebemarken versehen wurden, kursierten in Tschechien die kleinen Nominale unverändert weiter. Auch die Münzen blieben zunächst noch auf beiden Seiten der Grenze dieselben. Findige Slowaken horteten also Metallgeld, wenn sie beim Nachbarn einkaufen gehen wollten – oder entfernten von den kleinen Scheinen die Klebemarken der Slowakischen Nationalbank. Mitarbeiter grenznaher tschechischer Bankfilialen erinnern sich noch heute an die Münzschwemme von damals und die kleinen Münzberge, die sie aus Platzmangel sogar in den Gängen stapeln mussten.

Tschechien lässt Münzen in Deutschland prägen

Erst im Laufe der folgenden Monate kamen in beiden Nachfolgerepubliken der Tschechoslowakei neue Banknoten und Münzen in Umlauf, die sich deutlich voneinander unterschieden. Das tschechische Hartgeld wurde in Deutschland geprägt, da die ehemalige Staatsmünze sich nunmehr in der Slowakei befand. Bis Sommer 1994 war das Provisorium mit den Klebemarken dann endgültig Vergangenheit.

Euro in Tschechien? Nein, danke.

Und während die slowakische Krone zunächst einmal wegen der geringeren Wirtschaftskraft des Landes eine enorme Abwertung erfuhr, wurde die tschechische Krone zu einer Erfolgsgeschichte. Für viele Menschen hat sie eine ähnliche emotionale Bedeutung wie einst die 1948 eingeführte D-Mark für die Deutschen – weshalb die meisten Tschechen nicht mal im Traum daran denken, sie gegen den Euro zu tauschen. Seit Jahren bleibt die Zahl der Tschechen, die den Euro ablehnen, konstant hoch. Inzwischen sind, je nach Umfrage, etwa drei Viertel aller tschechischen Bürger gegen die Gemeinschaftswährung – und das, obwohl ihr Land eigentlich seit seinem EU-Beitritt 2004 verpflichtet ist, sie einzuführen. Das Problem dabei: Es wurde kein verbindliches Datum festgelegt.

Tschechische Krone gewinnt an Wert

Die Tschechen vertrauen viel stärker der eigenen Währung als ihre ungarischen oder polnischen Nachbarn. Doch es gibt auch rationale Gründe für das Festhalten an der Krone. Im Laufe der Jahre hat die Krone gegenüber den Weltwährungen Euro und Dollar an Wert gewonnen. Musste man bei der Euro-Einführung im Jahre 2002 noch 32 Kronen für einen Euro berappen, sind es heute nur noch knapp 25 Kronen. Ein paar Jahre lang hielt die Tschechische Nationalbank den Kronenkurs sogar künstlich niedrig, aus Angst, dass die dortige Exportwirtschaft für den Weltmarkt zu teuer werden könnte – woran im Land an Elbe und Moldau Tausende Arbeitsplätze hängen.

Lange Zeit machte sich auch eine niedrige Inflation, die in vielen Jahren deutlich unter der Inflation in der Eurozone lag, angenehm im Portemonnaie bemerkbar. So konnten die Bürger zeitweise von äußerst günstig verzinsten Krediten profitieren – weshalb die Tschechen sich nie massenhaft in Fremdwährungen verschuldeten, anders als ihre polnischen und ungarischen Nachbarn, die ihre Immobilien mit riskanten Fremdwährungskrediten finanzierten.

Allerdings sind diese Zeiten inzwischen vorbei. AUfgrund der Nullzins-Politik hatte in den letzten Jahren vor der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg die Eurozone deutlich niedrigere Zinsen, und die Inflation lag Tschechien 2022 mehr als doppelt so hoch und 2023 fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Hier machten sich nach Ansicht einiger Ökonomen die Nachteile einer kleinen Nationalwährung bemerkbar.

Der "Schweizer Franken" Osteuropas?

Auch wenn die tschechische Wirtschaft derzeit schwächelt – die über Jahre anhaltende Währungsstabilität hat der tschechischen Krone den Ruf des "Schweizer Franken" Osteuropas eingebracht. Weshalb der Euro an der Moldau keinen guten Stand hat.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Heute im Osten – Der Osteuropa-Podcast | 06. Januar 2024 | 07:17 Uhr