Porträt Tischlermeister Timme: "Das Herz muss auch dabei sein"

Einen Familienbetrieb in Eilsleben leiten, in Tansania helfen, sich in seiner Gemeinde engagieren – warum er das alles macht? Tischlermeister Christoph Timme findet es selbst immer noch heraus. Der Weg ist das Ziel. Zuletzt initiierte er in einem tansanischen Bergdorf den Bau eines Wasserkraftwerkes mit. Der erzeugte Strom soll auch helfen, die diakonische Arbeit vor Ort zu finanzieren. Wie das alles kam, erzählt der 51-Jährige im Porträt.

Glaubwürdig: Christoph Timme 5 min
Glaubwürdig: Christoph Timme Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wenn Christoph Timme eine Kirche betritt, schaut er erstmal nicht andächtig, sondern mit professionell-prüfendem Blick. Der 51-Jährige ist Tischler und Restaurator. In Westeregeln im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt hat er zuletzt die 600 Sprossenfenster überarbeitet, im Moment ist die Kirchentür dran:

"Jedem der mit einer gewissen Leidenschaft bei seinem Beruf ist, wird es so gehen: Der Musiker wird auf die Akustik hören, ich gucke eben auf die Dinge aus Holz", sagt er. Andererseits erledigt er sein Tagwerk auch nicht nur profan als Tischler: "Der christliche Glauben trägt schon einen großen Teil davon, einen wichtigen Teil", sagt er.

Handwerk mit Herz und Verstand

Vor 50 Jahren gründete Christophs Vater den Familienbetrieb in Eilsleben im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt. Und Rüdiger Timme steht mit seinen 82 Jahren immer noch fast täglich an der Werkbank: "Was gibt es Schöneres?", sagt er. Seine Leidenschaft hat sich auf den Sohn übertragen. Heute sind in der Tischlerei Timme 13 Mitarbeiter beschäftigt, die Fenster, Türen oder Möbel bauen und restaurieren. Um so lange durchzuhalten, braucht es Christoph Timme zufolge "'ne rechte und 'ne linke Hand, 'nen guten Verstand", aber: "Das Herz muss auch dabei sein", betont er.

Eilsleber Familienbetrieb seit 50 Jahren

Ein Mann steht in einer Holzwerkstatt und hält ein Werkzeug in den Händen.
Rüdiger Timme begründete den Familienbetrieb vor 50 Jahren. Bildrechte: MDR / Glaubwürdig

Nur so gelinge die Kunst, aus diesem besonderen Material schöne und sinnvolle Gegenstände zu machen und sie zu erhalten: "Es ist einfach großartig, was man mit Holz machen kann." Über das Tischlern hinaus haben die Timmes auch eine besondere Begabung, menschliche Verbindungen zu schaffen. Und die reichen seit mehr als 30 Jahren bis nach Afrika. Seit 1987 zwei Diakonenschüler während ihres Studium in Deutschland zu einer kurzen Tischlerausbildung in der Werkstatt waren, gibt es enge Kontakte nach Tandala, ein Dorf im Süden Tansanias.

Dort haben die Timmes auch mit Hilfe von Spenden seit 2002 den Aufbau einer kompletten Tischlerei realisiert, die inzwischen erfolgreich arbeitet und auch Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Zwischen 2012 bis 2015 wurden ein größeres Werkstattgebäude und ein Holzlager gebaut. Und erfolgreich soll es weitergehen. Fast täglich steht Christoph Timme via Smartphone in Kontakt. Denn zum Projekt gehört für ihn auch fachliche Beratung, neben soliden Maschinen auch Aus- und Weiterbildung.

Hilfe zur Selbsthilfe in Tansania

Zwei Männer arbeiten an einer Maschine.
2002 begannen die Timmes, eine Tischlerei in Tandana aufzubauen, die inzwischen erfolgreich läuft. Bildrechte: Privat

Tandala liegt in den Bergen nördlich des Malawi-Sees auf fast 2.000 Metern Höhe und rund 800 Kilometer von Daressalam entfernt. Im Dorf entstand ein Diakoniezentrum mit rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Hilfe für kranke und behinderte Menschen im weiten Umkreis der Süd-Zentral-Diozöse organisieren. "Im Moment gibt es in Tansania keine staatlichen Mittel für Behindertenarbeit, für Seelsorge, Hilfe für kranke Kinder", erklärt der Familienvater. Seine drei Söhne wuchsen behütet in Eilsleben auf, besuchten den 120 Jahre alten Gemeindekindergarten, den die Mutter einst leitete und mit dessen Um- und Ausbau Christoph Timme nun beauftragt ist.

Neues Projekt: Wasserkraftwerk für Strom in Tandala

Ein Rohr liegt in einer staubigen Landschaft.
Nun soll ein Wasserkraft für die Stromversorgung in Tandana enstehen. Bildrechte: Privat

Viel zu tun. Trotzdem will er auch künftig in Tandala Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: "Wir hängen in der Welt zusammen und wir sind voneinander abhängig, auch wenn wir so weit voneinander weg sind." Bestimmte Abhängigkeiten aber sollten geringer werden, findet er. Deshalb hat er zuletzt den Bau eines Wasserkraftwerkes vor Ort mitinitiiert. Die Idee: Der Strom soll in das Netz zur Versorgung des Ortes eingespeist werden und zugleich die diakonische Arbeit finanzieren helfen. In den letzten 12 Monaten war er dreimal für mehrere Wochen in Tansania, um mit seinem Know How zu helfen. Timme will den Bau einer 12 Kilometer langen Stromleitung unterstützen. Während der Bau dort voranschreitet, beendet der junge Asifiwe Kilumbe gerade seine Ausbildung in der Tischlerei Timme in Eilsleben. Seit drei Jahren hat er einen festen Platz am Familientisch.

Mit Gottvertrauen

Ein Mann steht in einer Kirche und schaut nach oben.
Für die Egelner Kirche hat Christoph Timme 600 Sprossenfenster restauriert. Bildrechte: MDR / Glaubwürdig

Einen Familienbetrieb leiten, jeden Auftrag so erledigen, als wäre es der erste und einzige, in Tansania helfen, sich in seiner Gemeinde in Eilsleben engagieren und Posaune spielen – warum er das alles macht? Während sein Blick durch die Westeregelner Kirche wandert, sagt Christoph Timme: "In der Jugend habe ich mich schon manchmal gefragt, was ist der Weg. Nicht nur: 'Was ist der Weg für mich?', sondern: 'Welchen Weg denkt Gott für mich, passt das überhaupt zusammen?' Und da merke ich immer mehr, ja das passt."

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 04. Februar 2023 | 18:45 Uhr