Alte Frau mit Kerze in einer Kirche
Szene aus dem preisnominierten Film "Matuschka", der die Geschichte einer 100 Jahre alten Nonne erzählt. Bildrechte: ADAMI Medienpreis

ADAMI Medienpreis Kulturelle Vielfalt in Osteuropa

25. November 2016, 18:09 Uhr

In Kiew ist am Donnerstagabend der ADAMI Medienpreis verliehen worden. Prämiert wurden die besten Filme und Websites, die sich mit der kulturellen Vielfalt in Osteuropa beschäftigen. Zu der feierlichen Gala im Säulensaal des Kiewer Rathauses kamen Fernsehstars, Journalisten und Diplomaten aus verschiedenen osteuropäischen Ländern.

Der Preis wurde in sechs Kategorien vergeben: Unterhaltung, Dokumentation, Nachrichten, Studenten-Filme, Web-Clips und Onlineprojekte. Ausgezeichnet wurden Arbeiten aus den Ländern der Östlichen Partnerschaft der EU – Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldawien und der Ukraine. Einige der preisgekrönten und nominierten Produktionen stellen wir vor:

"Generation Emigration"

Osteuropa

Friseurin bei der Arbeit 2 min
Bildrechte: ADAMI Medienpreis

Der Film untersucht das Phänomen der massenhaften Auswanderung aus der Republik Moldawien. Im Schnitt kehren jeden Tag 106 Moldauer ihrem Land den Rücken, weil sie keine angemessenen Erwerbsmöglichkeiten finden. Das Thema wird am Beispiel von drei jungen Menschen erzählt, die nach Rumänien, Großbritannien und in die Schweiz emigriert sind. Sie haben die Heimat verlassen, weil sie keinen anderen Weg sahen, sich ihre Lebensträume zu erfüllen. Wir sehen, wie diese jungen Migranten in ihrer neuen Umgebung gegen Vorurteile ankämpfen müssen, um in der Gesellschaft zurechtzukommen. Die persönlichen Storys werden mit gut visualisierten Zahlen und Fakten über die Situation in Moldawien kombiniert. Der Film beschäftigt sich mit einer Herausforderung, derer sich viele Europäer nicht bewusst sind: Der Armutsmigration innerhalb des Kontinents, die man genauso wie die Flüchtlingskrise in Afrika und im Nahen Osten bewältigen muss. Er macht auf die Situation vieler osteuropäischer Länder aufmerksam, die massenhaft junge Talente verlieren, obwohl sie sie dringend brauchen.

"The Foreigner"

Osteuropa

Mann 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In dieser Serie dokumentarischer Kurzfilme werden drei Ausländer porträtiert, die sich die Ukraine als Heimat für ihre Geschäfte gewählt haben. Die Filmemacher zeigen, wie diese Westeuropäer das Land verändern. Der Österreicher Thomas Brunner etwa ist Schweinezüchter, aber einer mit einer Vision. "Ich will in der Ukraine Fleisch produzieren und damit, wie ich hoffe, die Welt retten“, sagt er. Die drei Geschäftsmänner haben eine Menge Geld, Zeit und Energie investiert, um ihre Unternehmen aufzubauen, nach westlichen Standards und Werten. Sie sind in die ukrainische Gesellschaft integriert, bekommen aber die Ressentiments der Einheimischen zu spüren. Auf der einen Seite verhelfen sie der Region zu Prosperität, schaffen Arbeitsplätze und Raum für Visionen – auf der anderen Seite bleiben sie Fremde, die aus dem reichen Westen stammen und eine Bedrohung für die ukrainischen Mitbewerber darstellen. Der Film fesselt mit einer exzellenten Kameraarbeit, unerwarteten Wendungen und einem großen Sinn für Humor. Und er zeigt das Potential der Ukraine, wieder zu blühen.

"Brazil meets Belarus"

Osteuropa

Mensch sprayt Bild an eine Wand 1 min
Bildrechte: ADAMI Medienpreis

Unterhaltsam und mit Liebe zum Detail zeigt die kurze Reportage über das Street Art Festival "Vulitsa Brasil" in Minsk die Transformation von grauen Stadtvierteln in bunte Attraktionen. Einige der besten Straßenkünstler Südamerikas vereinigen ihre Kräfte mit weißrussischen Kollegen und zeigen in ihren Werken, auf Straßenmauern, Häuserwände und Fabrikhallen gemalt, die Stärke der Vielfalt. Straßenkunst wird als brückenbauendes Element gezeigt, der hilft, kulturelle Unterschiede zu überwinden. Das Thema wurde auf eine junge und hippe Art umgesetzt – der Film kombiniert experimentelle Zeitraffer-Sequenzen, Musikclips und Kurzinterviews.

"Matuschka"

Osteuropa

Alte Frau mit Kerze in einer Kirche 2 min
Bildrechte: ADAMI Medienpreis

Das Schicksal der fast 100 Jahre alten Ana Boitschenko alias Mutter Agrippina steht für das Leben vieler osteuropäischen Frauen in dem wechselhaften 20. Jahrhundert. "Matuschka" erinnert in tiefgründigen Gesprächen mit der alten Nonne an die Ära der religiösen Verfolgung, Enteignung und Massendeportationen. Heute lebt Boitschenko in Georgien und hat im Frauenkloster Urbnisi ihren Frieden gefunden. Der Film widersteht der Versuchung, voreilig zu urteilen oder gar zu verurteilen. Stattdessen werden die Erinnerungen der Heldin mit vorsichtig ausgewähltem Material inszeniert. Mutter Agrippina spricht über ihr Leben, und die Kamera nimmt einen genauen Blick auf diese außergewöhnliche Frau in ihrer abgekapselten Umwelt. Der Film überzeugt außerdem mit seiner ruhigen Bildsprache und der emotionalen Nähe zu der alten Nonne, die trotz ihres widrigen Schicksals keinen Hass mit sich herumträgt. Stattdessen ruft "Matuschka" zu Aussöhnung und Verständnis auf. Ein scharfsinniger Film mit einer wichtigen Botschaft.

"Bike Portraits"

Osteuropa

Verschiedene bunte Symbole bilden ein Fahrrad 1 min
Bildrechte: ADAMI Medienpreis

Der animierte Dokumentarfilm setzt sich auf unterhaltsame Art und Weise mit den Eigenschaften der Radfahrer und der Fahrradkultur an verschiedenen Orten der Welt auseinander. Der Autor beginnt mit den Fahrradgewohnheiten in mehreren ukrainischen Städten und erweitert seinen Focus anschließend auf andere Länder. So wird sein Film zu einer Fahrradtypologie der Nationen, wobei die "persönliche" Beziehung zwischen Radfahrer und Fahrrad stets im Mittelpunkt bleibt. Mit viel Humor und großartigen Animationstechniken zeigt der Film spielerisch, was Menschen gemeinsam haben und was sie voneinander unterscheidet. Eine Radtour durch die kulturelle Vielfalt.

Vielfalt als Online-Thema

Jury des ADAMI Medienpreises bei den Beratungen in Batumi (Georgien), 2016
Neben Filmen hat die Jury des ADAMI Medienpreises herausragende Onlineprojekte gewürdigt. Bildrechte: ADAMI Medienpreis

Nominiert wurden auch Internetseiten. Die multimediale Plattform "My Angle" stellt Inhalte aus verschiedenen Quellen im südlichen Kaukasus zur Verfügung, um für gegenseitiges Verständnis zu sorgen. Die Website dient als Netzwerk, das Journalisten, Filmemacher, Fotografen, Künstler und Musiker verbindet und die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen dieser Beruf fördert.

"Brink" ist ein transmediales Projekt, das verschiedene Aspekte der kulturellen Vielfalt in Georgien auf einer interaktiven Karte visualisiert. Dokumente, Kurzfilme, Sprach- und Fotosequenzen werden eingesetzt, um Geschichten von Grenzen und Grenzziehungen in diesem Land zu erzählen.

Die Jurysitzung des ADAMI Medien-Preises fand dieses Jahr an einem symbolträchtigen Ort statt – in Batumi, der multikulturellen Stadt an der Küste von Georgien mit einer christlich-muslimisch gemischten Bevölkerung und einer Vielfalt von ethnischen Minderheiten. Die Juroren – Journalisten, Filmemacher und internationale Experten für die Region – hatten fünf Tage Zeit, um nach vielen Filmvorstellungen aus mehr als 200 Beiträgen Nominierte und Gewinner auszuwählen.

Der ADAMI Medienpreis wurde vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland und der ProCredit Holding gestiftet. Er wird von zahlreichen internationalen Medienpartnern unterstützt, unter anderen der Europäischen Rundfunkunion, dem Zweiten Deutschen Fernsehen und dem Mitteldeutschen Rundfunk. Die diesjährige Preisverleihung wird im moldawischen, georgischen und ukrainischen Fernsehen live übertragen. Die Schirmherrschaft hatten der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, und die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatović, übernommen.

Verleihung des ADAMI Medienpreises für kulturelle Vielfalt in Osteuropa, Kiew, 24.11.201 3 min
Bildrechte: ADAMI Medienpreis