Hungerstreik polnischer Ärzte weitet sich auf ganzes Land aus

13. Oktober 2017, 12:52 Uhr

Der Hungerstreik polnischer Ärzte in Warschau weitet sich auf das ganze Land aus. Damit protestieren die Mediziner gegen das marode Gesundheitssystem, das mehrere Todesopfer unter überarbeiteten Ärzten gefordert hat.

In mindestens drei polnischen Städten wollen weitere Ärzte ab Dienstag in den Hungerstreik treten. Das erklärte der Sprecher der Streikenden Ärzte, Jarosław Biliński, in Warschau gegenüber der Tageszeitung "Gazeta Wyborzca". Zuvor konnten sich Ärzte und Regierung nicht auf einen Kompromiss einigen. Am Wochenende hatte es bereits öffentliche Proteste zur Unterstützung der Ärzte gegeben.

Warum die Nachwuchsärzte unzufrieden sind

Lukasz Jankowski, der Chef des Verbands der Assistenzärzte sagte, Regierungschefin Beata Szydlo sei nicht auf einen Dialog aus. Vielmehr habe sie gedroht, es gebe kein weiteres Treffen mit ihr, sollte der Nachwuchs seinen Protest nicht einstellen. Dem TV-Sender "Polsat News" sagte Jankowski, man werde seit langem von der Regierung vertröstet, dass sich demnächst etwas im polnischen Gesundheitswesen ändern werden.

Die Veränderungen müssten aber unverzüglich umgesetzt werden. Er selbst arbeite als Assistenzarzt rund 300 Stunden monatlich und bekomme dafür als Nettogehalt 2.183 Zloty – umgerechnet 510 Euro. Wegen der chronischen Unterfinanzierung hatten die Nachwuchsärzte Alarm geschlagen, 20 waren Anfang Oktober im zentralen Kinderkrankenhaus in Warschau in den Hungerstreik getreten. Inzwischen setzen 30 Assistenzärzte die Streik-Aktion fort.

Angebot von polnischer Regierung

Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hatte am Mittwoch versprochen, dass ab dem kommenden Jahr der Etat für Ärztegehälter um 40 Prozent angehoben werden solle. Auch soll das Mindestgehalt der Assistenzärzte bis Ende 2021 auf monatlich 5.251 Zloty steigen - umgerechnet rund 1.220 Euro.

Auf die zweite Forderung der Assistenzärzte nach einer Erhöhung der Gesamtausgaben für das Gesundheitssystem hatte Szydlo erklärt, dass derzeit an einem entsprechenden Gesetz gearbeitet werde. Man plane eine Anhebung auf sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Nachwuchsärzte fordern kurzfristig die Anhebung auf 6,8 Prozent des BIP und langfristig auf neun Prozent.

Zugleich hatte die Regierungschefin ein Expertengremium vorgeschlagen, dass sich mit den weiteren Forderungen befassen soll, den streikenden Ärzten jedoch nur bis zum heutigen Tag Bedenkzeit gegeben, ob sie sich daran beteiligen wollten.

Nach Dienstschicht gestorben

Auslöser des Hungerstreiks ist auch der Tod einer Warschauer Ärztin. Die 39-Jährige war Mitte September nach ihrem Dienst kollabiert und verstorben. Sie ist bereits die vierte polnische Medizinerin, die in diesem Jahr während oder kurz nach einer Dienstschicht gestorben ist.

Polnische Assistenzärzte erhalten derzeit monatlich 2.200 Zloty in ersten Praxisjahren nach dem Studium. Umgerechnet sind das etwa 515 Euro. In Warschau, wo bereits eine durchschnittliche Einzimmerwohnung über 300 Euro Miete kostet, bleibt den Nachwuchsärzten damit kaum etwas zum Leben. Polnischen Medienberichten zufolge arbeiten viele Assistenzärzte in mehreren Krankenhäusern oder schieben Doppelt- und Dreifachschichten.

Über dieses Thema berichtet MDR auch im: Fernsehen | 02.06.2017 | 19:30 Uhr