Interview Wie Osteuropa mit dem Diesel-Abgasskandal umgeht

02. August 2017, 13:53 Uhr

Der Diesel-Abgasskandal deutscher Fahrzeuge interessiert in Osteuropa kaum jemanden. Dabei haben Länder wie Polen und Tschechien bei den Umweltfragen massiv aufgeholt, meint Fahrzeug-Experte Albrecht Köhler.

Ist der deutsche Diesel-Skandal auch in Osteuropa ein Thema?

Das Thema wird nicht wie bei uns auf der ersten Seite diskutiert, wenn Sie die Zeitungen lesen. Dort ist es eher ein B-Thema. Aber das ist ja auch nicht nur in Polen, Tschechien oder Rumänien so, sondern auch in Frankreich oder England. Dabei haben die beiden letztgenannten Länder sich sehr viel globaler mit dem Thema beschäftigt und ein Verbot für diese Verbrennungsmotoren durchgesetzt, das bis 2035 beziehungsweise 2040 greifen soll. Aber auch in diesen Ländern wird das Thema nicht so hysterisch diskutiert wie bei uns.

Wird in Osteuropa nicht so viel Wert auf Umweltschutz gelegt?

Albrecht Köhler
Albrecht Köhler war bis 2016 Manager bei Russlands Automobilhersteller GAZ-Gruppe Bildrechte: Albrecht Köhler

Nein, das würde ich nicht sagen. Die zur EU gehörenden osteuropäischen Länder unterliegen ja der gleichen Gesetzgebung wie die gesamte EU. Auch wenn sie die ein oder andere Sonderregelung für eine spätere Umsetzung haben. Aber für sie gelten die gleichen Abgasnormen in der europäischen Gemeinschaft wie für uns auch. Und es geht ja nicht nur um den Straßenverkehr, sondern auch um Umweltgesetze im Bereich der Industrie. Hier können Polen, Tschechien oder auch Rumänien durchaus Schritt halten. Die osteuropäischen Länder haben beim Thema Umwelt eine Menge aufgeholt.

Trotzdem ist die Luft in Polen extrem schlecht.

Das Problem in Osteuropa ist, dass dort noch sehr viel Altbestand auf den Straßen verkehrt, wie Euro 0 bis Euro 3. Bei uns sind diese Uralt-Diesel, abgesehen vom Lkw, schon ausgestorben. In Deutschland gilt ja schon Euro 6.

Sie sagen, europaweit gelten die gleichen Richtwerte. Nun wird ein Großteil der in Deutschland ausgemusterten Diesel-Fahrzeuge aber sicher nach Osteuropa gehen. Werden also die Fahrzeuge, die in Deutschland die Norm nicht erfüllen, demnächst in Osteuropa die Luft verpesten?

Ja, das ist in der Tat ein Thema. Viele Gebrauchtfahrzeuge, die bei uns ausgemustert werden, finden einen Zweitmarkt in Osteuropa. Vielleicht werden sich die dortigen Gesetzgeber auch mal damit befassen, dass die importierten Gebrauchtwagen nachgerüstet werden, bevor sie zugelassen werden können. Aber diese Diskussion findet derzeit noch nicht statt.

Wie weit sind die osteuropäischen Länder in Sachen umweltfreundliche Antriebe?

Das Thema wird in Deutschland verknappt dargestellt. Hier hat man sich festgelegt: Es muss der Elektro-Antrieb sein. Dabei ist noch gar nicht bewiesen, ob der wirklich das umweltschonendste ist. Wenn man sich die Umweltbilanz eines Elektroantriebs ansieht, von der Herstellung einer Batterie bis zum Recycling, dann ist diese Variante auf keinen Fall umweltfreundlicher.  

Russland hat zum Beispiel sehr viele Gas-Fahrzeuge. Es wird dort sehr viel experimentiert damit. Bei uns ist dieses Thema wieder in Vergessenheit geraten, weil es zu kompliziert ist und es dafür zu viel Platz im Kofferraum braucht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL im: Fernsehen | 01.08.2017 | 19:30 Uhr