Pro und Contra Direktwahl Dieter Bohlen for Bundespräsident?

26. Januar 2018, 12:17 Uhr

In vielen osteuropäischen Staaten wählt das Volk seinen Präsidenten direkt, wie etwa in Tschechien. Auch die Deutschen wünschen sich das, doch es spricht auch vieles dagegen.

Tschechiens Präsident Miloš Zeman wird gern als Donald Trump des Ostens bezeichnet. Laut, populistisch und vor allem von sich überzeugt. Zeman führt, wenn es um präsidiale Pflichterfüllungen geht, die ihm nicht in den Kram passen, gern sein Totschlagargument an: Er sei kein Notar, sondern ein demokratisch gewählter Mandatsträger mit einem freien Willen.

Miloš Zeman ist der erste Präsident in der Geschichte Tschechiens, der direkt vom Volk gewählt ist. Seine Vorgänger wurden vom Parlament bestimmt. Der tschechische Politikwissenschaftler Ondrej Matejka erklärt, wie es zur Änderung im Jahr 2013 kam:

Die Öffentlichkeit hat diese Wahlen oft als abscheulich betrachtet, weil da der Großteil unschön im Hintergrund verhandelt wurde. Also haben die Parteien dem Volk den populistischen Schritt angeboten, seinen Präsidenten direkt zu wählen.

Ondrej Matejka HEUTE IM OSTEN

Starke Männer und "Hüter des Kronleuchters"

Tschechien liegt mit der Direktwahl des Präsidenten im osteuropäischen Trend. Polen, Russen, Litauer, Rumänen, Kroaten, Belarussen, Mazedonier, Serben, Slowenen, Bulgaren und Slowaken – sie alle dürfen ihre Staatsoberhäupter unmittelbar bestimmen. In einigen Ländern hat der Präsident viel zu sagen, ist der starke Mann, wie etwa in Russland. In anderen gilt er eher als "Hüter des Kronleuchters", wie in Polen.

Konkurrenz zu Parlament und Regierung?

In Tschechien gesteht die Verfassung dem Präsidenten eine ähnliche Rolle zu. Allerdings habe man das bei der Änderung des Wahlmodus nicht bedacht, sagt Matejka. Eine echte Debatte darüber, wie sich das Machtverhältnis innerhalb einer Demokratie verschiebt, wenn plötzlich neben dem Parlament ein weiterer Mandatsträger das Volk als Legitimation im Rücken hat, die habe es nämlich erst im Nachhinein gegeben.

Mehrheit der Deutschen für Direktwahl

Auch in Deutschland ist die Idee, den Bundespräsidenten direkt per Kreuzchen hinter einem Namen zu bestimmen, im Volk sehr populär. Bisher wählt die Bundesversammlung, bestehend aus 1.260 Wahlmännern und -frauen das deutsche Staatsoberhaupt aus einem Kreis von Kandidaten, die die Parteien vorher aufgestellt haben. Die Diskussion über dieses Prozedere flammt alle fünf Jahre auf, Menschen starten Petitionen, sammeln Pro und Contra.

"Nach Roman Herzog wurde dieses Amt missbraucht, um willfährige Marionetten der Regierung dort einzusetzen. Das Volk muss gefragt werden, von wem es repräsentiert werden will", heißt es da zum Beispiel von Seiten der Befürworter auf einer Plattform für Bürgerinitiativen und Petitionen. Die Staatsverdrossenheit werde durch mehr Partizipation reduziert, meinen sie. Die Gegner warnen an gleicher Stelle vor einem Personenkult: "Dann haben wir bald irgendeinen Dieter Bohlen oder so als Staatsoberhaupt. Ich finde eine solche Fokussierung auf eine Person äußerst gefährlich. Da braucht nur einer mit dem nötigen Charisma zu kommen, der die Medien im Rücken hat und schon haben wir ... könnt ihr euch ja denken."

Auch Verfassungsrechtler warnen vor der Einführung der Direktwahl, denn auch in Deutschland ist der Bundespräsident schwach. Er hat im Bezug auf die Tagespolitik nichts zu sagen und ist somit schwächer als der Bundeskanzler, der ja auch nur vom Parlament und nicht direkt vom Volk gewählt wird. Sollte sich das ändern, befürchten Verfassungsrechtler ein ständiges Machtgerangel zwischen den beiden Ämtern.

Tschechiens Präsident soll eigentlich neutral sein

Wie das in der Praxis aussehen könnte, lässt sich in Tschechien beobachten. Zeman beansprucht seit dem ersten Tag im Amt für sich die Legitimität eines vom Volk gewählten Mandatsträgers und versteht sein Amt keineswegs als repräsentativ, das es laut Verfassung eigentlich ist. "Zeman hat die Verfassung gedehnt, in dem er die Grenzen seiner Befugnisse sehr weit verschoben, einige in Tschechien meinen sogar überschritten, hat", sagt Matejka. Eigentlich solle der Präsident nämlich überparteilich sein, sich ähnlich wie in Deutschland aus der Tagespolitik raushalten. Zeman aber hat sich wiederholt gegen den – mittlerweile ehemaligen – sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka ausgesprochen. Vor allem, um seine eigenen Günstlinge in der Partei in wichtige Ämter zu hieven, vermutet Matejka.

Auch vor der aktuellen Präsidentschaftswahl gab es wieder Debatten in Tschechien für und wider die Direktwahl. Miloš Zeman hatte sehr viele Gegenkandidaten. "In den Augen vieler Tschechen spielt das Zeman in die Hände, weil seine Gegner sich quasi gegenseitig ausstechen", sagt Matejka und merkt gleichzeitig an, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die Direktwahl in Tschechien wieder rückgängig gemacht werde. "Die Tschechen versuchen jetzt einfach, sich an die Spielregeln anzupassen. Ob sie es gut finden oder nicht."

(ele)

Über dieses Thema berichtet MDR Aktuell auch im: TV | 27.01.2018 | 21:45 Uhr