(Un)geliebte Währung Top oder Flop? Am Euro scheiden sich die Geister

05. Januar 2020, 12:52 Uhr

An wohl kaum einer Währung haben sich so viele und so hitzige Debatten entzündet, wie am Euro. Während ihn die einen als mindestens verfrüht oder gar unbrauchbar ablehnen, loben ihn andere als gelungenes Projekt: als erfolgreiche, harte Währung.

Der Euro sei wie ein ungeborenes Kind: Niemand wisse, ob es ein Genie oder ein Dummkopf werde, meinte der 1999 verstorbene Börsen-Experte André Kostolany. Auf seine gewohnt bedächtige Art, hielt er sich vornehm zurück. Das Polemisieren überließ er anderen. Und die taten das reichlich. Politiker, Wirtschaftsfachleute, Banker meldeten und melden sich zu Wort. So auch der damalige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan. Er gab der Währung schon 1997 keine Chance:

Der Euro wird kommen, aber er wird keinen Bestand haben

Alan Greenspan

Und noch ein US-Amerikaner redete die neue Währung von Anfang an schlecht: George Soros. Der Großinvestor und Präsident von Soros Fund Management meinte im März 1999:

Der Euro ist dazu bestimmt, eine schwache Währung zu sein.

George Soros

Ganz anders sah das Altbundeskanzler Helmut Kohl 2002 in seiner Rede zur Einführung des Euro:

Dieses Geld wird eine große Zukunft haben.

Altbundeskanzler Helmut Kohl

Und auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, damals Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, versprühte 1996 Optimismus:

Ihr könnt darauf vertrauen, dass der Euro eine stabile Währung sein wird. Das funktioniert.

Wolfgang Schäuble

Wim Duisenberg, erster Präsident der Europäischen Zentralbank, wurde bei der Präsentation der Euro-Scheine am 31. August 2001, sogar pathetisch:

Dies ist ein Augenblick, in dem der Mantel der Geschichte uns streift.

Wim Duisenberg
Euro Europa
Bildrechte: MDR JUMP

155 deutsche Professoren stemmten sich mit vereinter Fachkompetenz gegen die -wie sie meinten- verfrühte Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung und forderten eine Verschiebung der Währungsunion. Sie klagten 2001 sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Ökonomen Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty meinten:

Der Euro wird zum Symbol der Wirtschaftskrise.

Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Hankel und Joachim Starbatty

Von einem Symbol sprach auch Paul Krugman, Nobelpreisträger und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Princeton University, im Mai 2001:

Der Euro ist der Triumph eines Symbols über die Substanz.

Paul Krugman

Und die Schweiz zog sich von Anfang an auf ihren neutralen Status zurück:

Für mich ist der Euro eigentlich nicht relevant.

Hans Meyer, ehemaliger Präsident der Schweizerischen Nationalbank

Für die Menschen im Euroraum sollte alles besser werden. Hans Eichel, der damalige Bundesfinanzminister, im Dezember 2001 voller Zuversicht:

Auf mittlere Sicht erwarte ich, dass die Preise für Autos und Medikamente sinken. Der Euro ist kein Teuro. Er ist genauso hart wie die D-Mark, auch im Verhältnis zum Dollar.

Hans Eichel

Einer seiner Amtsvorgänger, Theo Waigel, sah das auch 2008 auf dem Wirtschaftsforum in Brüssel noch so:

Vor zehn Jahren sagte ich, der Euro wird so stark sein wie die Deutsche Mark, und ich hatte Recht!

Theo Waigel

Und auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel war und ist der Euro ein Erfolgsprojekt. Sie sagte in ihrer Rede zum 10. Jahrestag der EZB am 3. Juni 2008:

Der Euro ist nicht nur ein wirtschaftlicher Erfolg. Er wirkt auch weit über den Rahmen der Geldpolitik hinaus. Heute zahlen etwa 320 Millionen Menschen mit der gleichen Währung. Damit teilen sie etwas Alltägliches. Das stiftet Identität. So ist der Euro auch Symbol und Motor des Zusammenwachsens und Zusammenlebens in Europa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

In einigen EU-Ländern sieht man das offenbar ganz anders. Dort zögert man, die Gemeinschaftswährung einzuführen. Und das, obwohl das mit dem Beitritt zur Europäischen Union bindend zugesagt worden ist. In Dänemark und Schweden wird man wohl sobald nicht mit dem Euro zahlen (können). Große Teile der Bevölkerung sind in beiden Ländern dagegen. Auch Polen hat sich bislang nicht auf einen Termin für die Einführung des Euro  festgelegt. Laut einer Umfrage von 2013 will jeder zweite Bürger lieber den Zloty behalten. Und so meint Pawel Swidlick von der Denkfabrik "Open Europe" denn auch:

Polen ist in einer ähnlichen Situation wie Dänemark und Schweden, und von denen wird keiner den Euro innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre einführen.

Pawel Swidlick

Noch deutlicher wurde der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Er sehe für sein Land keine Notwendigkeit mehr, den Euro einzuführen, sagte er 2012 dem Handelsblatt. 2014 konkretisierte er seine Haltung im Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammers. Die angestrebte Einführung des Euro komme erst bei Erreichen einer wesentlich höheren Wirtschaftsleistung Ungarns in Frage. Dafür sei trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Ungarn ein Zeitplan derzeit nicht abzusehen.

Hatte der deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf mit seinen Zweifeln am Euro, die er 1995 in einem Spiegel-Interview äußerte, Recht?

Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.

Ralf Dahrendorf