Ukraine: Kommunalwahlen auf löchrigen Pfaden

Zwei Erstwählerinnen im Dorf Scherdowa.
Die Schwestern Tatjana (20) und Viktoria (19) gaben zum ersten Mal im Leben ihre Stimmen ab. Die jungen Frauen sind im Dorf Scherdowa geboren und aufgewachsen. Sie studieren in Kiew und wollen in der Hauptstadt bleiben, denn „es gibt keine Arbeit im Dorf Scherdowa. Der einzige Arbeitgeber wäre die Bäckerei. Für uns war es wichtig, unsere Stimmen bei der Kommunalwahl abzugeben. Wir wollen über das Schicksal unseres Dorfes und unseres Landes mitentscheiden. Wer nicht zur Wahl geht, sollte sich über die Lage in seiner Stadt auch nicht beschweren", meinen die jungen Ukrainerinnen.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 24.08.2017 | 22:07 Uhr
Bildrechte: MDR/Roman Schell
Wahlkampfzelt im Ort Schaschkiw, Ukraine.
Im Zuge der im Jahr 2015 gestarteten "Dezentralisierungsreform" fanden in der Ukraine Kommunalwahlen statt. Am 29. Oktober wurden die Ukrainer zum bisher größten Urnengang seit dem Beginn der Reform aufgerufen. Es wurde in 201 vereinten Gemeinden gewählt. Ziel der Reform ist die Schaffung von größeren Verwaltungseinheiten. Etwa hier in der Stadt Schaschkiw, 150 Kilometer südlich von Kiew. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Wahlhelfer bauen Kabinen im Gemeindehaus des Dorfes Marijka auf.
Die Vorbereitung zum Urnengang im Dorf Marijka, 160 Kilometer südlich von Kiew. Das Dorf zählt etwa 300 Einwohner. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Gemeindehaus des Dorfes Marijka, Ukraine.
Im alten Kulturhaus fand die Abstimmung statt. Die Menschen setzten große Hoffnungen in die "Dezentralisierungsreform". Sie gilt bisher als erfolgreichste Reform der neuen ukrainischen Regierung. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Traktor auf einer Straße im Dorf Marijka, Ukraine.
Wesentlich mehr Einnahmen der Gemeinden sollen nun in den Provinzen bleiben und nicht nach Kiew überwiesen werden, wie früher. Dies soll zur deutlichen Verbesserung der Lage in den Provinzen führen, etwa zu mehr Investitionen in die marode Infrastruktur. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Alter Kombi auf einer schlammigen Landstraße im Dorf Lutiwka. Davor ein Straßenschild nach «Gluchiw-Drugij».
Die Menschen im Dorf Lutiwka -etwa 100 Kilometer westlich von Kiew - hoffen, dass sich die Lage in ihrer Provinz irgendwann bessert. Marode Infrastruktur bleibt nach wie vor ein großes Problem in dieser Region. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Straßenverkäuferinnen auf einem Parkplatz in der Kleinstadt Dymerka.
Die Kleinstadt Velyka Dymerka, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Kiew, mit mehr als zehntausend Einwohnern wird zum Zentrum einer neuen größeren Gemeinde. Die Regierung und die NGOs und versuchen nun die niedrige Wahlbeteiligung in den Regionen zu erhöhen. Bei den Kommunalwahlen lag sie bisher unter 50 Prozent. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Wähler bei der Registrierung zur Abstimmung in der Kleinstandt Velyka Symerka am 29. Oktober 2017.
Die neue Initiative soll die Menschen dazu bewegen, sich politisch mehr zu engagieren und die neugewählten Eliten strenger zu kontrollieren. Somit könnte die Dezentralisierungsreform eine effektive  Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung in der Ukraine werden. Allerdings lag die Wahlbeteiligung laut der NGO "Opora" auch bei dieser Wahl bei 48 Prozent. Zu den Favoriten der Kommunalwahl gehören die Partei des Präsidenten Poroscheko "Solidarität"und die Partei von Julia Timoschenko "Vaterland". Die unabhängigen Wahlbeobachter von "Opora" meldeten zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Urnengang. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Wahlhelferin mit Wahlzeitung im Ort Schaschkiw, Ukraine.
Eine Wahlhelferin wirbt um Stimmen. Doch mindestens 1,6 Millionen Wählerinnen und Wähler durften Ende Oktober nicht abstimmen, weil sie keine offizielle Registrierung hatten. Viele sind Binnenflüchtlinge aus dem ostukrainischen Krisengebiet. "Die Machthaber zögern mit der Lösung dieses Problems, weil sie befürchten, dass die Binnenflüchtlinge 'falsch' - also prorussisch - wählen", so die Einschätzung von Menschenrechtler von der ukrainischen NGO "Gruppe Einfluss" in Kiew.  Bildrechte: MDR/Roman Schell
Geflohene Ostukrainerin Ludmila Goloborodko in Gulajpole, Ukraine.
Ludmila Goloborodko (53) ist im Jahr 2014 aus der umkämpften Stadt Donezk geflohen. Heute lebt sie in Gulajpole, etwa 600 Kilometer südöstlich von Kiew. Bei der Kommunalwahl im April 2017 durfte die Frau nicht wählen. Die Ostukrainerin fühlt sich deswegen diskriminiert - wie auch Zehntausende weitere Kriegsflüchtlinge aus dem Donbass. Vier Jahre nach der Flucht haben sich diese Menschen inzwischen in verschiedenen ukrainischen Provinzen niedergelassen. Sie wollen nun Einfluss auf die Politik, die neugewählte Verwaltung vor Ort und ihr Leben nehmen - dürfen aber nicht wählen. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Verwüsttes Wahllokal in der Region Dnipro, Ukraine.
In der Region Dnipro wurde am 29. Oktober ein Wahllokal von unbekannten bewaffneten Männern überfallen und verwüstet. Zwei Polizisten wurden verletzt. Bildrechte: MDR/Roman Schell
Eine ältere Wählerin im Dorf Scherdowa, Ukraine.
Olga (66) aus dem Dorf Scherdowa: "Fünf Dörfer werden nun in eine Gemeinde Velyka Dymerka vereint. Wir erhoffen von der Dezentralisierung, dass unsere marode Infrastruktur modernisiert wird. Seit fünf Jahren schon wurde bei uns kein neuer Asphalt gelegt. Nachts ist es völlig dunkel hier. Es gibt keine vernünftige Straßenbeleuchtung. Unser Dorf stirbt eines langsamen Todes. Die jungen Leute wollen nur weg von hier." Bildrechte: MDR/Roman Schell
Zwei Erstwählerinnen im Dorf Scherdowa.
Die Schwestern Tatjana (20) und Viktoria (19) gaben zum ersten Mal im Leben ihre Stimmen ab. Die jungen Frauen sind im Dorf Scherdowa geboren und aufgewachsen. Sie studieren in Kiew und wollen in der Hauptstadt bleiben, denn „es gibt keine Arbeit im Dorf Scherdowa. Der einzige Arbeitgeber wäre die Bäckerei. Für uns war es wichtig, unsere Stimmen bei der Kommunalwahl abzugeben. Wir wollen über das Schicksal unseres Dorfes und unseres Landes mitentscheiden. Wer nicht zur Wahl geht, sollte sich über die Lage in seiner Stadt auch nicht beschweren", meinen die jungen Ukrainerinnen.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: Radio | 24.08.2017 | 22:07 Uhr
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