Welt-Aids-Tag Georgische Kondome - nicht nur für Sex

01. Dezember 2018, 10:46 Uhr

Anania Gachechiladze verkauft jeden Monat tausende Kondome im tief religiösen Georgien. Gachechiladze hat den ersten Kondomautomaten überhaupt in dem kleinen Kaukasusland aufgestellt. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sie das berühmt gemacht, denn für ihr Recht, religiöse Tabus zu brechen, will sie bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. 

von Edita Badasyan

Kondom mit zwei Fingern
Die Kondome von Aiisa empfinden strenggläubige Georgier als anstößig Bildrechte: AiisaCondoms

Gerade einmal 21 war die junge Frau, als sie mit ihrem Kondom-Start-Up anfing. Zu dieser Zeit arbeitete sie eigentlich als Reporterin, aber der Job war irgendwann nur noch Routine. "Zum Glück habe ich mir dann den Fuß gebrochen und hatte ein wenig Zeit, zu Hause zu bleiben und nachzudenken", erzählt die Unternehmerin lachend. Im Frühjahr darauf stand sie zum ersten Mal mit ihrer Kondom-Kollektion auf dem Flohmarkt der Hauptstadt Tbilisi. 100 Präservative hatte sie in einer Apotheke für 60 Lari (ca. 20 Euro) gekauft und dann deren Verpackungen neu designt. Darauf zu sehen waren zum Beispiel Früchte oder eine georgische Süßigkeit.

Eine junge Frau
Anania Gachechiladze ist Gründerin mit Durchsetzungskraft Bildrechte: Milkyway

Von den ersten 100 Design-Kondomen habe ich 90 Stück sofort verkauft. So sind aus 60 Lari 300 geworden und aus 300 schnell Tausend. Am Ende des Sommers hatte ich 25.000 Lari verdient (ca. 9.000 Euro) und hatte so das Geld für meine eigene Produktion beisammen.

Anania Gachechiladze

Die Gummis selbst lässt sie heute in den USA im Bundesstaat Colorado herstellen. Die Verpackung wird in Georgien produziert. Stolz prangt der Schriftzug "Product of Georgia" darauf. Alle zieren unterschiedliche thematische Motive: Aus Literatur und Politik oder aus der Welt des Essens und Trinkens zum Beispiel. Die Georgier sammeln die Aufkleber von den Aiisa-Kondomverpackungen, sie pappen sie auf ihre Handys oder scannen den eingearbeiteten QR-Code - der führt dann zum Beispiel direkt auf eine Musikplattform mit dem Soundtrack für die nächste Liebesnacht.

Strenggläubige Georgier außer sich vor Wut

Kondom mit einer Königin
Heillige auf Kondompackungen sind tabu Bildrechte: AiisaCondoms

Wirklich berühmt wurden Aiisa und die junge Gründerin in Georgien aber mit der Monarch Royal Collection. Deren Verpackungen ziert etwa das Abbild der georgischen Königin Tamara, einer Heiligen der georgisch-orthodoxen Kirche.

Auch der "Zwei Finger"- Aufkleber, ein Symbol für Sex unter Frauen, kam nicht gut an. Die georgisch-orthodoxe Kirche war nicht erfreut. Sie genießt in Georgien größeres Vertrauen als irgendein Politiker oder eine Partei und verbreitete nun per Presseerklärung, dass Anania Gachechiladzes Tun eine Beleidigung der georgischen Gesellschaft sei und verboten gehöre.

Frau vor Frauenstatur mit Kondom in der Hand
Die Gründerin kämpft für ihre kreativen Kondome mit politischen Botschaften Bildrechte: Women of Georgia

Die haben mich praktisch als Volksfeind dargestellt, der bekämpft werden solle. Das ging bis vor ein georgisches Gericht.

Anania Gachechiladze

Den Prozess verlor Gachechiladze, der Richter verbot ihre Designs und brummte ihr eine Geldstrafe von 500 Lari auf. Die Unternehmerin will das nicht akzeptieren. "Ich ziehe gegen dieses Urteil bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und werde dort als die Bürgerin Anania Gachechiladze gegen das georgische Volk auftreten - so wie einst Penthouse-Erfinder Larry Flynt gegen das amerikanische Volk. In Georgien kann ich kein Recht finden", sagt Anania Gachechiladze.

Georgier unterstützen Kondomfabrik

Zum Glück spürt sie aber auch Unterstützung. Nicht wenige Georgier finden ihre Arbeit toll, im Internet hat sie eine Plattform eröffnet auf der man ein neues Design für die Aiisa-Kondomverpackungen vorschlagen kann. Wenigstens im Internet gebe es auch in Georgien Freiheit, sagt Gachechiladze. Per Kondomverpackung kämpft sie auch für die Gleichberechtigung von Homosexuellen und für die Rechte von Frauen. So ließ sie provokativ die krude These nationalistischer Georgier "Es gibt keine schwulen Georgier" in altgeorgischer Schrift auf eine Verpackung drucken. Sonst wird diese Schrift nur noch von der Kirche genutzt.

Kondom mit Frauenstatue
Aufrüttelnde Botschaft über die arbeitenden Mütter Georgiens Bildrechte: AiisaCondoms

Und der Aufkleber mit dem bekannten Denkmal von Mutter Georgien und dem Schriftzug "I don't want to be your mother"  ist den Müttern des Landes gewidmet. Allzu oft und anders als in den Nachbarländern waren es in den vergangenen 25 Jahren die georgischen Frauen, die im Ausland eine Arbeit suchten, um der Familie daheim das Überleben zu ermöglichen. Die georgisch-orthodoxe Kirche kritisierte auch das, seien diese Frauen aus ihrer Sicht doch keine guten Ehefrauen und Mütter mehr.

Putin auf Kondom Verpackung
Provokant wurde auch Putins Politik kritisiert Bildrechte: AiisaCondoms

Auf den internationalen Märkten sind Aiisa-Kondome wegen einer Putin-Verpackung populär geworden: Zum 10. Jahrestag des russisch-georgischen Kriegs brachte die Firma Verpackungen auf den Markt, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin unter einem Regenschirm zeigten - zusammen mit dem Schriftzug "Every dick needs protection".

Aiisa und Anania Gachechiladze haben großen Erfolg - und noch größere Pläne: Mehr Kondomautomaten, mehr Export (auch nach Deutschland) -  und vor allem soll im Südkaukasus endlich dauerhaft ein Sex-Shop "Aiesa Sexibition" eröffnen. Natürlich kein normaler, sondern einer mit kreativem Konzept, Austellungen und extravaganter Club-Kleidung im Angebot. Vor Jahren scheiterte ein erster Versuch, weil aggressive religiöse Fanatiker den Laden nach zwei Monaten zur Schließung zwangen. Aber Anania Gachechiladze will schaffen, was noch keinem gelang.

Über dieses Thema berichtet MDR Aktuell auch im TV: 30.11.2018 | 17:15 Uhr

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