NATO-Manöver "Trident Juncture" "Es geht nicht primär um Russland"

07. November 2018, 14:27 Uhr

Ab heute hält die NATO in Norwegen ihr größtes Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges ab. Primär gehe es um interne Abläufe des Verteidigungsbündnisses, meint der Militärexperte Thomas Wiegold. Natürlich sei es aber auch ein Signal an Russland.

Heute im Osten: Herr Wiegold, bei "Trident Juncture" üben 50.000 Soldaten die Verteidigung Nordeuropas gegen einen nicht näher benannten Gegner. Was ist die Zielstellung hinter so einem Großmanöver?

Thomas Wiegold: Das militärische Ziel ist besonders bei so vielen teilnehmenden Nationen, deren Zusammenwirken zu üben. Also: wie koordiniert man Truppen aus so vielen verschiedenen Ländern. Auch wenn alle zur NATO gehören ist es nicht Alltag, dass alle ein gemeinsames Vorgehen üben. Die eigentlich wichtigste Zielsetzung dieses Manövers ist aber gar nicht das Üben selbst, sondern das Verlegen der Truppen dorthin. Dass also die NATO ausprobiert und demonstriert, dass sie eine größere Menge an Soldaten mit viel Gerät schnell verlegen kann - in diesem Fall nach Norwegen.

Die Bundeswehr stellt mit 8.800 Soldaten das zweitgrößte Kontingent nach den Amerikanern. Kommendes Jahr wird sie auch die Führung der so genannten NATO-Speerspitze übernehmen. Spricht das für eine neue Rolle der Bundeswehr?

Nein, nicht wirklich. Die "Very High Readiness Joint Task Force" (VJTF) oder NATO-Speerspitze wurde als Reaktion auf die Ukrainekrise gegründet und hat eine sehr schnelle Verlegebereitschaft. Ihre Führung rotiert unter den verschiedenen Nationen. Und Deutschland ist jetzt routinemäßig dran, den Großteil der Landbrigade dieser VJTF zu stellen. Daraus ergibt sich eigentlich zwangsläufig diese hohe deutsche Beteiligung an dem Manöver.

Es scheint relativ offensichtlich, wer der eigentliche Adressat des Manövers ist. Denn seit der Ukrainekrise gibt es bei den osteuropäischen NATO-Mitgliedern Ängste vor Russland. Welches politische Signal sendet die NATO daher durch das Manöver?

In Osteuropa und teilweise auch in Deutschland wird die NATO-Speerspitze als primär gegen Russland gerichtet angesehen. Das ist nicht ganz richtig. Russland spielt sicherlich eine große Rolle und hat auch dazu beigetragen, dass die NATO diese schnellen Eingreiftruppen aufgestellt hat. Aber Italien, Frankreich oder Spanien gucken eher darauf, dass eine schnell verlegbare Eingreiftruppe auch im Süden Europas eigesetzt werden kann. Das spielt also beides eine Rolle.

Es geht um die grundsätzliche Verlegbarkeit. Dass Norwegen mit seiner NATO-Grenze nahe an Russland eine recht demonstrative Ortswahl ist, weil auch zeitgleich ein Seemanöver "Northern Coast" unter deutscher Führung vor Finnland läuft, ist offensichtlich. Aber ich glaube es ist zur kurz gedacht, dass sich die NATO ausschließlich auf Russland einstellt.

Erst im September gab es das riesige russische "Wostok"-Manöver mit offiziell fast 300.000 Teilnehmern, wenn auch im Fernen Osten Russlands. Von einem Neuen Kalten Krieg muss man da vielleicht noch nicht sprechen, aber die Fronten scheinen sich schon weiter zu verhärten?

Natürlich ist es so, dass das Verhältnis zwischen NATO und Russland derzeit nicht gut ist, um nicht zu sagen: schlecht. Auf der anderen Seite wird so eine große Übung fast drei Jahre vorbereitet. Da wird ein Riesenapparat angeschoben, der nur begrenzt auf aktuelle politische Veränderungen reagiert.

Das haben in der Tat die Amerikaner gemacht, indem sie sehr kurzfristig einen Flugzeugträgerverband mit zum Manöver geschickt haben. Dieser Flugzeugträger, die "Harry S. Truman", ist in den vergangen Tagen zum ersten Mal nördlich des Polarkreises eingesetzt worden. Das zeigt, dass die Amerikaner schon auch auf aktuelle Entwicklungen reagieren wollen und können. Das ist aber nicht das primäre Ziel des NATO-Manövers an sich.

Deeskalierend wirkt es aber nicht gerade, einen Flugzeugträger Richtung Russland zu schicken.

Das ist wohl richtig. Man kann das aber auch als Reaktion auf die kurzfristigen russischen Übungen sehen, die es häufig an irgendeiner NATO-Grenze gibt. Nun wollen die USA hier eben auch ein zusätzliches Signal senden.


Zur Person

Thomas Wiegold berichtet für verschiedene deutsche Medien schwerpunktmäßig über Sicherheits- und Verteidigungsthemen, insbesondere aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Außerdem betreibt er den sicherheitspolitischen Blog "Augen geradeaus!". Wiegold hat den Grundwehrdienst verweigert.

Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 25.10.2018 | 21:45 Uhr