Geboren in Deutschland, das Herz in Polen: Angelique Kerber - deutsche oder polnische Nummer eins?

29. Dezember 2017, 11:52 Uhr

Im September 2016 übernahm Angelique Kerber die Spitze der Tennis-Weltrangliste. 20 Jahre nach Steffi Graf gab es wieder eine Nummer Eins aus Deutschland. Oder doch aus Polen?

Im Finale der US-Open standen sich am 11. September 2016 im Grunde genommen zwei Spielerinnen aus Osteuropa gegenüber: Angelique Kerber, deren Eltern aus Polen stammen, und die Tschechin Karolina Pliskova. Kerber, die neue Nummer Eins der Weltrangliste, gewann das prestigeträchtige Match.

Bereits im Halbfinale war es zu einem osteuropäischen Duell gekommen, für einige Sportkommentatoren war das deutsch-dänische Duell eindeutig ein polnisches Match gewesen: Angelique Kerber versus Karolina Woźniacka. Das Sportportal "sport.pl" titelte: "Polnische Gang in New York", und "TVN24" befand: "Eine in Dänemark geboren, die andere in Deutschland, aber beide haben ihr Herz in Polen."

Tatsächlich verbindet Angelique Kerber viel mit unserem Nachbarland: Ihre Eltern stammen aus Polen und Kerber spricht Polnisch, wenn auch mit deutschem Akzent. Der Tennis-Star trainiert seit einigen Jahren im westpolnischen Puszczykowo. Ihre Großeltern leben bis heute in dem kleinen Ort nahe Poznań. Ihr Opa ließ dort extra einen Trainigskomplex für seine Enkelin bauen. Den Tenniscourt und die Familie an einem Ort – für Kerber sind das optimale Trainingsbedingungen. Auch weil es nur hier ihr Lieblingsgericht gibt: selbstgemachte Piroggen der Oma.

Ist sie Deutsche? Ist sie Polin?

Für viele Polen gehört sie "dazu", ist eine von ihnen. Die Frage nach ihrer Identität komme von fast allen (polnischen) Reportern, sagte Kerber lachend in einem Interview auf die Frage, was sie denn nun sei: Polin oder Deutsche? Und Kerber antwortet immer ähnlich, immer diplomatisch: "Ich bin in Deutschland geboren, bin dort zur Schule gegangen und habe dort Freunde. Eigentlich habe ich mein ganzes Leben dort verbracht." Kerber weicht solcherart Fragen stets geschickt aus. Identität sei ihr nicht so wichtig, sagt sie. Was hingegen zähle, seien gute Trainingsbedingungen. Und die seien in Polen, wo sie von ihrer Familie umgeben sei, halt am besten.

Ein Vorbild für deutsch-polnische Freundschaft

Kerber besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft und könnte problemlos für Polen spielen. Diese Frage stand tatsächlich lange im Raum und erst seit einem Fernsehinterview von "TVP Sport" Anfang des Jahres 2016 ist die Angelegenheit vom Tisch: "Auch wenn ich seit ein paar Jahren in Polen gemeldet bin, hier trainiere, ist es für mich nicht so einfach, meine Wurzeln zu ändern und für Polen zu spielen. Das Thema ist für mich durch. Es war einmal Thema, aber jetzt nicht mehr. Mein Herz wird auch immer in Polen sein."

Liebesbekundungen wie diese helfen. Böse Fan-Reaktionen auf ihre Entscheidung blieben aus. Und auch wenn einige Polen Kerber lieber für ihr Land spielen sehen würden, der Tennis-Star kann sich seiner Fangemeinde auch in Polen in jedem Falle sicher sein.

Nach ihrem Australian-Open-Sieg Anfang des Jahres 2016 wurde Kerber auf dem Flughafen in Poznań von Dutzenden polnischen Fans empfangen. Vielleicht war das für sie fast wie ein Nach-Hause-Kommen. Oder um es mit den Worten eines polnischen Fans der Seite "sport.pl" auszudrücken: "Sie ist einfach ein gutes Vorbild für die deutsch-polnische Freundschaft."