Kampf gegen dicke Luft in Prag Nahverkehr bei Smog künftig kostenlos

27. Februar 2019, 11:37 Uhr

Touristen und Bewohner von Prag können künftig bei Smog-Alarm kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Das hat der Prager Stadtrat beschlossen. Ob das aber hilft, die Lage zu verbessern, ist umstritten. Prag zählt zu den europäischen Metropolen mit der höchsten Luftverschmutzung.

Prag hat ein riesiges Problem: dicke Luft, und das ist hier wörtlich gemeint. Gleich nach der Industriemetropole Ostrava hat Prag die zweitschlechteste Luft unter den tschechischen Städten. Und während in Ostrava die Luftverschmutzung hauptsächlich auf Produktionsbetriebe zurückgeht, kommt sie in der tschechischen Hauptstadt zu 80 Prozent vom Straßenverkehr.

Prag erstickt in Abgasen

Auf gut deutsch: Prag erstickt in Abgasen. Wie schlimm die Lage ist, belegt eindrucksvoll eine Studie der Non-Profit-Organisation "Transport and Environment", das sich den Kampf um saubere Luft in Europa auf die Fahnen geschrieben hat. Darin werden die Gesundheitsschäden, die durch Luftverschmutzung verursacht werden, in Zigarettenkonsum umgerechnet, und zwar für zehn meistbesuchte Touristenziele Europas. Prag hat darin einen traurigen Rekord inne.

PKWs und ein Bus in Prag im Stau.
Rund 80 Prozent der Luftverschmutzung in Prag geht auf Abgase des dichten Straßenverkehrs zurück. Bildrechte: imago/CTK Photo

Wer einen viertägigen Trip in die tschechische Hauptstadt unternimmt, hat genauso viele schädliche Substanzen aufgenommen wie beim Rauchen von vier Zigaretten – eine Zigarette am Tag also allein durch das Einatmen der schlechten Prager Luft. Nur in Istanbul ist die Luftverschmutzung ähnlich hoch. Ein Viertagestrip nach Paris entspricht lediglich zwei "Zigaretten", ein Viertagestrip nach Barcelona – einer Zigarette.

Mehrmals im Jahr Smog-Alarm

Etwa fünf bis sieben Mal pro Jahr ist die Luft in Prag so belastet, dass Smog-Alarm ausgerufen wird. Künftig sollen die Bürger an solchen Tagen ihre Autos stehen lassen können und kostenlos auf Metro, Tram und Nahverkehrszüge umsteigen dürfen. Die Kosten dafür schätzt man auf rund fünf Millionen Kronen pro Tag, umgerechnet knapp 200.000 Euro. Da die entsprechenden Vorschriften 2018 verschärft wurden, erwartet man künftig aber mehr Tage mit Smog-Alarm als bislang.

Wir wollen damit ein klares Signal an die Bürger aussenden, dass beim Ausrufen eines Smog-Alarms die Umwelt sich in einer Art Krisensituation befindet, die auch die menschliche Gesundheit gefährdet.

Adam Scheinherr, Prager Bürgermeister für Verkehr ČTK

Nahverkehr am Limit

Allerdings zweifelt so mancher, ob sich dadurch die Lage wesentlich entspannen wird. "Meiner Meinung nach wird das nicht den erhofften Effekt zeigen", sagte der Chef der ANO-Fraktion im Stadtrat, Patrik Nacher. Außerdem wies er darauf hin, dass die Verkehrsinfrastruktur der tschechischen Hauptstadt bereits jetzt an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sei und einen Zustrom weiterer Fahrgäste nicht verkraften würde. Besserung können nur durch um der Elektromobilität erreicht werden, sagte Nacher.

Studie: Kaum Entlastung durch Gratis-ÖPNV

Pläne für kostenlosen Nahverkehr gab es bereits in der Vergangenheit, vor den letzten Kommunalwahlen im Oktober 2018. Der alte Stadtrat verwarf die Idee allerdings und berief sich auf eine Studie, wonach sich die Luftqualität dadurch kaum verbessern würde. Auch Fahrverbote in der Innenstadt wurden verworfen, unter anderem deshalb, weil die Prager Umgehungsstraßen noch nicht komplett sind.

Smog-Alarm wird in Tschechien vom Hydrometeorologischen Institut in zwei Stufen ausgerufen. Die kostenlosen ÖPNV-Fahrten soll es schon bei der niedrigeren Stufe geben. Diese wird ausgerufen, wenn innerhalb von zwölf Stunden mindestens an der Hälfte der Messstationen mehr als 100 Mikrogramm Schadstoffe pro Kubikmeter Luft gemessen werden.

(baz)

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Fernsehen: MDR aktuell | 01.03.2019 | 17:45 Uhr

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